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BFH: Keine Steuerbegünstigung nach §§ 51 ff. der Abgabenordnung (AO) für extremistische Körperschaften

Ob eine "Förderung der Allgemeinheit" gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AO zu ver­neinen ist, da eine Körperschaft Bestrebungen verfolgt, die sich gegen die frei­heitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland richten, ist ebenso wie bei § 51 Abs. 3 Satz 1 und 2 AO eigenständig und ohne eine die Leistungen der Körperschaft für das Gemeinwohl einbeziehende Abwägung zu entscheiden. Es ist daher keine Gesamtwürdigung mit der Folge einer Anerkennung (auch) extremistischer Körperschaften als gemeinnützig vorzunehmen (Bestätigung des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 14.03.2018 ‑ V R 36/16, BFHE 260, 420, BStBl II 2018, 422 = SIS 18 05 12).

AO § 51 Abs. 3 Satz 1 und 2, § 52 Abs. 1 Satz 1

BFH-Urteil vom 5.9.2024, V R 15/22 (veröffentlicht am 28.11.2024)

Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 3.5.2022, 8 K 8117/16

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein eingetragener Verein, verfolgte nach seiner in den Jahren 2007 bis 2013 (Streitjahre) geltenden Satzung in § 52 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) genannte gemeinnützige Zwecke. Er vertrieb ‑‑nach seinen Angaben bis 2009‑‑ Werke zu einer monotheistischen Religion und unterhielt hierfür bis Juni 2008 einen Laden … Des Weiteren führte der Kläger in allen Streitjahren Veranstaltungen durch, bei denen er auch Publikationen zu dieser Religion anbot und zu denen er unter anderem Personen als Referenten oder Übersetzer einlud, die in ver­schiedenen Beziehungen zu dem X‑Verein und dessen Untergliederungen standen, der in den Streitjahren in Verfassungsschutzberichten in dem Ab­schnitt zur fundamentalistischen Auslegung dieser Religion aufgeführt war.

Der Kläger selbst wurde ab 2007 in Verfassungsschutzberichten einiger Länder ‑‑in 2007 und 2008 im Zusammenhang mit einer Nähebeziehung zum X‑Verein‑‑ und ab 2009 weiter zusätzlich im Verfassungsschutzbericht des Bundes erwähnt. Die Verfassungsschutzberichte des Bundes nannten den Klä­ger im jeweiligen Registeranhang, der ‑‑nach der hierzu in den Verfassungs­schutzberichten enthaltenen Erläuterung‑‑ die im Bericht genannten Gruppie­rungen aufführte, bei denen die vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte in ihrer Gesamtschau zu der Bewertung geführt hätten, dass die Gruppierung verfassungsfeindliche Ziele verfolge, es sich mithin um eine extremistische Gruppierung handele. Gegen bestimmte Aussagen im Verfassungsschutzbe­richt des Bundes für 2009 reichte der Kläger vor dem zuständigen Verwal­tungsgericht (VG) Klage ein, die im Hinblick auf einzelne Behauptungen teilweise erfolgreich war. Soweit das VG die Klage in Bezug auf andere Be­hauptungen abwies, waren nach seinem Urteil die tatsächlichen Umstände wahrheitsgetreu wiedergegeben und entsprach die Darstellung im Verfas­sungsschutzbericht einer wahrheitsgemäßen und zulässigen Würdigung der Ansichten des Klägers sowie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) sah wegen der Erwäh­nung des Klägers in den Verfassungsschutzberichten die Voraussetzungen der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit als nicht erfüllt an und erließ dementspre­chend Körperschaftsteuer- und Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre. Im Rahmen der Umsatzsteuer erfasste das FA die Umsätze aus Teilnahmegebüh­ren für Veranstaltungen des Klägers, die bisher als steuerfrei behandelt wor­den waren, als nach dem Regelsteuersatz zu besteuernde Umsätze und schätzte hierfür zugunsten des Klägers Vorsteuerbeträge.

Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen nach einem erfolglosen außerge­richtlichen Rechtsbehelfsverfahren erhobenen Klage, die sich zuletzt gegen die Körperschaftsteuerbescheide für alle Streitjahre und gegen die Umsatzsteuer­bescheide für die Streitjahre 2007 bis 2011 richtete, statt.

Für die Streitjahre 2007 und 2008 sei § 51 Abs. 3 AO i.d.F. des Jahressteuer­gesetzes (JStG) 2009 vom 19.12.2008 (BGBl I 2008, 2794) im Hinblick auf die Anwendungsregelung des Art. 97 § 1d Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Ab­gabenordnung (EGAO) i.d.F. des JStG 2009 nicht zu berücksichtigen, da eine Anwendung der Vorschrift für diese Jahre zu einer unzulässigen echten Rück­wirkung im Sinne einer Rückbeziehung von Rechtsfolgen führe. Die Gewäh­rung der Steuervergünstigungen setze demnach voraus, dass die tatsächliche Geschäftsführung des Klägers auf die ausschließliche und unmittelbare Erfül­lung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sei. Dies habe der Kläger durch seine Tätigkeitsberichte im Besteuerungsverfahren und durch seinen Vortrag im Klageverfahren zur Überzeugung des FG dargelegt. Das FA, dem die Darle­gungs- und Beweislast obliege, habe keine Zweifel des Gerichts daran begrün­den können, dass die tatsächliche Geschäftsführung des Klägers in den Streit­jahren 2007 und 2008 auf die Förderung der Allgemeinheit gerichtet gewesen sei. Bestrebungen des Klägers, die sich gegen verfassungsrechtliche Grund­entscheidungen richteten, seien nicht hinreichend dargelegt worden.

Im Streitjahr 2007 habe der Kläger nach den Ausführungen in seinem Tätig­keitsbericht verschiedene Veranstaltungen organisiert oder an solchen teilge­nommen, die beispielsweise das Thema Integration und die Vereinbarkeit von Religion und Alltag zum Gegenstand gehabt hätten. Die Aussagen des Tätig­keitsberichts habe das FA nicht in Zweifel gezogen. Auch den Verfassungs­schutzberichten seien keine Umstände zu entnehmen, die an dem dargestell­ten Engagement Zweifel begründeten. Mangels substantiierter Einwendungen des FA zu der Darstellung der Veranstaltungen im Tätigkeitsbericht und auf­grund der Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung sei das FG davon überzeugt, dass die tatsächliche Geschäftsführung des Klägers im Streitjahr 2007 nicht im Widerspruch zu den Wertentscheidungen des Grund­gesetzes (GG) stehe. Die in den Verfassungsschutzberichten vorgeworfenen Umstände und die schriftsätzlich vorgetragenen Verhaltensweisen des Klägers hätten das FG ebenfalls nicht davon überzeugt, dass der Kläger im Wider­spruch zu seinem sonstigen Engagement in gemeinnützigkeitsrechtlich schäd­licher Weise tätig geworden sei. Die vom FA vorgebrachten Umstände seien entweder nicht Ausdruck einer verfassungsfeindlichen Gesinnung oder in Tei­len nicht zurechenbar. Dies betreffe die Einladung von Referenten und die Be­hauptung des FA, ein ehemaliges Vorstandsmitglied des Klägers und eine Per­son, die ‑‑nach Auffassung des FA‑‑ beide dem X‑Verein oder der Y‑Organisa­tion zuzurechnen seien, die wiederum verfassungsfeindliches Gedankengut verträten, hätten an einem internen Beratungsgremium des Klägers teilge­nommen. Dies beziehe sich weiter auf die Äußerungen einer Person, die ‑‑nach Auffassung des FA‑‑ in einer Verbindung zum Kläger stehe und ebenfalls dem X‑Verein oder der Y‑Organisation zuzurechnen sei, auf die organschaftliche Stellung eines während der Streitjahre ausgeschiedenen Vorstandsmitglieds des Klägers, das aufgrund seiner inneren Einstellung nicht in ein Beamtenver­hältnis übernommen worden sei, auf die Verwendung eines 2007 sicherge­stellten Handbuches für ‑‑nach Auffassung des FA‑‑ Untergliederungen des Klägers, das führende Ideologen der Y‑Organisation zitiere und das der Kläger mittlerweile eingezogen habe, sowie auf die Tätigkeit des Klägers in Bezug auf Bücher, deren Autoren ‑‑nach Auffassung des FA‑‑ der Y‑Organisation zuzu­rechnen seien. Dem Kläger seien Verhaltensweisen verschiedener Personen nicht zurechenbar, weil ihm insoweit nur Verhaltensweisen seiner Organe oder anderer Personen zurechenbar seien, wenn der Sachverhalt infolge grober Vernachlässigung von Überwachungspflichten verborgen geblieben sei, woran es teilweise fehle. Im Einzelnen habe beispielsweise das interne Beratungs­gremium keine organschaftliche Stellung und begründe die Einladung von Referenten, die dem X‑Verein nahestünden, keine Zweifel an der Verfassungs­treue des Klägers. Die Einladung von Referenten zu Veranstaltungen des Klä­gers habe allein der kritischen Auseinandersetzung mit der Religion gedient, da zu berücksichtigen sei, dass der Kläger sich durch seinen Vortrag im Ver­fahren als auch durch die Kooperationen, die in seinen Tätigkeitsberichten dargestellt seien und die er nachgewiesen habe, wiederholt von radikalen Auffassungen distanziert habe. Das FA habe zudem nicht dargelegt, dass durch die Referenten konkrete Aufrufe im Widerspruch zur grundgesetzlichen Werteordnung erfolgt seien und dass der Kläger solche Aufrufe geduldet oder ausdrücklich gebilligt hätte. Soweit einzelne Verhaltensweisen dem Kläger zurechenbar seien, sei dem insbesondere unter Berücksichtigung von Art. 4 Abs. 1 GG kein derartiges Gewicht beizumessen, dass eine andere Überzeu­gung des FG als die von der Vereinbarkeit der tatsächlichen Geschäftsführung mit der Werteordnung der Verfassung gewonnen werden könne, da es dem Kläger um die Auseinandersetzung mit der monotheistischen Religion insge­samt gegangen sei. So sei beispielsweise auch die Sphäre des Klägers und seiner Vorstandsmitglieder zu trennen und habe das FA nicht dargelegt, wie und ob sich die verfassungsfeindliche Einstellung eines Vorstandsmitglieds in den von dem Kläger dargelegten und nach Überzeugung des FG mit der Ver­fassung zu vereinbarenden Veranstaltungen und Kooperationen niederge­schlagen habe.

Im Streitjahr 2008 habe der Kläger laut seinem Tätigkeitsbericht verschiedene Veranstaltungen und Dialogprojekte organisiert, die den interreligiösen Aus­tausch und die Auseinandersetzung mit der monotheistischen Religion zum Gegenstand gehabt hätten. Diesen Ausführungen des Tätigkeitsberichts sei das FA nicht substantiiert entgegengetreten. Auch für dieses Streitjahr genüg­ten die vom FA dargelegten Umstände zum Nachweis einer organisatorischen, personellen und ideologischen Nähe zum X‑Verein nach dem Gesamteindruck nicht, um das FG davon zu überzeugen, dass die tatsächliche Geschäftsfüh­rung des Klägers im Widerspruch zur grundgesetzlichen Werteordnung ge­standen habe. Die Einladung von Referenten begründe mangels konkreter Darlegung der Inhalte nicht den Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit. Soweit der Kläger Räumlichkeiten des X‑Vereins angefragt habe, habe der Kläger auf die Unabhängigkeit seiner Veranstaltungen durch die vermietenden Einrich­tungen geachtet. Die Nutzung von Räumlichkeiten des X‑Vereins durch eine Organisation sei unerheblich, da der Kläger dargelegt habe, dass diese Organi­sation ‑‑entgegen der Auffassung des FA‑‑ dem Kläger nicht zuzurechnen sei. Soweit ein Vorstandsmitglied des Klägers an einer Delegiertenversammlung des X‑Vereins teilgenommen habe, sei das FG nach den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung und nach der Darstellung im Tätig­keitsbericht davon überzeugt, dass die Teilnahme nicht durch den Kläger ge­billigt oder geduldet worden sei. Das Vorstandsmitglied habe sich außerhalb seiner Kompetenzen bewegt.

Für die Streitjahre 2009 bis 2013 ging das FG davon aus, der Kläger habe die Vermutung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO widerlegt, da extremistische Organisati­onen im Sinne der Verfassungsschutzberichte hierfür nur "positiv darlegen [müssten], dass sie sich verfassungskonform verhalten". Hingegen werde nicht gefordert, dass in den Verfassungsschutzberichten benannte extremisti­sche Organisation den Verfassungsschutzbericht in der Weise widerlegen müssten, dass sie den "Gegenbeweis" zu konkreten Umständen führten. Viel­mehr könnten Körperschaften, die sich auf die Glaubensfreiheit berufen kön­nen, die Vermutung widerlegen, indem sie darlegten und bewiesen, ihre tat­sächliche Geschäftsführung sei Ausdruck ihrer grundrechtlich gewährleisteten Glaubensfreiheit. Sie müssten das Gericht insgesamt davon überzeugen, dass ihr Verhalten im Einklang mit der grundgesetzlichen Werteordnung stehe. Dies gelte auch dann, wenn die Körperschaft nicht alle vom Verfassungsschutz an­gesprochenen Umstände angreife. Dabei seien die Gerichte im Fall von Glau­bensgemeinschaften nur verpflichtet, dem Verfassungsschutzbericht als Ge­samtheit eine Indizwirkung beizumessen. Der volle Beweis des Gegenteils beziehe sich allein auf die Annahme der Verfassungsschutzbehörden, die Kör­perschaft fördere verfassungsfeindliche Bestrebungen. Es müsse aber nicht der "Gegenbeweis" geführt werden, dass die Körperschaft auf der Grundlage der von den Verfassungsschutzbehörden vorgetragenen Umstände nicht ver­fassungswidrig gehandelt habe.

Für die Streitjahre 2009 bis 2013 führte das FG sodann jeweils zunächst aus, es sei aufgrund der Tätigkeitsberichte des Klägers davon überzeugt, dass die­ser seine Tätigkeit ‑‑wie in den Vorjahren‑‑ im Geiste der freiheitlichen demo­kratischen Grundordnung fortgeführt habe. Nachfolgend befasste sich das FG mit den jeweils vom FA vorgebrachten einzelnen Umständen, wie beispielswei­se die Einladung von Personen mit Bezug zum X‑Verein zu Veranstaltungen des Klägers oder die regelmäßige Nutzung von Räumlichkeiten des X‑Vereins durch eine Gruppierung, die nach Auffassung des FA eine Untergliederung des Klägers sei. Die vom FA vorgetragenen Umstände seien unter Berücksichti­gung der für die Streitjahre 2007 und 2008 dargestellten Zurechnungsgrund­sätze und der durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützten Glaubensfreiheit entkräftet oder unsubstantiiert. Sie genügten nach Auffassung des FG für das Jahr 2009 nicht, "um die vom Kläger dargelegten Umstände zur Vereinbarkeit seiner tat­sächlichen Geschäftsführung mit der freiheitlich-demokratischen Grundord­nung anzugreifen und die Überzeugung des [FG] von der Verfassungskonfor­mität der tatsächlichen Geschäftsführung zu entkräften", ließen für das Jahr 2010 das FG nicht "an der Vereinbarkeit der tatsächlichen Geschäftsführung mit der freiheitlichen-demokratischen Grundordnung zweifeln", verkehrten für das Jahr 2011 "die Überzeugung des Gerichts von der Vereinbarkeit der tat­sächlichen Geschäftsführung mit der freiheitlich-demokratischen Grundord­nung nicht ins Gegenteil", verringerten für das Jahr 2012 nicht "die Überzeu­gung des Gerichts, den Extremismusvorwurf gegenüber dem Kläger abzu­lehnen" und erschütterten für das Jahr 2013 nicht "die Überzeugung des [FG] von der Vereinbarkeit des Verhaltens [des Klägers] mit der grundgesetzlichen Wertordnung".

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Für die Streitjahre 2007 und 2008 sei § 51 Abs. 3 AO anzuwenden, da die Vorschrift weder eine neue noch für die Normadressaten unvorhersehbare Rechtsfolge geschaffen noch die Tatbestandsvoraussetzungen der Versagung der Gemein­nützigkeit verändert habe. Sie enthalte die normative Wertung, dass die Fi­nanzgerichte nicht selbst die Erfüllung des Tatbestandes des § 4 des Bundes­verfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) zu prüfen hätten, sondern nur, ob die Körperschaft die Vermutung widerlegen könne. In den Jahren 2007 und 2008 sei der Tatbestand des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO im Hinblick auf den Kläger er­füllt, da es genüge, dass er in einem eigenen Kapitel erwähnt werde, in dem es überwiegend um die Inhalte seiner verfassungsfeindlich ideologischen Aus­richtungen sowie deren Verschleierung gehe. Selbst wenn § 51 Abs. 3 Satz 2 AO für die Streitjahre 2007 und 2008 nicht anzuwenden sei, habe das FG zu Unrecht im Ergebnis eine Abwägung zwischen gemeinnützigen und gemein­nützigkeitsschädlichen Aktivitäten vorgenommen und damit seine Überzeu­gung in rechtsfehlerhafter Weise gewonnen. Es habe nicht untersucht, welche Förderung verfassungsfeindlicher Bestrebungen dem Kläger vorgeworfen wer­de, sondern habe nur allgemein die Tätigkeit des Klägers geprüft, diese als verfassungsmäßig angesehen und sodann die dem Kläger vorgeworfenen Um­stände nicht ausreichen lassen, seine vorher gewonnene Überzeugung zu er­schüttern. Weiter seien das Handeln bestimmter Gruppierungen und das dort verwendete Handbuch dem Kläger zuzurechnen, da diese Gruppierungen Un­tergliederungen des Klägers seien, so dass den Kläger Überwachungspflichten träfen, die er verletzt habe. Für die Streitjahre 2009 bis 2013 greife ‑‑wie vom FG zugrunde gelegt‑‑ die Vermutung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO. Auch für die­se Jahre habe das FG seine Überzeugung aber in rechtsfehlerhafter Weise ge­wonnen, da es ‑‑wie für die Vorjahre‑‑ unzulässig zwischen gemeinnützigen und gemeinnützigkeitsschädlichen Aktivitäten des Klägers abgewogen habe. Die Feststellungen der Verfassungsschutzbehörden, die sich das FA zu eigen gemacht habe, seien ‑‑entgegen der Auffassung des FG‑‑ vom Kläger in vol­lem Umfang zu widerlegen. Überdies berühre die Versagung der Gemeinnüt­zigkeit schon nicht den Schutzbereich der Glaubensfreiheit, da sie lediglich die Finanzierung der Vereinstätigkeit erschwere, die Tätigkeit aber gleichwohl fortgeführt werden könne, und beeinträchtige die Pflicht, den vollen Beweis des Gegenteils zu erbringen, weder unmittelbar noch mittelbar den Bestand oder die Entwicklung der Glaubensgemeinschaft an sich. Weiter sei insbeson­dere die Schlussfolgerung des FG, der Kläger engagiere sich aufgrund der Aus­führungen in seinem Tätigkeitsbericht ohne Beanstandung, mit allgemeinen Erfahrungssätzen und Denkgesetzen kaum vereinbar. Das FG ignoriere hier das Konzept der legalistischen Verbreitung der fundamentalistischen Ausle­gung der Religion, wonach zwischen der Außendarstellung von extremistischen Vereinigungen und deren Handeln im Inneren zu unterscheiden sei und be­stimmte Tätigkeiten nur ausgeführt würden, um die wahren Absichten zu ver­schleiern. Wegen der Bezugnahme in § 51 Abs. 3 Satz 1 AO auf § 4 BVerfSchG sei dieses Konzept auch in die steuerrechtliche Würdigung der tatsachenbezo­genen Anhaltspunkte einzubeziehen.

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

§ 51 Abs. 3 AO sei nach Art. 97 § 1d Abs. 2 EGAO i.d.F. des JStG 2009 für die Streitjahre 2007 und 2008 nicht anzuwenden. § 51 Abs. 3 Satz 2 AO schaffe ab dem 01.01.2009 eine völlig neue Rechtslage. Treffe das FA mangels An­wendung des § 51 Abs. 3 AO für diese Streitjahre die Beweislast, beschränke sich das Vorbringen des FA indes im Ergebnis nur auf den Vorwurf, die Tatsa­chen belegten den Verdacht der Einflussnahme durch extremistisch agierende Personen. Eine versuchte Einflussnahme auf den Kläger stelle jedoch keine Förderung verfassungsfeindlicher Bestrebungen durch den Kläger dar, zumal die Verfassungsschutzberichte in den Jahren 2007 und 2008 den Kläger auch nicht als extremistische Organisation aufführten. Im Hinblick auf die Streitjah­re 2009 bis 2013 sei er, der Kläger, ebenfalls schon nicht im Sinne des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO in den Verfassungsschutzberichten des Bundes aufgeführt. Die Erwähnung im jeweiligen Registeranhang erfolge, weil "tatsächliche An­haltspunkte" dafür vorlägen, dass die Gruppierungen verfassungsfeindliche Ziele verfolgten. Dies bedeute aber lediglich, dass nur ein solcher Verdacht be­stehe, nicht aber, dass tatsächlich verfassungsfeindliche Bestrebungen geför­dert würden. Die Nennung im Registeranhang erfolge als bloße Verdachtsbe­richterstattung, wie auch in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren des Klägers gegen seine Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten des Bun­des späterer Jahre bestätigt worden und was auch für die Streitjahre zu be­rücksichtigen sei. Darüber hinaus sei § 51 Abs. 3 Satz 2 AO verfassungswidrig, da der Begriff "extremistisch" im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundes­verfassungsgerichts (BVerfG) gegen das Bestimmtheitsgebot verstoße. Im Übrigen seien die Ausführungen des FG zutreffend. Das FG habe auch berück­sichtigt, dass verfassungswidrige Aspekte auf der einen Seite und verfas­sungsgemäße Handlungen des Klägers auf der anderen Seite nicht gegen­einander abgewogen werden dürften. Es habe sich mit dem gesamten Vorbrin­gen des FA im Einzelnen und ebenso mit dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers zu seiner tatsächlichen Geschäftsführung, die sich ausschließlich auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bewege, befasst. Das FG habe in seiner tatsächlichen Würdigung keine Anhaltspunkte für extre­mistisches oder gar verfassungswidriges Verhalten des Klägers feststellen kön­nen. Was das FA vorgebracht habe, habe nach der Würdigung des FG noch nicht einmal einen Verdacht einer extremistischen Bestrebung gerechtfertigt. Der Kläger habe zur Überzeugung des FG den vollen Beweis für seine verfas­sungsmäßige Tätigkeit und die Widerlegung der Vermutung erbracht, was für die Revisionsinstanz bindend sei.

Das dem Verfahren nach § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beige­tretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hält ‑‑ohne einen eigenen Re­visionsantrag zu stellen‑‑ § 51 Abs. 3 Satz 2 AO auf alle Sachverhalte für an­wendbar, deren Verfahren bei Inkrafttreten der Neuregelung noch nicht rechtskräftig abgeschlossen gewesen seien. Das geltende Recht habe keine materielle Änderung erfahren, die an den Grundsätzen der echten Rückwir­kung zu messen wäre, da Körperschaften, die eine verfassungsfeindliche Tä­tigkeit entfalteten, bereits vor der Gesetzesänderung nicht als gemeinnützig hätten anerkannt werden können. Der Kläger sei in allen Streitjahren im Sinne des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO in Verfassungsschutzberichten aufgeführt worden und habe den erforderlichen vollen Beweis des Gegenteils der vermuteten Tat­sachen nicht erbracht. Entgegen der Auffassung des FG stelle die Glaubens­freiheit keine geringeren Anforderungen an den Beweis des Gegenteils, da die vom Grundgesetz gewährten Grundrechte mit in die Abwägung der Gewährung der Gemeinnützigkeit aufzunehmen seien, und sei mit der Glaubensfreiheit auch kein Anspruch auf Teilhabe an bestimmten steuerlichen Privilegien ver­bunden.

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat für alle Streitjahre zu Unrecht im Rahmen seiner Gesamtwürdigung eine Abwägung zwischen der Förderung satzungsmäßiger Zwecke des Klägers und der Förderung verfassungsfeindlicher Bestrebungen vorgenommen. Die Sache ist nicht spruchreif.

1. Der Senat kann entscheiden, obwohl das beigetretene BMF nicht zur münd­lichen Verhandlung erschienen ist. Denn es ist ausweislich der Akten ord­nungsgemäß geladen und dabei auch darauf hingewiesen worden, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 91 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).

2. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) sind von der Körperschaftsteuer Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögens­massen befreit, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonsti­gen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO). Die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft muss auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und den Bestimmungen entsprechen, die die Satzung über die Voraussetzungen für Steuervergünstigungen enthält (§ 63 Abs. 1 AO). Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materi­ellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.

Zudem sind nach § 4 Nr. 22 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steu­erfrei die Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die unter anderem von Einrichtungen, die gemeinnützi­gen Zwecken dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden.

3. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) wird der unbestimm­te Rechtsbegriff der "Förderung der Allgemeinheit" in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO wesentlich geprägt durch die objektive Werteordnung, wie sie insbesondere durch den Grundrechtskatalog der Art. 1 bis 19 GG zum Ausdruck kommt. Ei­ne Tätigkeit, die mit diesen Wertvorstellungen nicht vereinbar ist, ist keine Förderung der Allgemeinheit. Als Förderung der Allgemeinheit sind solche Be­strebungen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland richten, nicht anzuerkennen (BFH-Urteil vom 11.04.2012 ‑ I R 11/11, BFHE 237, 22, BStBl II 2013, 146, Rz 16). Hierzu ordnet § 51 Abs. 3 AO, der gemäß Art. 97 § 1d Abs. 2 EGAO i.d.F. des JStG 2009 ab dem 01.01.2009 anzuwenden ist, in Satz 1 nunmehr ausdrücklich an, dass die Steuervergünstigung zudem voraussetzt, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebun­gen im Sinne des § 4 BVerfSchG fördert, wozu nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gehören. Nach § 51 Abs. 3 Satz 2 AO ist zudem bei Körper­schaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 Satz 1 AO nicht erfüllt sind.

4. Ob eine "Förderung der Allgemeinheit" gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AO zu verneinen ist, da eine Körperschaft Bestrebungen verfolgt, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland richten, ist ebenso wie bei § 51 Abs. 3 Satz 1 und 2 AO eigenständig und ohne eine die Leistungen der Körperschaft für das Gemeinwohl einbeziehende Abwägung zu entscheiden. Es ist daher keine Gesamtwürdigung mit der Folge einer Anerkennung (auch) extremistischer Körperschaften als gemeinnützig vorzunehmen (vgl. BFH-Urteil vom 14.03.2018 ‑ V R 36/16, BFHE 260, 420, BStBl II 2018, 422, Rz 39 bis 43).

a) Dies hat das FG, das die gemeinwohlfördernden Tätigkeiten des Klägers in eine Gesamtschau einbezogen und den Umständen gegenüber gestellt hat, die für die Förderung verfassungsfeindlicher Bestrebungen sprechen, in Bezug auf alle Streitjahre verkannt. Es hat seine Überzeugung durch diese Vorgehens­weise in rechtsfehlerhafter Weise gewonnen.

aa) Für die Streitjahre 2007 und 2008 ergibt sich die vom FG im Rahmen der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers die Allgemeinheit förderte, vorgenom­mene, der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber entgegenstehende Abwä­gung daraus, dass das FG darauf abgestellt hat, dass der Kläger durch seine Tätigkeitsberichte im Besteuerungsverfahren und durch seinen Vortrag im Kla­geverfahren überzeugend dargelegt habe, dass seine tatsächliche Geschäfts­führung ausschließlich und unmittelbar auf die Erfüllung der steuerbegünstig­ten Zwecke gerichtet sei (FG-Urteil, S. 23, Entscheidungsgründe unter I.2.). Das FG hat nicht untersucht, was das FA dem Kläger als Förderung verfas­sungsfeindlicher Bestrebungen vorwarf, sondern hat zunächst nur die in den Tätigkeitsberichten dargestellten und ansonsten von dem Kläger geschilderten ‑‑verfassungskonformen‑‑ Tätigkeiten des Klägers geprüft, diese mangels sub­stantiierter Einwendungen des FA hiergegen als tatsächlich ausgeübt und ver­fassungsmäßig angesehen und sodann die dem Kläger im Einzelnen vorgewor­fenen Umstände nicht ausreichen lassen, seine vorher gewonnene Überzeu­gung zu erschüttern (FG-Urteil, S. 23, Entscheidungsgründe unter I.3.). Die vom FA vorgebrachten einzelnen Umstände, die für die Förderung verfas­sungsfeindlicher Bestrebungen sprechen können, hat das FG rechtsfehlerhaft erst geprüft, nachdem es sich von einer nicht verfassungsfeindlichen Tätigkeit des Klägers überzeugt hat, um dieser Überzeugung sodann in einem zweiten Schritt die dem Kläger vorgeworfenen Umstände gegenüberzustellen, wobei es in diesem zweiten Schritt wiederum auf die verfassungsgemäßen Aktivitäten des Klägers zurückgreift.

So stellt das FG für das Jahr 2007 zunächst fest, der Kläger habe nach den Ausführungen in seinem Tätigkeitsbericht verschiedene Veranstaltungen orga­nisiert oder an solchen teilgenommen, die beispielsweise das Thema Integrati­on und die Vereinbarkeit von Religion und Alltag zum Gegenstand gehabt hät­ten, woran weder seitens des FA noch aufgrund der Verfassungsschutzberichte Zweifel bestünden, und was zu seiner Überzeugung führe, die tatsächliche Ge­schäftsführung des Klägers im Streitjahr 2007 stehe nicht im Widerspruch zu den Wertentscheidungen des Grundgesetzes. Sodann ist das FG ausdrücklich im Hinblick auf die vorgeworfenen Umstände "nicht davon überzeugt, dass der Kläger [dadurch] im Widerspruch zu seinem sonstigen Engagement in gemein­nützigkeitsrechtlich schädlicher Weise tätig geworden ist" (FG-Urteil, S. 24, letzter Absatz, unter I.3.a der Entscheidungsgründe). Die vorgeworfenen Um­stände seien entweder nicht Ausdruck einer verfassungsfeindlichen Gesinnung oder in Teilen nicht zurechenbar. Zu dieser Auffassung gelangt das FG indes aufgrund einer Gesamtschau, für die es rechtsfehlerhaft auf die von ihm zuvor gewonnene Überzeugung zurückgreift und zudem erneut rechtsfehlerhaft die Tätigkeiten berücksichtigt, die in den Tätigkeitsberichten des Klägers darge­stellt sind. So bezieht das FG bei der Beurteilung der Einladung von Referenten zu Veranstaltungen des Klägers ein, dass sich der Kläger durch seinen Vortrag im Verfahren als auch durch die Kooperationen, die in seinen Tätigkeitsberich­ten dargestellt seien und die er nachgewiesen habe, wiederholt von radikalen Auffassungen distanziert habe. Ebenso rechtsfehlerhaft gewinnt das FG seine Überzeugung, indem es auf die seiner Auffassung nach zu trennende Sphäre des Klägers und seiner Vorstandsmitglieder abstellt und dann vom FA verlangt darzulegen, wie und ob sich die verfassungsfeindliche Einstellung eines Vor­standsmitglieds in den von dem Kläger dargelegten und nach der Überzeugung des FG mit der Verfassung zu vereinbarenden Veranstaltungen und Kooperati­onen niedergeschlagen habe.

Auch für 2008 bezieht sich das FG zunächst auf die Darstellungen des Klägers in seinem Tätigkeitsbericht, wie etwa die Organisation verschiedener Veran­staltungen und Dialogprojekte, denen das FA nicht substantiiert entgegenge­treten sei. Sodann genügten die vorgeworfenen Umstände ebenfalls nicht, um das FG "davon zu überzeugen, dass die tatsächliche Geschäftsführung des Klägers im Widerspruch zur grundgesetzlichen Werteordnung stand" (FG-Ur­teil, S. 30, erster Absatz, unter I.3.b der Entscheidungsgründe). Beispielsweise bezieht das FG bei seiner Überzeugungsbildung hinsichtlich der Teilnahme ei­nes Vorstandsmitglieds des Klägers an einer Delegiertenversammlung des X‑Vereins zu Unrecht im Wege einer Gesamtschau die Darstellungen im Tätig­keitsbericht des Klägers ein.

bb) Ebenso hat das FG für die Streitjahre 2009 bis 2013 im Rahmen des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO rechtsfehlerhaft zwischen gemeinwohlförderndem und ge­meinwohlschädlichem Verhalten abgewogen. Es hat für diese Streitjahre je­weils zunächst ausführlich die vom Kläger in seinen Tätigkeitsberichten darge­stellten Tätigkeiten gewürdigt und war danach überzeugt, dass der Kläger wie in den Vorjahren seine tatsächliche Geschäftsführung im Einklang mit der frei­heitlichen demokratischen Grundordnung fortgeführt habe. Ausgehend hiervon hält es zu Unrecht die Vermutung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO bereits dann für widerlegt, wenn die Körperschaft beweise, sie verhalte sich verfassungskon­form, ohne den vollen Beweis des Gegenteils zu konkreten Umständen, die für eine Förderung verfassungsfeindlicher Bestrebungen sprechen, führen zu müs­sen. Hierfür legt das FG rechtsfehlerhaft wiederum als Maßstab jeweils die in den Tätigkeitsberichten des Klägers angeführten Tätigkeiten zugrunde und prüft sodann, ob die einzelnen dem Kläger vorgeworfenen Umstände geeignet sind, seine zuvor erlangte Überzeugung von der Vereinbarkeit der tatsächli­chen Geschäftsführung des Klägers mit der Werteordnung des Grundgesetzes zu erschüttern.

cc) Demgegenüber hätte das FG die Anhaltspunkte, die für die Förderung ver­fassungsfeindlicher Bestrebungen sprechen, zunächst ‑‑unabhängig von der Verteilung der objektiven Feststellungslast‑‑ einzeln und in ihrer Gesamtschau (vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 31.05.2022 ‑ 1 BvR 564/19, Neue Juristi­sche Wochenschrift 2022, 3629, Rz 19; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.07.2010 ‑ 6 C 22.09, BVerwGE 137, 275, Rz 30) unter Berücksichti­gung der Ziele und Methoden einer Körperschaft sowie etwaiger organisatori­scher, personeller, strategischer und ideologischer Verbindungen zu anderen Gruppierungen, die verfassungsfeindliche Bestrebungen fördern, würdigen müssen. Hierfür ist es erforderlich, sich mit allen Umständen auseinanderzu­setzen, die für die Förderung verfassungsfeindlicher Bestrebungen sprechen, und im Rahmen seiner Würdigung Tätigkeiten außer Betracht zu lassen, die das Gemeinwohl fördern (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 11.04.2012 ‑ I R 11/11, BFHE 237, 22, BStBl II 2013, 146, Rz 25 und vom 14.03.2018 ‑ V R 36/16, BFHE 260, 420, BStBl II 2018, 422, Rz 36 bis 38). Daran fehlt es hier.

b) Zudem ist entgegen dem Urteil des FG auch im Rahmen der Glaubensfrei­heit des Art. 4 Abs. 1 GG der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grund­ordnung zu beachten.

Art. 4 Abs. 1 und 2 GG enthält ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht, das aber durch Grundrechte Dritter sowie durch Gemeinschafts­werte von Verfassungsrang eingeschränkt wird (BVerfG-Beschluss vom 14.01.2020 ‑ 2 BvR 1333/17, BVerfGE 153, 1, unter C.I.1. und C.I.2.). Daher hindert dieses Grundrecht und der damit verbundene Grundsatz religiös-weltanschaulicher Neutralität des Staates (vgl. BVerfG-Beschluss vom 16.05.1995 ‑ 1 BvR 1087/91, BVerfGE 93, 1, unter C.II.1.) den in dieser Weise religiös-weltanschaulich neutralen Staat nicht daran, das tatsächliche Verhalten einer Religionsgemeinschaft oder ihrer Mitglieder nach weltlichen Kriterien zu beurteilen, auch wenn dieses Verhalten letztlich religiös motiviert ist (BVerfG-Urteil vom 19.12.2000 ‑ 2 BvR 1500/97, BVerfGE 102, 370, unter C.V.2.a; BVerfG-Beschluss vom 26.06.2002 ‑ 1 BvR 670/91, BVerfGE 105, 279, unter B.I.2.).

Damit nicht vereinbar ist die Annahme des FG, bei Körperschaften, die sich auf die Glaubensfreiheit berufen könnten, sei der Staat bereits gehindert, Schrif­ten oder Erklärungen nach weltlichen Maßstäben zu beurteilen, so dass er ge­halten sei, Texte in einer Weise zu beurteilen, die der Glaubensfreiheit die wei­teste Auslegung erlaube (z.B. FG-Urteil, S. 28, letzter Absatz, unter I.3.a der Entscheidungsgründe), und es demnach genüge vorzubringen, die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft sei Ausdruck ihrer grundrechtlich gewähr­leisteten Glaubensfreiheit, um trotz bestehender Anhaltspunkte für die Förde­rung verfassungsfeindlicher Bestrebungen eine Förderung der Allgemeinheit anzunehmen oder die Vermutung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO zu widerlegen.

5. Die Sache ist nicht spruchreif und daher an das FG zurückzuverweisen. Der Senat kann im Revisionsverfahren die erforderliche tatsächliche Würdigung, ob die einzelnen Umstände (zum Maßstab s. oben II.4.a cc) tatsächlich keine För­derung verfassungsfeindlicher Bestrebungen durch den Kläger bedeuten, nicht nachholen. Für den zweiten Rechtsgang weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Für die Streitjahre 2007 und 2008 ist § 51 Abs. 3 Satz 2 AO nicht anzuwen­den, wie sich aus dem Wortlaut des Art. 97 § 1d Abs. 2 EGAO i.d.F. des JStG 2009 ergibt, der eine Anwendung dieser Vorschrift ab dem 01.01.2009 anord­net, ohne dabei ‑‑wie es z.B. in Art. 97 § 1d Abs. 3 EGAO i.d.F. des JStG 2010 (BGBl I 2010, 1768) geregelt ist‑‑ zusätzlich zu bestimmen, dass die Vorschrift auch für vor diesem Zeitraum beginnende Veranlagungszeiträume anzuwen­den ist, soweit Steuerfestsetzungen noch nicht bestandskräftig sind oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen. Zudem kommt es im Hinblick auf die mit § 51 Abs. 3 Satz 2 AO neu eingeführte gesetzliche Vermutungsregelung nicht in Betracht, der Vorschrift eine lediglich deklaratorische Bedeutung bei­zumessen. Sollte aus der früheren Verwaltungsauffassung (Nr. 10 Satz 1 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung i.d.F. des BMF-Schreibens vom 17.01.2012, BStBl I 2012, 83 zu § 51: "Die Regelung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO gilt in allen offenen Fällen."; aufgehoben durch das BMF-Schreiben vom 31.01.2019, BStBl I 2019, 71) eine Rückwirkung der Vorschrift auf Zeiträume vor ihrem Inkrafttreten abzuleiten sein (offengelassen im BFH-Urteil vom 11.04.2012 ‑ I R 11/11, BFHE 237, 22, BStBl II 2013, 146, Rz 19), schließt sich der Senat dem nicht an.

Gleichwohl können die Verfassungsschutzberichte der jeweiligen Jahre für die Beurteilung der Aktivitäten des Klägers im jeweiligen Streitjahr ausgewertet und zum Anlass für weitere Ermittlungen genommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 11.04.2012 ‑ I R 11/11, BFHE 237, 22, BStBl II 2013, 146, Rz 18 und 22).

b) Der für die Streitjahre 2009 bis 2013 zeitlich anwendbare § 51 Abs. 3 Satz 2 AO setzt lediglich voraus, dass die betreffende Körperschaft in einem Verfassungsschutzbericht "als extremistische Organisation aufgeführt" ist. Dies ist der Fall, wenn sie dort ausdrücklich als extremistisch bezeichnet wird, nicht aber, wenn die Körperschaft nur als Verdachtsfall oder sonst beiläufig Erwäh­nung findet (BFH-Urteile vom 11.04.2012 ‑ I R 11/11, BFHE 237, 22, BStBl II 2013, 146, Rz 20 und vom 14.03.2018 ‑ V R 36/16, BFHE 260, 420, BStBl II 2018, 422, Rz 28). Der Tatbestand des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO ist dabei jeden­falls dann erfüllt, wenn die Körperschaft ausdrücklich im Anhang des Verfas­sungsschutzberichts des Bundes erwähnt ist, in dem Gruppierungen aufgeführt sind, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese verfas­sungsfeindliche Ziele verfolgen, so dass es sich um eine extremistische Grup­pierung handelt (BFH-Urteil vom 14.03.2018 ‑ V R 36/16, BFHE 260, 420, BStBl II 2018, 422, Rz 9 und 30; vgl. zur Verdachtsberichterstattung BVerfG-Beschluss vom 24.05.2005 ‑ 1 BvR 1072/01, BVerfGE 113, 63, Rz 68 und 78). Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt der in § 51 Abs. 3 Satz 2 AO verwendete Begriff "extremistisch" auch unter Berücksichtigung des von ihm angeführten Beschlusses des BVerfG vom 08.12.2010 ‑ 1 BvR 1106/08 (Zeit­schrift für das gesamte Medienrecht 2011, 43) nicht gegen das Bestimmtheits­gebot. Hiergegen spricht bereits eine Auslegung dieser Vorschrift unter Be­rücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Vorschrift (BRDrucks 545/08, S. 48 und 125, BTDrucks 16/11108, S. 8 und 45) und der Verweisung in § 51 Abs. 3 Satz 1 AO auf § 4 BVerfSchG. Ist eine Körperschaft als extremistische Körperschaft in einem Verfassungsschutzbericht aufgeführt, kommt es entge­gen der Auffassung des FG auch nicht in Betracht, zur Widerlegung der Ver­mutung den "positiven" Beweis genügen zu lassen, dass sich die Körperschaft verfassungskonform verhalte, und die Körperschaft von dem Beweis des Gegenteils der ihr vorgeworfenen Umstände zu befreien oder die Umstände, die für die Förderung verfassungsfeindlicher Bestrebungen sprechen, im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung zu würdigen. Dies würde zu einer der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprechenden Abwägungs­entscheidung führen.

c) Weiter wird das FG im zweiten Rechtsgang neben den für die Zurechnung von Äußerungen und Verhaltensweisen bereits zugrunde gelegten Grundsätzen des BFH-Urteils vom 27.09.2001 ‑ V R 17/99 (BFHE 197, 314, BStBl II 2002, 169, unter II.2.e) jedenfalls auch die hierzu ergangenen BFH-Urteile vom 10.01.2019 ‑ V R 60/17 (BFHE 263, 290, BStBl II 2019, 301, Rz 36) und vom 29.08.1984 ‑ I R 215/81 (BFHE 142, 243, BStBl II 1985, 106, unter 5.b) zu berücksichtigen haben. Dabei wird es weiter zu beachten haben, dass eine Zu­rechnung der Förderung verfassungsfeindlicher Bestrebungen auch durch die Ziele und durch die Billigung verfassungsfeindlicher Bestrebungen im Rahmen vereinseigener Aktivitäten erfolgen kann. So kann auch die Einladung von Re­ferenten, die extremistischen Organisationen nahestehen, zu Veranstaltungen des Klägers entgegen der Auffassung des FG nicht nur isoliert betrachtet wer­den, insbesondere wenn auf den Veranstaltungen nicht ausdrücklich der Hin­tergrund dieser Personen dargestellt und sich mit ihren Positionen auseinan­dergesetzt wird. Weiter können auch Verhaltensweisen von Personen, die be­stimmten Gruppierungen zuzurechnen sind, dem Kläger ‑‑auch im Hinblick auf § 51 Abs. 1 Satz 3 AO‑‑ zurechenbar sein, da ausweislich der vom FG in Bezug genommenen Satzung des Klägers bestimmte Untergliederungen zur Organi­sation des Klägers gehören und diese satzungsgemäß an die Beschlüsse und Weisungen des Klägers gebunden sind.

d) Für Zwecke der Umsatzsteuer wird das FG sich damit auseinanderzusetzen haben, ob die bisher zwischen den Beteiligten nicht streitige Vorschrift des § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG, die ‑‑anders als § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG‑‑ für die "Ein­richtungen, die gemeinnützigen Zwecken (…) dienen", nicht ausdrücklich auf die §§ 51 bis 68 AO verweist, im Hinblick auf die Anknüpfung in Art. 132 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das ge­meinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) an personenbezogene Vor­aussetzungen unionsrechtskonform auszulegen ist (vgl. z.B. zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL BFH-Urteil vom 30.06.2022 ‑ V R 32/21 (V R 31/17), BFHE 277, 519, Rz 18).

6. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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