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BFH: Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG bei ausländischer Betriebsstätte – keine Abkommensberechtigung von Personengesellschaften nach dem DBA-Niederlande 1959/2004 – Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen nach Art. 4 DBA-Niederlande 1959/2004

  1. Personengesellschaften sind nach dem DBA-Niederlande 1959/2004 im Hin­blick auf die Gewerbesteuer nicht selbst abkommensberechtigt. Abkommens­berechtigt sind ihre jeweiligen Gesellschafter.
  2. Die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt (§ 9 Nr. 3 des Gewerbesteuergesetzes ‑‑GewStG‑‑), ist auch dann vorzunehmen, wenn die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) nach dem einschlägigen Abkommen zur Vermei­dung der Doppelbesteuerung nicht gehindert wäre, den gesamten Gewerbeer­trag zu besteuern, und wenn sich im Rahmen einer koordinierten steuerlichen Außenprüfung (Joint Audit) die deutschen und die ausländischen Finanzbehör­den auf eine vollständige Besteuerung durch Deutschland verständigt haben.
  3. Der Gewinn aus der Veräußerung eines bebauten Grundstücks durch ein gewerbliches Unternehmen unterfällt auch dann vollständig Art. 4 DBA-Niederlande 1959/2004 (Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen), wenn die Bebauung vom Unternehmen selbst durchgeführt und das Grundvermögen dem Umlaufvermögen zugeordnet worden ist.
  4. Zur Betriebsstätten-Gewinnabgrenzung bei Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG und bei Anwendung von Art. 5 DBA-Niederlande 1959/2004.

GewStG § 2 Abs. 1 Satz 3, § 9 Nr. 3
DBA-Niederlande 1959/2004 Art. 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5, Art. 3 Abs. 5, Art. 4, Art. 5

BFH-Urteil vom 5.6.2024, I R 32/20 (veröffentlicht am 31.10.2024)

Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 28.5.2020, 9 K 1904/18 G = SIS 20 12 20

I. Die zum niederländischen X‑Konzern gehörende Klägerin, Revisionsbeklagte und Anschlussrevisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG mit statutarischem Sitz im Inland, die in den Jahren 2013 und 2014 (Streitjahre) als Generalunternehmerin im Wohnungsbau tätig war. Komplementärin ist die V‑GmbH, Kommanditistin die B‑GmbH; beide Gesellschafterinnen haben ihre statutarischen Sitze ebenfalls im Inland.

Die Klägerin betrieb im Inland Wohnungsbau, dabei ganz überwiegend auf ei­genen Grundstücken, die sie nach der Bebauung jeweils wieder veräußerte, zu einem geringen Teil aber auch auf fremden Grundstücken. Sie unterhielt ne­ben den Baustellen lediglich eine Korrespondenzadresse (Briefkasten) im In­land. Die Geschäftsleitung der Klägerin sowie die Projektierung mit dem dafür benötigten Personal befanden sich in den Niederlanden. Auf den Baustellen war die Klägerin jeweils durch einen Polier und einen Bauleiter zur Leitung und Überwachung der Bauausführungen vertreten. Ausgeführt wurden die Bauar­beiten durch über die Konzernzentrale in den Niederlanden verpflichtete Sub­unternehmer.

Im Rahmen einer gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung (sogenannter Joint Audit) hinsichtlich der Jahre 2012 und 2013 einigten sich die deutschen und niederländischen Prüfer auf eine Aufteilung der Besteuerungsrechte dergestalt, dass die Veräußerungsgewinne der Klägerin aus den Bauprojekten auf eigenen Grundstücken in vollem Umfang der Besteuerung durch die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) unterliegen sollten. Bei den Bauprojekten auf fremden Grundstücken wurde nach der Länge der Bauzeiten differenziert: Ge­winne aus Bauprojekten von weniger als zwölf Monaten sollten ausschließlich der niederländischen Besteuerung unterliegen, während die Gewinne aus Bau­projekten von mehr als zwölf Monaten zu 80 % von den Niederlanden und zu 20 % von Deutschland besteuert werden sollten. Für das Jahr 2012 führte die­se Aufteilung zu einer Besteuerung durch Deutschland zu mehr als 90 %. Der Beklagte, Revisionskläger und Anschlussrevisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) setzte dieses Prüfungsergebnis auch im Hinblick auf die Gewerbesteuer um und erließ entsprechende Bescheide über die Festsetzung der Gewerbesteuer­messbeträge für die Streitjahre.

Die Klägerin hielt den jenen Bescheiden zugrunde liegenden Aufteilungsmaß­stab hinsichtlich der Bauten auf den eigenen Grundstücken mit Blick auf den in § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 9 Nr. 3 des Gewerbesteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (GewStG) zum Ausdruck kommenden Inlands­bezug der Gewerbesteuer für unzutreffend und beantragte mit der nach erfolg­losem Einspruch erhobenen Klage eine Herabsetzung der Gewerbesteuermess­beträge auf 20 % der vom FA festgesetzten Beträge.

Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf hat die an­gefochtenen Bescheide dahin geändert, dass "im Rahmen der Kürzungen zu­sätzlich eine Kürzung gemäß § 9 Nr. 3 GewStG um ein Drittel des Gewinnes aus Gewerbebetrieb vorgenommen wird"; im Übrigen hat es die Klage als un­begründet abgewiesen (Urteil vom 28.05.2020 ‑ 9 K 1904/18 G, Entscheidun­gen der Finanzgerichte 2020, 1325).

Gegen das FG-Urteil richtet sich die Revision des FA.

Das FA beantragt (sinngemäß), das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzu­weisen.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß), die Revision des FA zurückzuweisen so­wie ‑‑im Wege der Anschlussrevision‑‑ das FG-Urteil aufzuheben und die ange­fochtenen Bescheide dahin zu ändern, dass der jeweilige Gewerbesteuermess­betrag auf 20 % des vom FA festgesetzten Betrags reduziert wird.

Das FA beantragt, die Anschlussrevision zurückzuweisen.

II. Revision und Anschlussrevision sind begründet und führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur an­derweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Fi­nanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zwar zutreffend angenommen, dass die von der Klägerin in den Streitjahren in Zusammenhang mit den Bau­ausführungen und den Grundstücksveräußerungen erzielten Einkünfte nur zu einem Teil der Gewerbesteuer unterliegen. Jedoch genügt die vom FG im We­ge der Schätzung vorgenommene Gewinnabgrenzung zwischen den inländi­schen Betriebsstätten und der niederländischen Betriebsstätte nicht den An­forderungen des § 162 der Abgabenordnung (AO).

1. Die beiden Gesellschafterinnen der Klägerin haben als Mitunternehmerinnen auf der Ebene der Klägerin einen Gewerbebetrieb unterhalten, der der Gewer­besteuer unterliegt. Die von der Klägerin in den Streitjahren erzielten Erträge sind jedoch nur zum Teil gewerbesteuerpflichtig. Nach zutreffender Annahme der Vorinstanz ‑‑und entgegen der Auffassung des FA‑‑ gilt dies auch für die mit dem Verkauf der von der Klägerin selbst erworbenen, bebauten und so­dann veräußerten inländischen Grundstücke erzielten Erträge.

a) Der Gewerbesteuer unterliegt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG jeder ste­hende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Im Inland betrie­ben wird ein Gewerbebetrieb (außerhalb des Schifffahrtsbereichs), soweit für ihn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG).

b) Die Klägerin hat auf der Grundlage der vom FG getroffenen und für den Se­nat gemäß § 118 Abs. 2 FGO verbindlichen Feststellungen für ihre gewerbliche Betätigung mehrere inländische Betriebsstätten unterhalten.

aa) Für den in § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG enthaltenen, aber im Gewerbesteu­ergesetz nicht definierten Begriff der inländischen Betriebsstätte als territoria­ler Anknüpfungspunkt des Gewerbebetriebs ist auf die in § 12 AO normierte Betriebsstättendefinition abzustellen (Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 13.09.2000 ‑ X R 174/96, BFHE 194, 222, BStBl II 2001, 734; vom 12.02.2004 ‑ IV R 29/02, BFHE 205, 295, BStBl II 2004, 602; vom 23.03.2022 ‑ III R 35/20, BFHE 276, 170, BStBl II 2022, 844; Senatsurteil vom 16.12.2009 ‑ I R 56/08, BFHE 228, 356, BStBl II 2010, 492; Gewerbe­steuer-Richtlinien 2016 R 2.9 [1]). Die in grenzüberschreitenden Konstellatio­nen gegebenenfalls in einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteue­rung (DBA) enthaltenen Betriebsstättendefinitionen sind hingegen ausschließ­lich für die Zwecke des Abkommens und nicht auch für die innerstaatliche Be­stimmung des Objekts der Gewerbesteuer maßgeblich (Senatsurteil vom 20.07.2016 ‑ I R 50/15, BFHE 254, 365, BStBl II 2017, 230).

bb) Nach § 12 Satz 1 AO ist Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Annahme einer Betriebsstätte gemäß § 12 Satz 1 AO eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdober­fläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unterneh­mens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat (z.B. Senatsurteil vom 02.04.2014 ‑ I R 68/12, BFHE 245, 98, BStBl II 2014, 875; BFH-Urteil vom 23.03.2022 ‑ III R 35/20, BFHE 276, 170, BStBl II 2022, 844). Soweit die Klägerin inländische Grundstücke zu Eigentum erworben, bebaut und weiterveräußert hat, hat es sich nach zutref­fender ‑‑und von den Beteiligten nicht angegriffener‑‑ Annahme des FG bei den Grundstücken jeweils um "feste" Geschäftseinrichtungen oder Anlagen im Sinne von § 12 Satz 1 AO gehandelt, die der Tätigkeit der Klägerin gedient haben (vgl. allgemein Senatsurteil vom 02.04.2014 ‑ I R 68/12, BFHE 245, 98, BStBl II 2014, 875, zur Betriebsstätteneigenschaft eines landwirtschaftlich ge­nutzten Grundstücks). Da die Bauarbeiten nach den vorinstanzlichen Feststel­lungen jeweils mehr als sechs Monate angedauert haben, sind zugleich auch die Voraussetzungen des § 12 Satz 2 Nr. 8 AO (Bauausführungs-Betriebs­stätten) erfüllt.

Soweit die Klägerin als Generalunternehmerin Bauarbeiten auf fremden Grund­stücken ausgeführt hat, die länger als sechs Monate angedauert haben, be­standen nach den Maßgaben des § 12 Satz 2 Nr. 8 AO ebenfalls Bauausfüh­rungs-Betriebsstätten.

c) Die von der Klägerin durch ihre gewerbliche Betätigung in den Streitjahren erzielten Einkünfte gehen nicht in vollem Umfang in die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage (Gewerbeertrag) ein. Grund hierfür ist der Umstand, dass die Geschäftsleitung und andere Tätigkeiten nach den vom FG getroffe­nen Feststellungen in den Niederlanden ausgeübt worden sind.

aa) Gewerbeertrag ist gemäß § 7 Satz 1 GewStG der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermit­telnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkom­mens für den dem Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge.

bb) Der Gewerbeertrag entspricht somit auf der ersten Ermittlungsstufe (vor den gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen und Kürzungen) dem Gewinn aus Gewerbebetrieb, der der Bemessung der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer zugrunde zu legen ist. Auf dieser Stufe gehen folglich Einkünfte, die aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften ‑‑zum Beispiel DBA‑‑ als steuerfrei be­handelt werden, von vornherein nicht in den Gewerbeertrag ein (vgl. Senats­urteile vom 09.06.2010 ‑ I R 107/09, BFHE 230, 35; vom 20.07.2016 ‑ I R 50/15, BFHE 254, 365, BStBl II 2017, 230 und vom 22.02.2023 ‑ I R 35/22 (I R 32/18), BFHE 280, 98, BStBl II 2023, 761).

cc) Nach dem für die Streitjahre geltenden Abkommen zwischen der Bundes­republik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete vom 16.06.1959 (BGBl II 1960, 1782, BStBl I 1960, 382) in der zuletzt durch Art. 4 des Dritten Zusatzprotokolls vom 04.06.2004 (BGBl II 2004, 1655, BStBl I 2005, 365) geänderten Fassung (DBA-Niederlande 1959/2004) ist ein Teil des Gewinns aus den von der Kläge­rin auf den fremden Grundstücken erbrachten Bauleistungen von der Bemes­sungsgrundlage der Gewerbesteuer auszunehmen.

aaa) Das DBA-Niederlande 1959/2004 findet nach dessen Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. e Anwendung auf die deutsche Gewerbesteuer. Unmittelbar abkom­mensberechtigt ist zwar nicht die Klägerin, sondern sind deren Gesellschafte­rinnen V‑GmbH und B‑GmbH, auf deren Abkommensberechtigung sich die Klägerin als Steuerschuldnerin aber berufen kann.

Die Klägerin ist selbst nicht abkommensberechtigt, weil sie für Zwecke des Abkommens keine "Person" ist. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Niederlande 1959/2004 bedeutet der Begriff "Person" sowohl natürliche als auch juristische Personen (Halbsatz 1); Personenvereinigungen haben nur dann die Eigen­schaft einer "Person", wenn sie als solche der Besteuerung wie eine juristische Person unterliegen (Halbsatz 2). Damit unterscheidet sich der Personenbegriff in Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Niederlande 1959/2004 von demjenigen des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a des OECD-Musterabkommens (OECDMustAbk), der neben "Gesellschaften" auch allen anderen Personenvereinigungen die Eigenschaft als "Person" zuspricht.

Als Personengesellschaft deutschen Rechts ist die Klägerin keine juristische Person, sondern eine Personenvereinigung. Sie wird auch nicht wie eine juris­tische Person besteuert (vgl. Mick in Wassermeyer [Stand: Juli 2009] Niederlande Art. 2 Rz 3), weil sie nach dem ertragsteuerlichen Transparenz­prinzip selbst nicht der Körperschaftsteuer unterliegt. Dass die Klägerin als gewerblich tätige Personengesellschaft gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG Steu­erschuldnerin der Gewerbesteuer ist, reicht für eine Besteuerung "wie eine juristische Person" im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 DBA-Niederlande 1959/2004 nicht aus (zutreffend Weiss, NWB Internationales Steuer- und Wirtschaftsrecht ‑‑IWB‑‑ 2020, 887, 894; im Ergebnis auch Bärsch/Nußbaum, Internationales Steuerrecht ‑‑IStR‑‑ 2020, 720, 722), weil die Gewerbesteuer für die Besteuerung nicht an die Rechtsform des Unter­nehmens und dessen Sitz oder Ort der Geschäftsleitung, sondern an die Exis­tenz einer inländischen Betriebsstätte anknüpft (vgl. Wassermeyer/Drüen in Wassermeyer MA Art. 3 Rz 17).

Auf die Abkommensberechtigung von Personengesellschaften nach dem DBA-Niederlande 1959/2004 nicht übertragbar ist die zum OECD-Musterabkommen streitige Frage, ob die Abkommensberechtigung von Personengesellschaften für Zwecke der Gewerbesteuer am Erfordernis der Ansässigkeit nach Art. 4 Abs. 1 OECDMustAbk scheitert, welche voraussetzt, dass die "Person" nach dem Recht des jeweiligen Vertragsstaats dort aufgrund ihres Wohnsitzes, Ort der Geschäftsleitung oder ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist (gegen die Abkommensberechtigung: Wassermeyer in Wassermeyer MA Art. 1 Rz 17, 27d; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer MA Art. 4 Rz 25, 26; Ismer/Blank in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., Art. 4 Rz 76c; Schönfeld/Korff, IStR 2018, 705, 707 ff.; für die Abkommensberechtigung: Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ‑‑BMF‑‑ vom 26.09.2014, BStBl I 2014, 1258, Tz. 2.1.1; Hruschka, Deutsches Steuerrecht 2014, 2421; Dremel in Schönfeld/Ditz, DBA, 2. Aufl., Art. 1 Rz 47). Zum einen fehlt es einer Personengesellschaft nach dem DBA-Niederlande 1959/2004 bereits an der Eigenschaft der "Person" (s. dazu oben); zum anderen kommt es für die abkommensrechtliche Ansässigkeit von juristischen Personen (oder Personenvereinigungen, die nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 DBA-Niederlande 1959/2004 als solche gelten) gemäß Art. 3 Abs. 5 DBA-Niederlande 1959/2004 lediglich auf den Ort der Leitung ("Wohn­sitz") an.

Abkommensberechtigt sind hingegen die beiden Gesellschafterinnen der Klä­gerin, die als GmbH (juristische Person) gemäß Art. 3 Abs. 5 DBA-Niederlande 1959/2004 in dem Vertragsstaat ansässig sind ("Wohnsitz"), auf dessen Ge­biet sich der jeweilige Ort der Leitung befindet.

bbb) Bei den Gewinnen aus den Bauausführungen auf fremdem Grund handelt es sich abkommensrechtlich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne von Art. 5 DBA-Niederlande 1959/2004. In welchem Umfang Deutschland abkom­mensrechtlich das diesbezügliche Besteuerungsrecht zusteht, hängt von der noch zu klärenden Frage ab, ob die Orte der Geschäftsleitungen der V‑GmbH und der B‑GmbH sich in Deutschland oder in den Niederlanden befunden ha­ben.

Wären die Geschäfte der V‑GmbH und der B‑GmbH ‑‑wie im Fall der Klägerin‑‑ von der niederländischen Konzernzentrale aus geleitet worden, dürfte Deutschland die Gewinne nur insoweit besteuern, als sie durch eine im Inland belegene Betriebsstätte ‑‑und zwar im Sinne der abkommensrechtlichen Be­triebsstättendefinition des Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Niederlande 1959/2004‑‑ erwirtschaftet worden sind. In diesem Fall hätten die V‑GmbH und die B‑GmbH nach Art. 3 Abs. 5 Satz 1 DBA-Niederlande 1959/2004 ihre abkommensrechtli­chen "Wohnsitze" ungeachtet der statutarischen Inlandssitze am Ort der Lei­tung in den Niederlanden. Sie würden mithin als ein Unternehmen des Ver­tragsstaats Niederlande gelten (Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 DBA-Niederlande 1959/2004). Bezieht eine Person mit Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten als Unternehmer oder Mitunternehmer Einkünfte aus einem gewerblichen Un­ternehmen, das sich auf den anderen Vertragsstaat (hier: Deutschland) er­streckt, so hat der andere Staat das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte nur insoweit, als sie auf eine dort befindliche Betriebsstätte des Unternehmens entfallen (Art. 5 Abs. 1 DBA-Niederlande 1959/2004). Die Gewinne der Kläge­rin aus den Bauausführungen auf fremden Grundstücken würden danach nur in dem Umfang in den Gewerbeertrag der Klägerin eingehen, als sie einer in­ländischen Bauausführungs-Betriebsstätte im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. gg DBA-Niederlande 1959/2004 zuzuordnen sind, was eine Bauausführungszeit von jeweils mehr als zwölf Monaten erfordern würde.

Wären die beiden Gesellschafterinnen der Klägerin hingegen von Deutschland aus geleitet worden, hätte Deutschland das grundsätzliche Besteuerungsrecht und wären die der niederländischen Betriebsstätte zuzuordnenden Einkunfts­teile von der Bemessungsgrundlage auszunehmen (Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 DBA-Niederlande 1959/2004).

ccc) In Bezug auf die Betriebsstätten-Gewinnabgrenzung sieht Art. 5 Abs. 2 DBA-Niederlande 1959/2004 vor, dass der Betriebsstätte diejenigen Einkünfte zugewiesen werden, die sie erzielt hätte, wenn sie sich als selbständiges Un­ternehmen mit gleichen oder ähnlichen Geschäften unter gleichen oder ähnli­chen Bedingungen befasste und Geschäfte wie ein unabhängiges Unternehmen tätigte. Weitere Vorgaben hierzu enthalten Nr. 6 und 7 des in das Abkommen integrierten Schlussprotokolls zum Abkommen vom 16.06.1959.

dd) Die Gewinne aus dem Verkauf der bebauten Grundstücke sind demgegen­über nach dem DBA-Niederlande 1959/2004 unabhängig vom "Wohnsitz" der Gesellschafterinnen der Klägerin nicht anteilig von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuern auszunehmen.

aaa) Bezieht eine Person mit Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (einschließlich des Zubehörs), das in dem an­deren Staat liegt, so hat gemäß Art. 4 Abs. 1 DBA-Niederlande 1959/2004 der andere Staat das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte. Diese Regelung umfasst unter anderem auch Einkünfte aus der Veräußerung des unbewegli­chen Vermögens (Art. 4 Abs. 2 DBA-Niederlande 1959/2004) und gilt gemäß Art. 4 Abs. 3 DBA-Niederlande 1959/2004 auch dann, wenn die Vermögensge­genstände zu einem gewerblichen Betriebsvermögen gehören, hat also Vor­rang gegenüber der Regelung des Art. 5 DBA-Niederlande 1959/2004.

Hätten die V‑GmbH und die B‑GmbH den Ort ihrer Leitung in den Niederlanden gehabt, würde somit Deutschland gleichwohl das alleinige Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen zustehen. Dies gilt für den vorliegenden Fall ungeachtet des Umstands, dass nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil die Klägerin das Grundvermögen als Umlaufvermögen erfasst und auf den Grundstücken Gebäude errichtet hat (vgl. allgemein Senatsurteil vom 23.03.1972 ‑ I R 128/70, BFHE 106, 501, BStBl II 1972, 948; Wassermeyer in Wassermeyer MA Art. 13 Rz 21; Gosch in Gosch/Kroppen/Grotherr/Kraft, DBA, Art. 13 OECD-MA Rz 39; Reimer in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., Art. 13 Rz 63; anderer Auffassung Bromme/Poerschke, IStR 2023, 565 ff. und Finanz-Rundschau 2023, 972 ff.). Das für Veräußerungsgewinne aus unbeweglichem Vermögen in Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 DBA-Niederlande 1959/2004 veran­kerte Belegenheitsprinzip und der in Art. 4 Abs. 3 DBA-Niederlande 1959/2004 angeordnete Vorrang vor Art. 5 DBA-Niederlande 1959/2004 wirken absolut und stehen einer Abspaltung eines auf die Bebauung entfallenden Teils des Gesamterlöses und dessen Zuweisung zu Art. 5 DBA-Niederlande 1959/2004 entgegen.

bbb) Hätten die Gesellschafterinnen der Klägerin den Ort ihrer Leitung im In­land gehabt, würde Deutschland ebenfalls das alleinige Besteuerungsrecht an den gesamten Veräußerungsgewinnen zustehen. Zwar wäre in dieser Konstel­lation nicht Art. 4 DBA-Niederlande 1959/2004 einschlägig, weil Deutschland sowohl Wohnsitzstaat als auch Belegenheitsstaat des unbeweglichen Vermö­gens wäre; auch enthält das DBA-Niederlande 1959/2004 keine Art. 13 Abs. 5 OECDMustAbk entsprechende Vorschrift über Veräußerungsgewinne, die nicht dem speziellen Verteilungsartikel für Veräußerungsgewinne unterfallen. Jedoch greift in diesem Fall die Auffangregel des Art. 16 DBA-Niederlande 1959/2004 ein (Mick in Wassermeyer [Stand: Juli 2009] Niederlande Art. 16 Rz 12). Da­nach hat dann, wenn eine Person mit Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten Einkünfte bezieht, für die in den vorherstehenden Artikeln keine Regelung ge­troffen ist, der Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte.

ee) Nach zutreffender Auffassung des FG gehören die Gewinne aus der Veräu­ßerung der bebauten Grundstücke jedoch aufgrund der im Gewerbesteuerge­setz vorgesehenen Beschränkung des Steuerobjekts auf inländische Betriebs­stätteneinkünfte nicht vollständig zur gewerbesteuerlichen Bemessungsgrund­lage. Da die Geschäfte der Klägerin von der niederländischen Konzernzentrale aus geleitet worden sind, hat sich dort eine Betriebsstätte im Sinne von § 12 Satz 2 Nr. 1 AO (Stätte der Geschäftsleitung) befunden, von der aus auch die Bauprojektierung und die Beauftragung der Subunternehmer für die Bauvor­haben der Klägerin vorgenommen worden sind. Der dieser ausländischen Be­triebsstätte zuzuordnende Teil des Gewerbeertrags unterfällt nicht der Gewer­besteuer.

aaa) Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG wird ein Gewerbebetrieb im Inland be­trieben, "soweit" für ihn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird. Dies korrespondiert mit der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 GewStG, der zufolge die Summe des Gewinns und der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags zu kürzen ist, der auf eine nicht im Inland bele­gene Betriebsstätte entfällt. Einkünfte, die nur teilweise einer inländischen, zum anderen Teil aber einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind und die nicht bereits aufgrund abkommensrechtlicher Bestimmungen steuerfrei sind, fallen folglich nur in dem Umfang in die gewerbesteuerliche Bemessungs­grundlage, als sie der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind (strukturel­ler Inlandsbezug der Gewerbesteuer).

bbb) Da nach den vorinstanzlichen Feststellungen die Geschäftsleitung, die Bauprojektierung und die Beauftragung der Subunternehmer von der nieder­ländischen Konzernzentrale aus vorgenommen worden sind, ist im Streitfall der sich aus § 7 Satz 1 GewStG ergebende Gesamt-Gewerbeertrag der Kläge­rin auf die den inländischen Betriebsstätten und die der niederländischen Be­triebsstätte zuzuordnenden Anteile aufzuteilen und nach § 9 Nr. 3 GewStG um den der niederländischen Betriebsstätte zuzuordnenden Teil zu kürzen.

ccc) Der auf § 9 Nr. 3 GewStG beruhenden Kürzung des Gewerbeertrags um den auf die niederländische Betriebsstätte entfallenden Teil steht nicht entge­gen, dass auf der Grundlage des Art. 4 DBA-Niederlande 1959/2004 Deutschland im Verhältnis zu den Niederlanden nicht daran gehindert wäre, den Gewinn aus der Veräußerung der Grundstücke vollständig der Gewerbe­steuer zu unterwerfen.

Mit den DBA modifizieren die Vertragsstaaten die in ihrer jeweiligen Souverä­nität begründete und in ihrem jeweiligen innerstaatlichen Recht ausgestaltete Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte; es bleibt aber stets bei der ‑‑gegebenenfalls bestätigten oder modifizierten‑‑ Anwendung des jeweiligen innerstaatlichen Rechts (Lehner in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., Grundlagen Rz 64). Die DBA zielen grundsätzlich nicht darauf ab, den Steueranspruch ei­nes Anwenderstaats zu begründen oder zu erweitern, sondern ihn zu be­schränken (vgl. BFH-Urteil vom 08.03.1995 ‑ II R 10/92, BFHE 177, 132; Lehner in Vogel/Lehner, DBA, 7. Aufl., Grundlagen Rz 65; Schwenke in Wassermeyer MA Art. 1 Rz 9). Daher kann Art. 4 Abs. 1 DBA-Niederlande 1959/2004 nicht die Wirkung zukommen, den auf dem innerstaatlichen Recht beruhenden strukturellen Inlandsbezug der Gewerbesteuer aufzuheben und die Gewerbesteuerpflicht auf den Teil des Gewerbeertrags auszudehnen, der einer niederländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist (vgl. Brandis/Heuermann/Gosch, § 9 GewStG Rz 212; Roser in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 9 Nr. 3 Rz 3; Schnitter in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 9 GewStG Rz 158a; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 11. Aufl., § 9 Nr. 3 Rz 1a).

ddd) Entgegen der Auffassung des FA rechtfertigt auch der Umstand, dass sich die deutschen und die niederländischen Steuerverwaltungen im Rahmen der koordinierten Außenprüfung auf die Besteuerung der Veräußerungsgewinne allein durch Deutschland verständigt haben, keine Abkehr von dem gesetzlich angeordneten strukturellen Inlandsbezug der Gewerbesteuer. Es ist keine rechtliche Grundlage dafür ersichtlich, dass den im Rahmen einer koordinier­ten Außenprüfung von den beteiligten Steuerverwaltungen getroffenen Fest­stellungen eine für den Steuerpflichtigen und die Gerichte verbindliche, gege­benenfalls gesetzesüberschreibende Wirkung zukommen könnte. Das Ziel ko­ordinierter Außenprüfungen besteht darin, während der Außenprüfung unter Beteiligung ausländischer Bediensteter zu einer einvernehmlichen Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts zu gelangen (Merkblatt des BMF über koordinierte steuerliche Außenprüfungen mit Steuerverwaltungen anderer Staaten und Gebiete vom 09.01.2017, BStBl I 2017, 89, Tz. 1.1). Im Rahmen der gerichtlichen Prüfung eines auf den Ergebnissen einer koordinierten Au­ßenprüfung basierenden Steuerbescheids kommt den Prüfungsfeststellungen keine rechtlich höherrangige Bedeutung zu als im Fall einer unilateralen Au­ßenprüfung durch eine deutsche Behörde.

2. Die vom FG vorgenommene Aufteilung und Zuordnung des Gewerbeertrags auf die deutschen und niederländischen Betriebsstätten hält der rechtlichen Prüfung nicht stand.

a) Das FG hat zur Aufteilung der Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf der eigenen bebauten Grundstücke ausgeführt, die für Zwecke der Zerlegung der Gewerbesteuer im Inlandsfall anzuwendende Methode sei im Streitfall nicht tauglich, weil die Zerlegung ausschließlich zwischen im Prinzip gleichartigen Baustellen erfolge; die Zurechnung zur Geschäfts- beziehungsweise Projektlei­tung lasse sich nicht gleichermaßen schematisieren. Auch § 1 Abs. 5 des Au­ßensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung enthalte insge­samt keinen geeigneten Maßstab. Abzustellen sei wegen des Objektsteuercha­rakters der Gewerbesteuer auf die "Objekte der Wertschöpfung", die sich überwiegend im Inland befunden hätten (Baustellen mit dort beschäftigten Arbeitnehmern, Bauüberwachung, Wertsteigerung des Grund und Bodens), während der am Ort der Geschäftsleitung in den Niederlanden zu leistende planerische Aufwand eher gering einzuschätzen sei, zumal es sich um weitge­hend standardisierte Bauten gehandelt habe. Mangels konkreter Anhaltspunkte werde der auf die niederländische Betriebsstätte entfallende Gewinn auf ein Drittel geschätzt.

b) Die von der Klägerin ‑‑und ursprünglich auch vom FA‑‑ gegen die Schät­zung des FG erhobenen Einwände sind begründet. Die Vorinstanz hat sich nicht hinreichend mit den zugrunde zu legenden rechtlichen Gewinnauftei­lungs- und ‑zuordnungskriterien befasst. Zudem ist das FG seiner der Schät­zungsbefugnis vorgehenden Sachaufklärungspflicht nicht in hinreichendem Ma­ße nachgekommen.

aa) In Bezug auf den Gewinn aus den Bauausführungen auf fremden Grund­stücken hat das FG keine eigenen Erwägungen getroffen, sondern hat die vom FA auf der Grundlage des Joint Audit angesetzte Aufteilung von 80 % (Niederlande) zu 20 % (Deutschland) im Ergebnis zugunsten der Klägerin da­hin korrigiert, dass auch der diesbezüglich in den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegte Gewerbeertrag um ein Drittel gemindert wird. Auf welcher rechtlichen Basis und auf welchen Abgrenzungskriterien diese Aufteilung be­ruht, kann anhand der Ausführungen im angefochtenen Urteil nicht nachvoll­zogen werden. Mit den für die Gewinnabgrenzung in Art. 5 Abs. 2 DBA-Niederlande 1959/2004 und Nr. 6 und 7 des Schlussprotokolls zum Abkommen niedergelegten Grundsätzen der Betriebsstätten-Gewinnabgrenzung befasst sich das Urteil nicht. Zudem fehlt es an der vorrangigen Prüfung, ob es sich bei den beiden Gesellschafterinnen der Klägerin aus abkommensrechtlicher Sicht um Unternehmen des Vertragsstaats Deutschland oder des Vertrags­staats Niederlande handelt, was vom jeweiligen Ort der Leitung abhängt (s. dazu oben).

bb) Die vom FG im Wege der Schätzung vorgenommene Aufteilung und Zu­ordnung des Gewinns aus der Veräußerung der Grundstücke auf die deutschen und niederländischen Betriebsstätten von zwei Dritteln (Deutschland) zu ei­nem Drittel (Niederlande) leidet ebenfalls an rechtlichen Mängeln.

aaa) Eine Schätzung von Besteuerungsgrundlagen durch das FG nach § 162 AO kann als Tatsachenfeststellung im Revisionsverfahren nur eingeschränkt nach Maßgabe der revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstäbe (§ 118 Abs. 2 FGO) überprüft werden (z.B. BFH-Urteil vom 24.01.2013 ‑ V R 34/11, BFHE 239, 552, BStBl II 2013, 460). Zum Prüfungsumfang gehört unter anderem, ob das FG die Auswahl der Schätzungsmethoden nachvollziehbar dargelegt (BFH-Ur­teile vom 07.05.2020 ‑ V R 1/18, BFHE 270, 146; vom 17.06.2020 ‑ X R 26/18, BFH/NV 2021, 314) und ob es alle möglichen Anhaltspunkte zur Erzielung eines möglichst realitätsnahen Schätzungsergebnisses ausgewertet hat (vgl. BFH-Urteil vom 16.12.2021 ‑ IV R 1/18, BFH/NV 2022, 305). Beides ist hier nicht der Fall.

bbb) Im Hinblick auf den Anlass und die Voraussetzungen der Schätzung hat sich die Vorinstanz nicht hinreichend mit den verschiedenen denkbaren Me­thoden zur Betriebsstätten-Gewinnabgrenzung befasst. Im Ausgangspunkt zu­treffend ist das FG zwar davon ausgegangen, dass auf die nicht im Inland be­legene Betriebsstätte der Teil des Gewerbeertrags entfällt, der im Rahmen des Gesamtunternehmens durch die in der Betriebsstätte ausgeübte oder ihr zuzu­rechnende unternehmerische Betätigung erzielt worden ist (Senatsurteil vom 21.04.1971 ‑ I R 200/67, BFHE 102, 524, BStBl II 1971, 743) und dass das Gewerbesteuergesetz keine ausdrücklichen Regelungen darüber enthält, nach welchen Kriterien die Abgrenzung zwischen den auf die inländischen Betriebs­stätten und den nach § 9 Nr. 3 GewStG von der Bemessungsgrundlage auszu­nehmenden, auf die ausländischen Betriebsstätten entfallenden Teilen des Ge­samtgewerbeertrags konkret vorzunehmen ist. Mit rechtlich unzutreffenden Begründungen hat das FG sodann jedoch zum einen sowohl eine Gewinnab­grenzung nach der sogenannten direkten Methode als auch eine Schätzung auf der Grundlage der für die innerstaatliche Gewinnabgrenzung heranzuziehen­den Zerlegungsregeln als von vornherein untauglich angesehen.

Nach der BFH-Rechtsprechung soll die Aufteilung grundsätzlich nach der direk­ten Methode unter der Annahme geschehen, dass die ausländische Betriebs­stätte eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Be­dingungen entfaltet (BFH-Urteil vom 28.03.1985 ‑ IV R 80/82, BFHE 143, 284, BStBl II 1985, 405). In Fällen, in denen sich die direkte Methode als nicht ge­eignet erweist, ist zunächst eine Abgrenzung entsprechend den für die Auftei­lung der Gewerbesteuer auf mehrere inländische Gemeinden geltenden, an den Summen der an die jeweiligen Arbeitnehmer geleisteten Arbeitslöhne ori­entierten Zerlegungsregeln (§§ 28 ff. GewStG) zu erwägen (vgl. Senatsurteil vom 21.04.1971 ‑ I R 200/67, BFHE 102, 524, BStBl II 1971, 743; BFH-Urteil vom 28.03.1985 ‑ IV R 80/82, BFHE 143, 284, BStBl II 1985, 405; H 9.4 Gewerbesteuer-Hinweise 2016; Brandis/Heuermann/Gosch, § 9 GewStG Rz 222a; Roser in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 9 Nr. 3 Rz 15 f.; Schnitter in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 9 GewStG Rz 165; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 11. Aufl., § 9 Rz 4c; Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, 2. Aufl., § 9 Nr. 3 Rz 27). Das FG hat eine entsprechende Anwendung der Zerlegungsregeln als für den vorliegenden Fall untauglich angesehen, weil der Zerlegungsmaßstab aus­schließlich zwischen im Prinzip gleichartigen Baustellen unterscheide und die Zurechnung zur Geschäfts- und Projektleitung sich nicht gleichermaßen sche­matisieren lasse.

Mit dieser Begründung würdigt das FG nicht ausreichend, dass die Zerlegungs­regeln in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich keineswegs gleichartige Betätigungsstrukturen der Betriebsstätten voraussetzen, sondern dem Um­stand Rechnung zu tragen haben, dass Gewerbebetriebe über Geschäftslei­tungsbetriebsstätten verfügen (vgl. etwa die Regeln zum fiktiven Unterneh­merlohn nach § 31 Abs. 5 GewStG). Warum die vom Gesetzgeber für Inlands­fälle vorgesehenen Regeln für grenzüberschreitende Fälle grundsätzlich nicht tauglich sein sollen, ist nicht ersichtlich (zutreffend Weiss, IWB 2020, 887, 893).

ccc) Aber auch auf der Grundlage des vom FG seiner Schätzung zugrunde ge­legten Maßstabs der Gewinnabgrenzung nach den Wertschöpfungsbeiträgen der jeweiligen Betriebsstätten kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Das FG hat nicht alle zumutbaren Aufklärungsmöglichkeiten ausge­schöpft, um ein möglichst realitätsnahes Schätzungsergebnis zu erreichen.

Das FG hat einzelne Wertschöpfungsbeiträge aufgeführt (für die deutschen Betriebsstätten die Arbeitsleistung der Subunternehmer, die örtliche Bauüber­wachung und den Wertzuwachs der Grundstücke; für die niederländische Be­triebsstätte die Geschäftsleitung und Projektierung unter Berücksichtigung von Akquisitions‑, Vertriebs- und Finanzierungskosten, die aber teilweise auch im Inland entstanden seien ‑ s. insoweit allgemein auch Bromme/Poerschke, IStR 2023, 565 ff.) und hat sodann ‑‑mehr gegriffen als geschätzt‑‑ den Geschäfts­leitungs- und Projektierungsanteil, die Wertsteigerung und die Bauausführung "mangels konkreter weiterer Anhaltspunkte" schlicht mit jeweils einem Drittel angesetzt.

Die Klägerin rügt zu Recht, dass eine derart grobe und überschlägige Vorge­hensweise, die einzelne ausgewählte Wertschöpfungsbeiträge herausstellt und diese ohne Vornahme einer Funktions- und Risikoanalyse bewertet, als Schät­zung ungeeignet ist. Ob darüber hinaus auch die von der Klägerin insoweit geltend gemachten Verfahrensmängel vorliegen (Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, "Überraschungsentscheidung"), bedarf keiner Entscheidung, weil das Urteil aus den aufgezeigten materiell-rechtlichen Gründen ohnehin keinen Bestand haben kann.

3. Das FG-Urteil beruht zum Teil auf einer abweichenden Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, damit dieses im zweiten Rechtsgang die erforderlichen Feststellungen zur Aufteilung des Gewerbeertrags zwischen den inländischen Betriebsstätten und der niederlän­dischen Betriebsstätte treffen kann.

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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