1. Ein Zuckerhersteller hat einen unionsrechtlichen Anspruch auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Produktionsabgaben, wenn deren Höhe infolge einer Korrektur der Berechnungsmethode (hier: Änderung des zur Berechnung der Ergänzungsabgabe erforderlichen Koeffizienten) nachträglich reduziert wird.
2. Da der Erstattungsanspruch erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderungsverordnung geltend gemacht werden kann, beginnen nationale Antrags- und Änderungsfristen erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen.
3. Aufgrund des unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes steht die Bestandskraft des Festsetzungsbescheids der Erstattung dann nicht entgegen, wenn dies dazu führte, dass ein unionsrechtlicher Anspruch auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Produktionsabgaben, der erst nach Eintritt der Bestandskraft des Festsetzungsbescheids entstanden ist, nicht durchgesetzt werden könnte.
VO 1360/2013 Art. 1 i.V.m. Anh., Art. 2, 3
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 20.10.2017 ‑ 4 K 1955/16 VZr
I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) setzte gegen die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) mit Bescheid vom 25.11.2002 auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1837/2002 der Kommission vom 15.10.2002 zur Festsetzung der Produktionsabgaben sowie des Koeffizienten der Ergänzungsabgabe im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 2001/02 ‑‑VO 1837/2002‑‑ (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ‑‑ABlEG‑‑ 2002, Nr. L 278, 13) für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung eine Produktionsabgabe für A‑ und B‑Zucker in Höhe von … €, eine Produktionsabgabe für B‑Zucker in Höhe von … € und eine Ergänzungsabgabe in Höhe von … € (insgesamt … €) fest. Die beantragte Änderung der Festsetzung der Produktionsabgaben lehnte das HZA mit Bescheid vom 27.01.2010 ab.Mit Schreiben vom 15.12.2014 beantragte die Klägerin beim HZA erneut, die Festsetzung der Produktionsabgaben für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 zu ändern und ihr eine Produktionsabgabe in Höhe von … € zu erstatten und für diesen Betrag 0,5 % Zinsen pro Monat seit dem Zeitpunkt der Zahlung des zu hohen Abgabenbetrags festzusetzen. Zur Begründung verwies sie auf die Verordnung (EU) Nr. 1360/2013 des Rates vom 02.12.2013 zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für die Wirtschaftsjahre 2001/2002, 2002/2003, 2003/2004, 2004/2005 und 2005/2006, des Koeffizienten für die Berechnung der Ergänzungsabgabe für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 und 2004/2005 und der Beträge, die die Zuckerhersteller den Zuckerrübenverkäufern für die Differenz zwischen dem Höchstbetrag der Abgaben und dem Betrag dieser für die Wirtschaftsjahre 2002/2003, 2003/2004 und 2005/2006 zu erhebenden Abgaben zu zahlen haben ‑‑VO 1360/2013‑‑ (Amtsblatt der Europäischen Union ‑‑ABlEU‑‑ 2013, Nr. L 343, 2). Diesen Antrag lehnte das HZA mit Bescheid vom 28.01.2016 unter Hinweis auf die Bestandskraft der Festsetzung der Produktionsabgaben ab. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.
Das Finanzgericht urteilte, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der Produktionsabgaben, weil diesem die bestandskräftige Festsetzung der Abgaben mit Bescheid vom 25.11.2002 entgegenstehe. Die rückwirkende Festsetzung eines geringeren Koeffizienten habe keine unmittelbaren Auswirkungen auf einen ergangenen Abgabenbescheid. Die VO 1360/2013 enthalte keine Vorschriften für die Änderung ergangener Abgabenbescheide, diese richte sich vielmehr nach einzelstaatlichem Recht. Dass die einzelstaatlich geregelte Bestandskraft eines Abgabenbescheids einem Erstattungsanspruch entgegenstehe, stelle keinen Verstoß gegen den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz dar, weil die Klägerin nach einzelstaatlichem Recht die Möglichkeit gehabt habe, einen Rechtsbehelf gegen den Abgabenbescheid vom 25.11.2002 und den Bescheid vom 27.01.2010 einzulegen. Die Klägerin könne auch keine Änderung der Abgabenfestsetzung auf der Grundlage von Vorschriften der Abgabenordnung in der im Streitfall maßgeblichen Fassung (AO) erreichen, weil der Vorbehalt der Nachprüfung mit dem Ablauf der Festsetzungsfrist entfallen sei. Da die Klägerin keine Erstattung von Produktionsabgaben beanspruchen könne, bedürfe es keiner Entscheidung über die von ihr begehrten Zinsen.
Die Klägerin begründet ihre Revision mit dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Cargill Deutschland vom 19.12.2019 ‑ C‑360/18, EU:C:2019:1124, in dem der EuGH den unionsrechtlichen Anspruch der Zuckerhersteller auf Erstattung der zu Unrecht gezahlten Produktionsabgaben bestätigt habe. Der Grundsatz der Effektivität erlaube es dem HZA nicht, sich auf nationale Verjährungsfristen und auf die Bestandskraft des Bescheids vom 25.11.2002 zu berufen. Denn erst aus der am 19.12.2013 in Kraft getretenen VO 1360/2013 habe der Teil der Produktionsabgaben entnommen werden können, der zu Unrecht festgesetzt worden sei. Das HZA verkenne den Wortlaut, den Inhalt und den Zweck des Art. 2 VO 1360/2013 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000 des Rates vom 22.05.2000 zur Durchführung des Beschlusses 94/728/EG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften ‑‑VO 1150/2000‑‑ (ABlEG 2000, Nr. L 130, 1), bei denen es ausschließlich um die Rechtsbeziehungen zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten bei der Feststellung von Eigenmitteln, also um verwaltungsinterne Vorgänge, gehe. In seiner Entscheidung Cargill Deutschland vom 19.12.2019 ‑ C‑360/18, EU:C:2019:1124 habe sich der EuGH nicht zu der Frage geäußert, innerhalb welcher Frist Erstattungsanträge gestellt werden müssten. Aus Art. 2 VO 1360/2013 ergebe sich nicht klar und bestimmt, dass sie eine unionsrechtliche zeitliche Beschränkung für die Erstattung von Produktionsabgaben beinhalte. Im Übrigen enthalte die Verordnung (EU) 2018/264 des Rates vom 19.02.2018 zur Festsetzung der Produktionsabgaben sowie des Berechnungskoeffizienten für die Ergänzungsabgabe im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 1999/2000 und zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 2000/2001 ‑‑VO 2018/264‑‑ (ABlEU 2018, Nr. L 51, 1) einen unionsrechtlichen Erstattungsanspruch.
Die Vorschriften der Abgabenordnung seien unter Berücksichtigung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität anzuwenden. Die Klägerin habe ihr Recht auf Erstattung erst ab dem 20.12.2013 ausüben können und sei deshalb nicht verpflichtet gewesen, gegen den Festsetzungsbescheid für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 Einspruch einzulegen. Der Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO dürfe daher nicht von einer Aufhebung oder Änderung des ursprünglichen Bescheids vom 25.11.2002 abhängig gemacht werden. Die Geltendmachung des unionsrechtlichen Erstattungsanspruchs sei nicht befristet. Außerdem mache sie einen Zinsanspruch aus § 12 des Marktorganisationsgesetzes ‑‑MOG‑‑ (i.d.F. vom 29.10.2001, BGBl I 2001, 2785) i.V.m. § 238 AO geltend, wobei die Verzinsung mit der zu Unrecht erfolgten Zahlung beginne. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 08.07.2021 ‑ 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 (BVerfGE 158, 282) gelte nur für Verspätungszinsen im Sinne von § 233a AO und nicht auch für Marktordnungszinsen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das HZA unter Aufhebung der Vorentscheidung und des Bescheids vom 28.01.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.06.2016 zu verpflichten, ihr für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 Produktionsabgaben in Höhe von … € zu erstatten, und für diesen Erstattungsbetrag Zinsen in Höhe von 0,5 % pro Monat ab dem Zeitpunkt der Zahlung bis zu dessen Erstattung festzusetzen.
Das HZA beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Die der EuGH-Entscheidung Cargill Deutschland vom 19.12.2019 ‑ C‑360/18, EU:C:2019:1124 zugrunde liegende Fallkonstellation unterscheide sich insoweit von dem vorliegenden Streitfall, als über die grundsätzliche Anwendbarkeit der VO 1360/2013 hinaus hier die Frage zu klären sei, inwieweit der mit Datum vom 15.12.2014 gestellte Antrag auf Erstattung der überzahlten Produktionsabgaben in der Form eines Antrags auf Änderung eines Abgabenbescheids durch die Klägerin verspätet eingereicht worden sei.
Soweit sich die Klägerin auf andere Erstattungsverfahren berufe, bei denen die Erstattung gewährt worden sei, seien in diesen Fällen die Festsetzungsfristen aufgrund eingelegter Rechtsbehelfe nicht abgelaufen gewesen. Die Klägerin habe nach Inkrafttreten der VO 1360/2013 mehr als neun Monate Zeit gehabt, rechtzeitig eine Änderung des Abgabenbescheids geltend zu machen. Im Zusammenhang mit der Feststellung der Eigenmittel komme es nach seiner Auffassung auf die Bestimmung des Zeitpunkts der Feststellung an. "Feststellung der Eigenmittel" im Sinne von Art. 2 Abs. 2 VO 1150/2000 bedeute, dass diese Beträge buchmäßig erfasst, nicht aber erhoben sein müssten. Der Verordnungsgeber habe somit einen genauen Zeitraum festgelegt, innerhalb dessen das Verfahren zur Erstattung der zu viel gezahlten Produktionsabgaben begonnen und zumindest im Hinblick auf die buchmäßige Erfassung der Erstattungsbeträge auch abgeschlossen sein sollte. Wenn der in der VO 1360/2013 als spätester Zeitpunkt festgelegte 30.09.2014 nicht als das Ende einer angemessenen Frist für die Geltendmachung der Ansprüche durch den Zuckerhersteller betrachtet werden sollte, entstünde im Ergebnis die Diskrepanz, dass einerseits der Zuckerhersteller Ansprüche noch nach dem 30.09.2014 geltend machen könnte, es andererseits für die Mitgliedstaaten aber nicht zulässig wäre, die Feststellung der Abgaben noch nach diesem Zeitpunkt vorzunehmen. Die VO 1360/2013 enthalte darüber hinaus keine Verfahrensvorschriften, sodass insoweit nationales Recht gelte. Ein Zinsanspruch stehe der Klägerin ebenfalls nicht zu.
Mit Beschluss vom 01.06.2022 ‑ VII R 48/20 (BFHE 276, 480) hat der erkennende Senat das Verfahren ausgesetzt und den EuGH um Vorabentscheidung ersucht. Dieser hat das Vorabentscheidungsersuchen mit Urteil I (Erstattung von Abgaben) vom 14.12.2023 ‑ C‑655/22, EU:C:2023:993 wie folgt beantwortet:
"1. Art. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1360/2013 des Rates vom 2. Dezember 2013 zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor für die Wirtschaftsjahre 2001/2002, 2002/2003, 2003/2004, 2004/2005 und 2005/2006, des Koeffizienten für die Berechnung der Ergänzungsabgabe für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 und 2004/2005 und der Beträge, die die Zuckerhersteller den Zuckerrübenverkäufern für die Differenz zwischen dem Höchstbetrag der Abgaben und dem Betrag dieser für die Wirtschaftsjahre 2002/2003, 2003/2004 und 2005/2006 zu erhebenden Abgaben zu zahlen haben,
ist dahin auszulegen, dass
er nicht verlangt, dass die Frist für die Einreichung eines auf diese Verordnung gestützten Antrags auf Erstattung von zu Unrecht als Produktionsabgaben im Zuckersektor gezahlten Beträgen spätestens zum Zeitpunkt der Feststellung dieser Abgaben, nämlich am 30. September 2014, endet. Es obliegt den Mitgliedstaaten, in ihrem nationalen Recht unter Beachtung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität die anwendbare Frist festzulegen, wobei eine Frist von einem Jahr an sich nicht unangemessen erscheint, vorausgesetzt allerdings, dass sie frühestens mit Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1360/2013 zu laufen beginnt.
2. Die Verordnung Nr. 1360/2013
ist dahin auszulegen, dass
sie nationalen Vorschriften entgegensteht, die es den zuständigen nationalen Behörden erlauben, einen auf diese Verordnung gestützten Antrag auf Erstattung von zu Unrecht als Produktionsabgaben im Zuckersektor gezahlten Beträgen abzulehnen, indem sie sich auf die Bestandskraft der nationalen Entscheidungen berufen, mit denen die Höhe dieser Abgaben vor Erlass dieser Verordnung in Anwendung mehrerer Verordnungen der Europäischen Kommission festgesetzt wurde, die rückwirkend durch diese Verordnung ersetzt wurden."
Anknüpfend hieran trägt die Klägerin weiter vor, dass der Koeffizient für die Ergänzungsabgabe für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 mit der VO 1360/2013 habe berichtigt werden sollen. Aus Gründen der praktischen Wirksamkeit dieser Verordnung müssten die Zuckerhersteller diese Erstattung tatsächlich erhalten können. Die Klägerin habe ihren Erstattungsantrag innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten der VO 1360/2013 gestellt. Die Antragsfrist sei nicht am 30.09.2014 ausgelaufen, weil dieser Zeitpunkt nur die Mitgliedstaaten verpflichte, die von den Abgabenpflichtigen als neue Produktionsabgaben im Zuckersektor geschuldeten Beträge festzustellen und diese dem Eigenmittelkonto der Union gutzuschreiben. Frühere Entscheidungen zur Abgabenfestsetzung seien nicht zu überprüfen, zu berichtigen oder für nichtig zu erklären, weshalb die Fristen gemäß § 169 Abs. 1 und 2 sowie § 170 AO nicht zu beachten seien. § 218 Abs. 1 AO sei durch die VO 1360/2013 überlagert worden. Der Zinssatz bezüglich eines unionsrechtlichen Anspruchs auf Erstattung zu Unrecht erhobener Produktionsabgaben richte sich nach § 12 Abs. 1 MOG i.V.m. § 238 Abs. 1 AO.
Das HZA erwidert, eine Auslegung der nationalen Regelungen der §§ 169 ff. AO dürfe nicht dazu führen, dass im Streitfall keine Festsetzungsverjährung eintreten könne, da dies mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht vereinbar wäre. Der Ablauf der Festsetzungsfrist wäre solange gehemmt gewesen, bis die Stellung eines Erstattungsantrags bei objektiver Betrachtung nicht übermäßig erschwert gewesen wäre. Ein Zeitraum von sechs bis neun Monaten ab Inkrafttreten der VO 1360/2013 sei ausreichend und angemessen. Dafür spreche auch der in Art. 2 VO 1360/2013 genannte Zeitpunkt, der 30.09.2014.
II. Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die Vorentscheidung verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung von Produktionsabgaben in Höhe von … € für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 und auf Verzinsung des Erstattungsbetrags in Höhe von 0,5 % pro Monat für den Zeitraum von der Zahlung der zu Unrecht erhobenen Produktionsabgaben bis zu deren Erstattung.
1. Der Erstattungsanspruch der Klägerin ergibt sich unmittelbar aus dem Unionsrecht.
a) Mit der VO 1837/2002 wurden die Produktionsabgaben im Zuckersektor (Art. 1) und der in Art. 16 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1260/2001 des Rates vom 19.06.2001 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (ABlEG 2001, Nr. L 178, 1) vorgesehene Koeffizient (Art. 2 VO 1837/2002) für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 festgesetzt. Der Koeffizient betrug 0,08319. Während die Produktionsabgaben im Zuckersektor für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 unverändert blieben, wurde der Koeffizient mit der VO 1360/2013 geändert und für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 mit Wirkung vom 16.10.2002 auf 0,01839 herabgesetzt (vgl. Nr. 2 Anh. VO 1360/2013).
Anlass zu dieser nachträglichen Änderung gaben die EuGH-Entscheidungen Zuckerfabrik Jülich u.a. vom 08.05.2008 ‑ C‑5/06, C‑23/06 bis C‑36/06, EU:C:2008:260, SAFBA vom 06.10.2008 ‑ C‑175/07 bis C‑184/07 (ABlEU 2008, Nr. C 313, 10), Société Roquette Frères vom 06.10.2008 ‑ C‑466/06 (ABlEU 2008, Nr. C 327, 6), Raffinerie Tirlemontoise vom 06.10.2008 ‑ C‑200/06 (ABlEU 2008 Nr. C 313, 9) und Zuckerfabrik Jülich u.a. vom 27.09.2012 ‑ C‑113/10, C‑147/10, C‑234/10, EU:C:2012:591 sowie die Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union Polen/Kommission vom 29.09.2011 ‑ T‑4/06, EU:T:2011:546. Aus den Erwägungsgründen 12 und 13 der VO 1360/2013 ergibt sich weiter, dass die Berichtigungen als erforderlich angesehen wurden, weil dieselbe Methode, die der EuGH für ungültig erklärt hatte, zur Berechnung der Abgaben für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 verwendet worden war, und die berichtigten Abgaben ab denselben Zeitpunkten gelten sollten wie die für ungültig erklärten Abgaben.
b) Die VO 1360/2013 enthält keine ausdrückliche Regelung für einen Anspruch auf Erstattung oder auf Änderung einer bereits erfolgten Festsetzung von Produktionsabgaben.
Zwar erfolgte die Änderung des zur Berechnung der Ergänzungsabgabe erforderlichen Koeffizienten für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 mit Wirkung vom 16.10.2002 (Art. 3 VO 1360/2013) und galt wegen Art. 288 Unterabs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verbindlich und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Daraus lässt sich jedoch kein unionsrechtlicher Anspruch auf Neufestsetzung der Abgaben oder auf Auszahlung zu Unrecht erhobener Beträge ableiten. Insbesondere ergibt sich daraus nicht, in welchen Fällen oder unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen eine rückwirkende Korrektur durchzuführen wäre.
Dass eine rückwirkende Änderung des Koeffizienten nicht automatisch einen Erstattungsanspruch begründet, lässt sich auch aus der VO 2018/264 schließen. Denn in diesem Fall hatte der Verordnungsgeber einen Erstattungsanspruch ausdrücklich geregelt (vgl. Art. 2 Abs. 2 VO 2018/264), was entbehrlich gewesen wäre, wenn sich dieser bereits allein aus der Änderung des Koeffizienten ergäbe.
c) Ein Erstattungsanspruch ergibt sich jedoch unmittelbar aus dem Unionsrecht in seiner Auslegung durch den EuGH.
Mit seinem Urteil I (Erstattung von Abgaben) vom 14.12.2023 ‑ C‑655/22, EU:C:2023:993, Rz 33 ff. und 55 hat der EuGH entschieden, dass die VO 1360/2013 erlassen wurde, um dem EuGH-Urteil Zuckerfabrik Jülich u.a. vom 27.09.2012 ‑ C‑113/10, C‑147/10 und C‑234/10, EU:C:2012:591 nachzukommen, und diese Verordnung daher die aus dem Unionsrecht in seiner Auslegung durch den EuGH hergeleiteten Ansprüche der Zuckerhersteller auf Erstattung der Beträge umsetzt, die sie zu Unrecht als Produktionsabgaben im Zuckersektor für die Wirtschaftsjahre 2001/2002 bis 2005/2006 gezahlt haben. Das Recht auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben hat, stellt eine Folge und eine Ergänzung der Rechte dar, die den Einzelnen aus dem Unionsrecht in seiner Auslegung durch den EuGH erwachsen (EuGH-Urteil Cargill Deutschland vom 19.12.2019 ‑ C‑360/18, EU:C:2019:1124, Rz 39, m.w.N.).
Der Erstattungsanspruch kann erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der VO 1360/2013, das heißt dem 20.12.2013, geltend gemacht werden (EuGH-Urteile I (Erstattung von Abgaben) vom 14.12.2023 ‑ C‑655/22, EU:C:2023:993, Rz 35 und 45 und Cargill Deutschland vom 19.12.2019 ‑ C‑360/18, EU:C:2019:1124, Rz 39).
Wie der EuGH weiter geurteilt hat, ist der in Art. 2 VO 1360/2013 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 VO 1150/2000 festgelegte Zeitpunkt, das heißt der 30.09.2014, der Zeitpunkt, zu dem die Mitgliedstaaten grundsätzlich die von den Abgabepflichtigen als neue Produktionsabgaben im Zuckersektor geschuldeten Beträge feststellen und diese Beträge dem Eigenmittelkonto der Union gutschreiben mussten, und nicht der Zeitpunkt, zu dem die Zuckererzeuger ihren Antrag auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beträge zu stellen hatten (EuGH-Urteil I (Erstattung von Abgaben) vom 14.12.2023 ‑ C‑655/22, EU:C:2023:993, Rz 37). Art. 2 VO 1360/2013 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 VO 1150/2000 betrifft somit nur das Verhältnis der Mitgliedstaaten gegenüber der Europäischen Kommission und beinhaltet keine Frist zur Stellung des Antrags auf Erstattung zu viel gezahlter Produktionsabgaben.
Außerdem hat der EuGH in seinem Urteil I (Erstattung von Abgaben) vom 14.12.2023 ‑ C‑655/22, EU:C:2023:993 klargestellt, dass die nationalen Behörden nicht verpflichtet sind, nationale Abgabenbescheide zu überprüfen, zu berichtigen oder für nichtig zu erklären (Rz 40 und 55). Die Bestandskraft der Abgabenbescheide darf aber dem Erstattungsanspruch nicht entgegenstehen (Rz 52 und 55).
d) Das Verfahren zur Umsetzung des Erstattungsanspruchs ist unionsrechtlich nicht geregelt und richtet sich nach § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG i.V.m. den Vorschriften der Abgabenordnung unter Berücksichtigung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität.
aa) In diesem Zusammenhang hat der EuGH in seinem Urteil I (Erstattung von Abgaben) vom 14.12.2023 ‑ C‑655/22, EU:C:2023:993 darauf hingewiesen, dass auf das Verfahren der Abgabenerstattung die jeweiligen innerstaatlichen Verfahrensvorschriften anzuwenden sind, die allerdings den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität entsprechen müssen (Rz 42). Da der Anspruch der Zuckererzeuger auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Abgaben erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der VO 1360/2013 geltend gemacht werden kann, machen nationale Vorschriften, nach denen die Ausschluss- und Verjährungsfristen für den Erstattungsantrag vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung ablaufen, die Geltendmachung eines solchen Erstattungsanspruchs praktisch unmöglich (Rz 45). Solche Fristen sind somit nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann mit dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar, wenn sie erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der VO 1360/2013 laufen (vgl. Rz 46). Eine Frist von einem Jahr hält der EuGH unter diesen Voraussetzungen jedoch nicht für unangemessen (Rz 48).
Davon ausgehend dürfen etwaige nationale Antrags- oder Verjährungsfristen grundsätzlich angewandt werden. Sie dürfen jedoch erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der VO 1360/2013, das heißt ab dem 20.12.2013, zu laufen beginnen, weil der unionsrechtliche Erstattungsanspruch erst ab diesem Zeitpunkt geltend gemacht werden konnte.
bb) Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG sind auf Abgaben zu Marktordnungszwecken, die nach Regelungen im Sinne des § 1 Abs. 2 MOG hinsichtlich Marktordnungswaren erhoben werden, grundsätzlich die Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden, sofern nicht durch das Marktorganisationsgesetz oder durch Rechtsverordnung aufgrund des Marktorganisationsgesetzes eine von diesen Vorschriften abweichende Regelung getroffen ist. Das Marktorganisationsgesetz gilt somit für die Umsetzung der VO 1837/2002 und der VO 1360/2013, weil es sich bei Zucker um eine Marktordnungsware handelt.
2. Ausgehend von diesen rechtlichen Grundlagen hat die Klägerin einen unionsrechtlichen Anspruch auf Erstattung von Produktionsabgaben in Höhe von … € für das Wirtschaftsjahr 2001/2002.
a) Die Höhe des Erstattungsanspruchs ergibt sich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen den mit Bescheid vom 25.11.2002 festgesetzten Produktionsabgaben aufgrund der VO 1837/2002 und den tatsächlich geschuldeten Produktionsabgaben, wie sie sich aus der VO 1360/2013 ergeben.
Da der Betrag in Höhe von … € zwischen den Beteiligten unstreitig ist, sieht der erkennende Senat insofern von weiteren Ausführungen ab.
b) In Ermangelung unionsrechtlicher Vorschriften sind auf diesen Erstattungsanspruch § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG i.V.m. § 37 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO anzuwenden. Diese sind allerdings unter Berücksichtigung des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes unionsrechtskonform auszulegen.
aa) Ob eine Steuer oder eine Steuervergütung im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 AO ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist, richtet sich regelmäßig nach den zugrunde liegenden Steuerbescheiden (sogenannte formelle Bescheidlage, ständige Rechtsprechung, Senatsurteil vom 18.08.2020 ‑ VII R 39/19, Rz 26, m.w.N.; vgl. auch Urteile des Bundesfinanzhofs vom 14.04.2021 ‑ III R 36/20, BFHE 273, 54, BStBl II 2022, 337, Rz 14, betreffend Kindergeld und vom 25.11.2020 ‑ II R 3/18, BFHE 272, 1, BStBl II 2023, 216, Rz 38 ff., betreffend Grundsteuer). Demnach stünde der bestandskräftige Bescheid vom 25.11.2002 nach der Abgabenordnung dem Erstattungsanspruch an sich entgegen, weil nach der formellen Bescheidlage ein Rechtsgrund im Sinne von § 37 Abs. 2 AO für die Zahlung der Produktionsabgaben in der streitigen Höhe besteht.
Allerdings ist § 37 Abs. 2 AO aufgrund des unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes dahingehend auszulegen, dass ein bestandskräftiger Festsetzungsbescheid wie der Bescheid vom 25.11.2002 einer Erstattung dann nicht entgegenstehen darf, wenn dies dazu führte, dass ein unionsrechtlicher Anspruch auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Produktionsabgaben, der erst nach Eintritt der Bestandskraft des Festsetzungsbescheids entsteht, nicht durchgesetzt werden könnte.
Nach der oben dargestellten Rechtsprechung des EuGH sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, bestandskräftige Abgabenbescheide zu ändern oder aufzuheben. Demnach kann es dahinstehen, ob die Änderung eines bestandskräftigen Bescheids nach der Abgabenordnung überhaupt noch möglich wäre.
bb) Die Klägerin hat die Erstattung der zu Unrecht entrichteten Produktionsabgaben rechtzeitig beim HZA beantragt.
(1) Wie dem EuGH-Urteil I (Erstattung von Abgaben) vom 14.12.2023 ‑ C‑655/22, EU:C:2023:993, Rz 48 zu entnehmen ist, darf die Frist zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs frühestens mit dem Inkrafttreten der Regelung, mit der diesem Verstoß abgeholfen werden soll, zu laufen beginnen. Die Klägerin konnte den Erstattungsanspruch somit erst ab Inkrafttreten der VO 1360/2013 am 20.12.2013 (vgl. Art. 3 Unterabs. 1 VO 1360/2013) geltend machen. Sie hat den Antrag am 18.12.2014 und damit innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten der VO 1360/2013 gestellt und daher die Verjährungsfrist von fünf Jahren gemäß § 228 AO, die für Erstattungsansprüche nach § 37 Abs. 2 AO gilt, eingehalten.
Soweit das HZA eine Frist von sechs bis neun Monaten zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs für angemessen hält, ergibt sich hierfür weder eine Rechtsgrundlage aus der Abgabenordnung noch aus der Rechtsprechung des EuGH. Dies widerspräche zudem dem unionsrechtlichen Äquivalenzgrundsatz, weil damit die Geltendmachung eines unionsrechtlichen Erstattungsanspruchs gegenüber der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nach nationalem Recht von ungünstigeren Voraussetzungen abhinge.
(2) Der in Art. 2 VO 1360/2013 genannte Stichtag (30.09.2014) steht nach der oben dargestellten Rechtsprechung der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ebenfalls nicht entgegen, weil es sich hierbei nicht um eine Antragsfrist handelt.
3. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zinsen für den zu Unrecht gezahlten Betrag in Höhe von … € (vgl. dazu EuGH-Urteil I (Erstattung von Abgaben) vom 14.12.2023 ‑ C‑655/22, EU:C:2023:993, Rz 33) für den Zeitraum von der Zahlung bis zu dessen Erstattung gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG i.V.m. § 233 Satz 1 AO in unionsrechtskonformer Auslegung.
a) Nach der Rechtsprechung des EuGH hat der Einzelne, wenn ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts Steuern erhoben hat, einen Anspruch auf Erstattung nicht nur der zu Unrecht erhobenen Steuer, sondern auch der Beträge, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Steuer an diesen Staat gezahlt oder von diesem einbehalten worden sind. Darunter fallen auch die Einbußen aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Geldbeträgen infolge der vorzeitigen Fälligkeit der Steuer (EuGH-Urteile Littlewoods Retail u.a. vom 19.07.2012 ‑ C‑591/10, EU:C:2012:478, Rz 25, m.w.N.; Zuckerfabrik Jülich u.a. vom 27.09.2012 ‑ C‑113/10, C‑147/10 und C‑234/10, EU:C:2012:591, Rz 65, m.w.N.; Irimie vom 18.04.2013 ‑ C‑565/11, EU:C:2013:250, Rz 21, m.w.N.; Nicula vom 15.10.2014 ‑ C‑331/13, EU:C:2014:2285, Rz 28; Wortmann vom 18.01.2017 ‑ C‑365/15, EU:C:2017:19, Rz 37 ff. und HUMDA vom 13.10.2022 ‑ C‑397/21, EU:C:2022:790, Rz 32; vgl. auch Senatsurteil vom 22.09.2015 ‑ VII R 32/14, BFHE 251, 291, BStBl II 2016, 323).
Demnach ergibt sich der Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuerbeträge zuzüglich Zinsen zu erstatten, aus dem Unionsrecht. In Ermangelung einer unionsrechtlichen Regelung kommt es der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten zu, die Bedingungen für die Zahlung solcher Zinsen, insbesondere den Zinssatz und die Berechnungsmethode für die Zinsen festzulegen. Diese Bedingungen müssen den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität entsprechen, das heißt, sie dürfen nicht ungünstiger sein als bei ähnlichen Klagen, die auf Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts gestützt sind, und sie dürfen nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der Rechte, die die Unionsrechtsordnung einräumt, praktisch unmöglich machen (EuGH-Urteile Littlewoods Retail u.a. vom 19.07.2012 ‑ C‑591/10, EU:C:2012:478, Rz 26 ff., m.w.N.; Zuckerfabrik Jülich u.a. vom 27.09.2012 ‑ C‑113/10, C‑147/10 und C‑234/10, EU:C:2012:591, Rz 61 und 66; Irimie vom 18.04.2013 ‑ C‑565/11, EU:C:2013:250, Rz 22 ff.; Târșia vom 06.10.2015 ‑ C‑69/14, EU:C:2015:662, Rz 25 ff., m.w.N. und HUMDA vom 13.10.2022 ‑ C‑397/21, EU:C:2022:790, Rz 33; vgl. auch Senatsurteile vom 22.09.2015 ‑ VII R 32/14, BFHE 251, 291, BStBl II 2016, 323 und vom 22.10.2019 ‑ VII R 24/18, BFHE 267, 90). Insbesondere dürfen die Zinszahlungsmodalitäten nicht dazu führen, dass dem Betreffenden eine angemessene Entschädigung für die erlittenen Einbußen vorenthalten wird (EuGH-Urteil Gräfendorfer Geflügel und Tiefkühlfeinkost vom 28.04.2022 ‑ C‑415/20, C‑419/20 und C‑427/20, EU:C:2022:306, Rz 74 ff.). Dies setzt unter anderem voraus, dass die ihm gezahlten Zinsen den Gesamtzeitraum abdecken, der je nach Lage des Falls zwischen dem Tag, an dem der Betreffende den fraglichen Geldbetrag entrichtet hat oder hätte erhalten sollen, und dem Tag liegt, an dem dieser ihm erstattet oder an ihn entrichtet wurde.
b) Der Berechnung des Zinsbetrags ist der gesamte Zeitraum ab Leistung der jeweiligen Vorauszahlung bis zur Erstattung des überzahlten Steuerbetrags zugrunde zu legen. Eine entsprechende Beschränkung des zu verzinsenden Zeitraums auf volle Zinsmonate entsprechend § 238 AO widerspräche dem Effektivitätsgrundsatz, da die Geltendmachung eines Teils des Zinsanspruchs im Ergebnis unmöglich gemacht würde (vgl. Senatsurteil vom 15.11.2022 ‑ VII R 29/21 (VII R 17/18), BFHE 279, 1, BStBl II 2023, 803, Rz 35 mit Verweis auf EuGH-Urteil Gräfendorfer Geflügel und Tiefkühlfeinkost vom 28.04.2022 ‑ C‑415/20, C‑419/20 und C‑427/20, EU:C:2022:306, Rz 75 ff.).
c) Der Zinssatz beträgt gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO 0,5 % pro Monat.
Der Zinssatz in Höhe von 0,5 % pro Monat steht im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben, weil er auch im Falle einer Verzinsung eines Erstattungsanspruchs aus nationalem Recht anzuwenden ist und somit keine Benachteiligung der Klägerin vorliegt.
Soweit das BVerfG mit Beschluss vom 08.07.2021 ‑ 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 (BVerfGE 158, 282) entschieden hat, dass § 233a AO mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar ist, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 ein Zinssatz von 0,5 % für jeden Monat zugrunde gelegt wird, hat dies keine Auswirkungen auf den Streitfall. Denn Abgaben nach dem Marktordnungsrecht werden nicht von § 233a AO erfasst (vgl. zur Stromsteuer Senatsurteil vom 15.11.2022 ‑ VII R 29/21 (VII R 17/18), BFHE 279, 1, BStBl II 2023, 803, Rz 37 ff.).
d) Die Berechnung der Zinsen wird dem HZA übertragen (§ 121 Satz 1, § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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