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BFH: Kosten im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft als Nachlassverbindlichkeiten; Gewährleistung des Ausschlusses der Öffentlichkeit bei teilweiser Videoverhandlung

  1. Zu den als Nachlassregelungskosten abzugsfähigen Aufwendungen für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft können auch Kosten gehören, die im Rahmen der Teilung des Nachlasses für den Verkauf beweglicher Nach­lassgegenstände durch Versteigerung anfallen, um die testamentarisch jedem Miterben zugewandten Geldbeträge zu erzielen.
  2. Die Öffentlichkeit kann auch bei (teilweiser) Durchführung einer mündlichen Verhandlung mittels Bild- und Tonübertragung von einem anderen Ort nur im Gerichtssaal, nicht aber an dem anderen Ort hergestellt oder ausgeschlossen werden.

BGB § 1922 Abs. 1, § 2032, § 2033 Abs. 2, § 2042, § 2048 Satz 1, § 2059, § 2060, § 2197 Abs. 1, § 2204 Abs. 1
ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 und 3, § 12
FGO § 52 Abs. 2, § 155 Satz 1
FGO a.F. § 91a
GVG § 169 Abs. 1
ZPO § 128a

BFH-Urteil vom 21.8.2024, II R 43/22 (veröffentlicht am 12.12.2024)

Vorinstanz: FG Köln vom 18.8.2022, 7 K 2127/21 = SIS 23 03 86

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist testamentarisch eingesetzte Miterbin nach der im Jahr 2017 verstorbenen Erblasserin. Die Erblasserin war Alleinerbin ihres im selben Jahr vorverstorbenen Ehemannes. Die Eheleute hatten in einem Testament aus dem Jahr 2004 verschiedene Familienmitglie­der angeführt, die nach dem Tod des letztverstorbenen Ehegatten Erben oder Vermächtnisnehmer sein sollten. In dem Testament hatten sie festgelegt, wel­cher Geldbetrag an jeden Erwerber ausgezahlt werden sollte.

2012 waren die Eheleute aus dem Ausland in eine Seniorenresidenz in der Bundesrepublik Deutschland gezogen. Für die Einlagerung der späteren Nach­lassgegenstände, für die sie in der Seniorenresidenz keinen Platz fanden, schlossen sie einen kostenpflichtigen Lagervertrag ab.

Am ….2018 wurde allen Miterben ein gemeinschaftlicher Erbschein mit den Erbquoten der einzelnen Erwerber entsprechend dem an sie auszuzahlenden Geldbetrag (für die Klägerin eine Quote in Höhe von 10,103 %) erteilt.

Der eingesetzte Testamentsvollstrecker machte in der Erbschaftsteuererklä­rung für die Erbengemeinschaft Räumungskosten für ein Büro und die Woh­nung der Erblasserin als Nachlassverbindlichkeiten geltend. Außerdem gab er Lagerkosten für die Einlagerung der Nachlassgegenstände an, die in Höhe von … € auf die Klägerin entfielen. Er hatte den durch die Erblasserin ge­schlossenen Lagervertrag nach deren Tod bis zum Ende der Versteigerung der Nachlassgegenstände fortgesetzt. Zudem machte er das Honorar einer Kunst­expertin für die Beratung bei der Veräußerung der Nachlassgegenstände in Höhe von … € geltend. Dies betraf den Anteil der Klägerin an der Erbmasse. Der Testamentsvollstrecker hatte kurz nach dem Tod der Erblasse­rin mit der Kunstexpertin einen Geschäftsbesorgungsvertrag für die Sichtung, Lagerung, Inventarisierung und Vermittlung der Veräußerung der Nachlassge­genstände geschlossen.

Mit Erbschaftsteuerbescheid, zuletzt vom 22.07.2020, setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) gegenüber der Klägerin Erbschaftsteuer in Höhe von … € fest. Die erklärten Erbfallkosten erkannte es nicht als Nachlassverbindlichkeiten an. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 23.09.2021 als unbegründet zurückgewiesen.

Die Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte teilweise Erfolg. Das FG ließ die Räumungskosten für Büro und Wohnung als Nachlassverbindlichkeiten zum Abzug zu. Das Honorar für die Kunstexpertin und die Kosten für den Lagerver­trag sah es nicht als Erbfallkosten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) an. Der notwendige enge sachliche und zeitliche Zusammenhang mit dem Tod der Erblasserin sei nicht mehr gegeben. Die Miterben hätten die Nachlassgegenstände bereits in Besitz genommen. Die Kosten seien somit erst anlässlich der Verwertung der Nachlassgegenstände angefallen und gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG nicht abzugsfähig. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2023, 497 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin eine Verletzung von § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 und 3 ErbStG geltend. Auch die Kosten für das Honorar der Kunstex­pertin und für den Lagervertrag seien anlässlich der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft entstanden. Deshalb handle es sich um abzugsfähige Kos­ten der Regelung des Nachlasses nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG.

Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und den Erbschaftsteuerbescheid vom 22.07.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.09.2021 dahinge­hend zu ändern, dass Kosten in Höhe von … € für das Honorar der Kunstexpertin und in Höhe von … € für die Anmietung des Lagers als wei­tere Nachlassverbindlichkeiten in Abzug gebracht werden.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Bei den Honorarkosten und den Lagerkosten handle es sich um nicht abzugs­fähige Kosten der Verwaltung des Nachlasses gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG. Sie dienten dazu, den Nachlass zu erhalten, zu nutzen, zu mehren oder das Vermögen zu verwerten.

Mit Schriftsatz vom 04.05.2023 hat das FA auf mündliche Verhandlung ver­zichtet und für den Fall der Durchführung einer solchen die Gestattung der Teilnahme per Videokonferenz beantragt. Dieser Schriftsatz wurde dem Pro­zessvertreter der Klägerin zur Kenntnisnahme übersandt. Die Klägerin selbst hatte ausdrücklich nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet. Mit Schreiben des stellvertretenden Senatsvorsitzenden vom 06.08.2024 wurde dem FA die Teilnahme an der als Videoverhandlung durchgeführten mündlichen Verhand­lung am 21.08.2024 per Bild‑ und Tonübertragung antragsgemäß gestattet. Dieses Schreiben wurde dem Prozessvertreter der Klägerin nicht zur Kenntnis übersandt.

In der mündlichen Verhandlung beantragte die Klägerin den Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 52 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat schloss daraufhin die Öffentlichkeit aus. Der im Sitzungssaal des Bundesfi­nanzhofs (BFH) anwesende Prozessvertreter erhob Rügen zum Ausschluss der Öffentlichkeit und zur Gestattung der Teilnahme an der mündlichen Verhand­lung per Bild‑ und Tonübertragung durch das FA.

II. Die Verfahrensrügen der Klägerin hinsichtlich der mündlichen Verhandlung vor dem BFH bleiben ohne Erfolg.

1. Die Öffentlichkeit wurde auf Antrag der Klägerin bei der mündlichen Ver­handlung am 21.08.2024 ordnungsgemäß ausgeschlossen.

a) Nach § 52 Abs. 1 FGO i.V.m. § 169 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes gilt der Grundsatz der Öffentlichkeit auch im finanzgerichtlichen Prozess. Die Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung ist gewahrt, wenn ein unbestimm­ter Personenkreis die Möglichkeit hat, die Verhandlung an Ort und Stelle zu verfolgen (BFH-Beschluss vom 21.09.1994 ‑ VIII R 80‑82/93, BFH/NV 1995, 416, unter 3.c). Nach § 52 Abs. 2 FGO ist die Öffentlichkeit auszuschließen, wenn ein Beteiligter, der nicht Finanzbehörde ist, es beantragt. Die Öffentlich­keit ist allein im Sitzungssaal des Gerichts herzustellen oder auszuschließen. Das gilt auch dann, wenn die mündliche Verhandlung ganz oder teilweise mit­tels Videokonferenz stattfindet (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, § 52 Rz 5 und § 91a FGO Rz 4; Leipold in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 52 FGO Rz 12).

b) Danach wurde im Termin zur mündlichen Verhandlung im Sitzungssaal des BFH auf Antrag der Klägerin die Öffentlichkeit ordnungsgemäß ausgeschlos­sen. Die Rüge der Klägerin, die Öffentlichkeit sei nicht ordnungsgemäß ausge­schlossen, da sie nicht kontrollieren könne, ob sich weitere Personen am Ort der Videoübertragung bei dem FA aufhielten, geht fehl, da die Öffentlichkeit nur im Sitzungssaal, nicht aber in den Büroräumen des FA hergestellt war und im Sitzungssaal ‑‑unstreitig‑‑ nach § 52 Abs. 2 FGO ausgeschlossen wurde. Im Kern der Rüge geht es um die Ordnungsmäßigkeit der Durchführung der Vi­deoverhandlung, insbesondere um die Frage, ob sich an dem Ort der Video­übertragung andere Personen aufhielten, als diejenigen, denen die Teilnahme per Videoverhandlung zuvor gestattet war. Dies betrifft aber nicht die Herstel­lung oder Ausschließung der Öffentlichkeit im Sinne des § 52 FGO.

2. Das FA hat an der mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß per Videokon­ferenz teilgenommen.

a) Die (teilweise) Durchführung als Videoverhandlung richtete sich nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 128a der Zivilprozessordnung (ZPO) i.d.F. des Art. 6 Nr. 5 des Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten vom 15.07.2024 (BGBl I 2024, 1). Die Vorschrift ist mit Wirkung ab dem 19.07.2024 (Art. 19 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten) in Kraft getreten. § 91a FGO a.F., der bis zum 18.07.2024 die Voraussetzungen der Durchführung ei­ner mündlichen Verhandlung als Videokonferenz regelte, wurde ersatzlos ge­strichen. Auf den Einsatz der Videokonferenztechnik bei der mündlichen Ver­handlung am 21.08.2024 fand danach bereits das neue Recht Anwendung.

b) Nach § 128a Abs. 1 ZPO kann die mündliche Verhandlung in geeigneten Fällen und soweit ausreichende Kapazitäten zur Verfügung stehen als Video­verhandlung stattfinden. Eine mündliche Verhandlung findet als Videoverhand­lung statt, wenn an ihr mindestens ein Verfahrensbeteiligter oder mindestens ein Mitglied des Gerichts per Bild‑ und Tonübertragung teilnimmt. Verfahrens­beteiligte nach dieser Vorschrift sind die Parteien und Nebenintervenienten, ihre Bevollmächtigten sowie Vertreter und Beistände.

Der Vorsitzende kann unter den Voraussetzungen des § 128a Abs. 1 Satz 1 ZPO die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Bild‑ und Tonübertra­gung für einen Verfahrensbeteiligten, mehrere oder alle Verfahrensbeteiligte gestatten oder anordnen (§ 128a Abs. 2 ZPO). Beantragt ein Verfahrensbetei­ligter seine Teilnahme per Bild‑ und Tonübertragung, soll der Vorsitzende ihm diese unter den Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 1 gestatten (§ 128a Abs. 3 Satz 1 ZPO). Nach § 128a Abs. 6 Satz 1 ZPO ist es den Verfahrensbeteiligten und Dritten untersagt, die Videoverhandlung aufzuzeichnen. Hierauf sind sie zu Beginn der Verhandlung hinzuweisen (§ 128a Abs. 6 Satz 2 ZPO).

c) Im Streitfall hat der Vertreter der Vorsitzenden des Senats am 06.08.2024 dem FA die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Bild‑ und Tonüber­tragung gestattet. Für die Gestattung ist nach dem im Streitfall anwendbaren neuen Verfahrensrecht ‑‑entgegen § 91a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 FGO a.F., der einen Beschluss durch das Gericht vorsah‑‑ eine Entscheidung des Vorsitzenden ausreichend. Das Gesetz bestimmt nicht, dass diese Ent­scheidung des Vorsitzenden auch dem Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis ge­geben wird, der keinen Antrag auf Gestattung der Teilnahme per Bild‑ und Tonübertragung gestellt hat. Daher ist die Rüge der Klägerin, ihr sei vor der mündlichen Verhandlung nicht mitgeteilt worden, dass das FA an dieser per Bild‑ und Tonübertragung teilnehmen werde, verfahrensrechtlich ohne Belang. Im Übrigen ist nicht erkennbar, inwieweit die Klägerin durch die Gestattung der Teilnahme des FA per Videokonferenztechnik an der mündlichen Verhand­lung und das Fehlen einer diesbezüglichen Mitteilung in ihren Rechten verletzt sein könnte. Unabhängig davon hätte der Klägervertreter wissen oder zumin­dest damit rechnen können, dass das FA an der mündlichen Verhandlung per Bild‑ und Tonübertragung teilnehmen würde. Das Schreiben des FA vom 04.05.2023, mit dem dieses beantragt hatte, im Fall der Durchführung einer mündlichen Verhandlung daran per Bild‑ und Tonübertragung teilnehmen zu dürfen, wurde dem Klägervertreter mit Schreiben der Geschäftsstelle vom sel­ben Tag übersandt.

d) Die Durchführung der mündlichen Verhandlung mittels Videokonferenz un­terliegt keinen Verfahrensmängeln. Die Vorsitzende hat ausweislich des Proto­kolls über die mündliche Verhandlung am 21.08.2024 die Verfahrensbeteilig­ten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Aufzeichnungen der mündlichen Verhandlung nicht zulässig sind. Außerdem hat sie darauf hingewiesen, dass sich an dem zugeschalteten Ort ‑‑den Büroräumlichkeiten des FA‑‑ nur die Personen aufhalten dürfen, denen die Teilnahme per Video zuvor gestattet wurde, und dass die Anwesenheit weiterer Personen ausschließlich im Sit­zungssaal zulässig ist. Daraufhin hat die Vertreterin des FA erklärt, dass in den Büroräumlichkeiten des FA, von denen aus die Videoverhandlung geführt wur­de, sie sich während der gesamten mündlichen Verhandlung allein aufgehalten habe. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Erklärung unzutref­fend gewesen sein könnte. Die abstrakte Rüge des Prozessvertreters, er habe nicht feststellen können, ob sich in dem Raum, in dem sich die Vertreterin des FA aufhielt, weitere Personen befanden oder während der Verhandlung hinzu­traten, hat keinen Erfolg. Es ist der Verhandlung mittels Videokonferenz im­manent, dass eine Kontrolle der Anwesenden in den Räumlichkeiten der Vi­deoübertragung nicht möglich ist. Gleichwohl hat der Gesetzgeber sie aus­drücklich zugelassen. Ohne begründete Zweifel an der Richtigkeit der Erklä­rung der Beteiligten ist davon auszugehen, dass sich nur die Personen am Ort der Videoübertragung befanden, denen die Teilnahme ausdrücklich gestattet wurde.

III. Die Revision ist begründet (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Entgegen der Auf­fassung des FG handelt es sich bei den Kosten für das Honorar der Kunstex­pertin und für die Lagerung der Nachlassgegenstände bis zu deren Versteige­rung um abzugsfähige Nachlassregelungskosten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG.

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer. Als steuerpflichtiger Erwerb gilt die Be­reicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG gilt in den Fällen des § 3 ErbStG un­beschadet § 10 Abs. 10 ErbStG als Bereicherung der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert des gesamten Vermö­gensanfalls, soweit er der Besteuerung nach diesem Gesetz unterliegt, die nach § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten mit ihrem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abgezogen werden.

a) § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sieht vor, dass von dem Erwerb unter an­derem die Kosten als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind, die dem Er­werber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Der Begriff "Kosten der Regelung des Nachlasses" ist weit auszulegen. Er umfasst die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses ein­schließlich von Bewertungskosten, aber auch alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zu­kommenden Güter zu setzen. Die Kosten müssen in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen stehen und dürfen nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG) anfallen (BFH-Urteil vom 26.07.2023 ‑ II R 5/21, BFHE 281, 258, BStBl II 2024, 166, Rz 14 f.).

b) Die Abgrenzung zwischen Kosten der Nachlassregelung und Kosten der Nachlassverwaltung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BFH-Urteil vom 06.11.2019 ‑ II R 29/16, BFHE 267, 433, BStBl II 2020, 505, Rz 18). So wie § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG einen unmittelbaren Zusam­menhang der Kosten mit den jeweiligen Abzugstatbeständen verlangt, liegen Kosten der Nachlassverwaltung dann vor, wenn er fehlt. Die darin liegende Zäsur zwischen Erwerbserlangungskosten und Nachlassverwaltungskosten ist indes kein für den jeweiligen Erbfall und auch kein für alle Nachlassverbind­lichkeiten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG gleich zu definieren­der, einheitlicher und feststehender Zeitpunkt. Sie markiert eine inhaltliche Grenze zwischen den nachlassspezifischen Kosten auf der einen Seite und denjenigen Kosten auf der anderen Seite, die ihrer Art nach ebenso anfallen können, wenn die Gegenstände, um die es geht, sich nicht oder nicht mehr in einem Nachlass befinden. In diesem Falle ist der durch das Tatbestandsmerk­mal "unmittelbar" gekennzeichnete Veranlassungszusammenhang unterbro­chen (BFH-Urteil vom 14.10.2020 ‑ II R 30/19, BFHE 272, 93, BStBl II 2022, 216, Rz 16 f.)

c) Der BFH hat bereits entschieden, dass zu den Kosten für die "Verteilung des Nachlasses" die Aufwendungen für die Auseinandersetzung einer Erbenge­meinschaft gemäß § 2042 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gehören (BFH-Urteil vom 09.12.2009 ‑ II R 37/08, BFHE 228, 172, BStBl II 2010, 489, unter II.1.). Bei mehreren Erben entsteht eine solche Erbengemeinschaft unabhän­gig vom Willen der Miterben kraft Gesetzes mit dem Erbfall, gleichgültig, ob ihre Berufung auf Gesetz oder auf einer testamentarischen Einsetzung beruht (MüKoBGB/Gergen, 9. Aufl., § 2032 Rz 1). Der Nachlass wird gemeinschaftli­ches Vermögen der Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB). Jeder Vermögensge­genstand des Erblassers geht nach § 1922 Abs. 1 BGB ungeteilt auf die Miter­ben über. Die Miterben erwerben an den einzelnen Nachlassgegenständen kein Eigentum nach Bruchteilen, sondern sind gemeinschaftlich am ungeteilten Nachlass berechtigt (Gesamthandsgemeinschaft). Eine Verfügung durch einen Miterben über einen einzelnen Nachlassgegenstand oder einen Bruchteil daran ist nicht möglich (§ 2033 Abs. 2 BGB). Die Erben können nur gemeinschaftlich verfügen (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 22.10.2015 ‑ V ZB 126/14, Neue Juristische Wochenschrift ‑‑NJW‑‑ 2016, 493, Rz 9). Die Erbengemeinschaft ist nicht auf Dauer angelegt, sondern auf Auseinanderset­zung gerichtet (BGH-Urteil vom 11.09.2002 ‑ XII ZR 187/00, NJW 2002, 3389; BGH-Beschluss vom 17.10.2006 ‑ VIII ZB 94/05, NJW 2006, 3715). Ih­re Auflösung kann jeder Miterbe nach § 2042 Abs. 1 BGB betreiben (MüKoBGB/Fest, 9. Aufl., § 2042 Rz 1). Der Erblasser kann durch letztwillige Verfügung Anordnungen für die Auseinandersetzung treffen (§ 2048 Satz 1 BGB).

d) Zu den als Nachlassregelungskosten abzugsfähigen Aufwendungen für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft können, wenn ‑‑wie im Streit­fall‑‑ die Auseinandersetzung in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Tod des Erblassers erfolgt, auch Kosten gehören, die im Rahmen der Tei­lung des Nachlasses für den Verkauf beweglicher Nachlassgegenstände durch Versteigerung anfallen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verkauf dazu dient, die Geldbeträge zu erlangen, die nach dem testamentarischen Willen des Erblassers an die einzelnen Miterben ausgezahlt werden sollen. Darunter können Kosten für die Sichtung der Nachlassgegenstände, deren Inventarisie­rung sowie Kosten für die Vermittlung, Vorbereitung und Durchführung der Versteigerung fallen. Eingeschlossen sein können auch Kosten, die notwendi­gerweise für die Lagerung der Nachlassgegenstände bis zu deren Veräußerung und der darauffolgenden Auflösung der Erbengemeinschaft anfallen. Diese Kosten dienen dazu, den Nachlass bei einer Erbengemeinschaft im Sinne von § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG zu verteilen. Es handelt sich dabei nicht um nichtabzugsfähige Nachlassverwaltungskosten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG. Der Verkauf der Nachlassgegenstände dient in diesem Fall nicht der Erhaltung, Mehrung, Nutzung oder Verwertung des Nachlassvermö­gens (vgl. BFH-Urteil vom 06.11.2019 ‑ II R 29/16, BFHE 267, 433, BStBl II 2020, 505, Rz 19 für eine Alleinerbschaft), sondern er ist notwendig, um den Nachlass nach der letztwilligen Verfügung des Erblassers in Geld auf die Miter­ben zu verteilen.

e) Der BFH hat ferner bereits entschieden, dass es für die Abziehbarkeit der unmittelbar mit der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft im Zusam­menhang stehenden Kosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG unerheblich ist, ob die Erbengemeinschaft aufgrund gesetzlicher Erbfolge oder der Einset­zung mehrerer Erben durch den Erblasser entstanden ist und ob der Erblasser nach § 2048 BGB Teilungsanordnungen verfügt hat oder ob die Erbauseinan­dersetzung auf einer Vereinbarung oder dem Ergebnis eines Rechtsstreits der Miterben beruht. Für eine Unterscheidung dieser Fallgruppen bietet § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG keine Grundlage. Diese Vorschrift macht die Ab­ziehbarkeit der Kosten nur davon abhängig, dass sie dem Erwerber unmittel­bar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses entstehen (BFH-Urteil vom 09.12.2009 ‑ II R 37/08, BFHE 228, 172, BStBl II 2010, 489, unter II.1.).

f) Es ist für den Abzug unschädlich, sondern vielmehr für die Nachlassabwick­lungs‑, Nachlassregelungs‑ und Nachlassverteilungskosten typisch, dass der Erbe selbst die Kosten ausgelöst hat (BFH-Urteil vom 14.10.2020 ‑ II R 30/19, BFHE 272, 93, BStBl II 2022, 216, Rz 14). Das Gleiche gilt, wenn der Erblas­ser Testamentsvollstreckung angeordnet hat (§ 2197 Abs. 1 BGB) und der Testamentsvollstrecker die Kosten im Rahmen der Auseinandersetzung des Nachlasses unter den Miterben, die er nach § 2204 Abs. 1 BGB zu bewirken hat, auslöst.

g) Unerheblich ist schließlich, ob eine kostengünstigere Lösung möglich gewe­sen wäre (vgl. BFH-Urteil vom 14.10.2020 ‑ II R 30/19, BFHE 272, 93, BStBl II 2022, 216, Rz 16 f.).

h) Diesem Ergebnis steht das BFH-Urteil vom 06.11.2019 ‑ II R 29/16 (BFHE 267, 433, BStBl II 2020, 505) nicht entgegen. Danach endet zwar der für die Abzugsfähigkeit als Nachlassregelungskosten notwendige sachliche Zusam­menhang mit dem Erwerb, wenn Gewissheit über Umfang und Zusammenset­zung des Nachlasses herrscht und der Erbe die Nachlassgegenstände in Besitz genommen hat (BFH-Urteil vom 06.11.2019 ‑ II R 29/16, BFHE 267, 433, BStBl II 2020, 505, Rz 19). Dieses Urteil ist aber zu einem anderen Sachver­halt ‑‑dem Erwerb eines Alleinerben durch Universalsukzession nach § 1922 Abs. 1 BGB‑‑ ergangen und kann nicht auf den Erwerb durch Miterben einer Erbengemeinschaft übertragen werden. Bei Alleinerbschaft bedarf es im Ge­gensatz zur Erbengemeinschaft keiner Auseinandersetzung, um als Erbe den Nachlass zu erhalten. Kosten im Rahmen der Teilung des Nachlasses, die an­fallen, um den Nachlass auf die Miterben zu verteilen, fallen bei der Alleinerb­schaft gerade nicht an.

2. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Es hat den Begriff der Kosten der Verteilung des Nachlasses im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG zu eng ausgelegt. In Abweichung von dem BFH-Urteil vom 09.12.2009 ‑ II R 37/08 (BFHE 228, 172, BStBl II 2010, 489) hat es bei der Würdigung des Einzelfalls nicht berücksichtigt, dass zu den Kosten für die "Verteilung des Nachlasses" die Aufwendungen für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft gehören, wenn diese in einem engen zeitlichen Zu­sammenhang mit dem Tod des Erblassers erfolgt. Dienen die dabei anfallen­den Kosten dazu, die in der letztwilligen Verfügung des Erblassers den einzel­nen Miterben zugewandten Geldbeträge zu erzielen, sind sie noch der Vertei­lung des Nachlasses nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG und noch nicht der Verwaltung nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG zuzuordnen. Die Entschei­dung des FG war daher aufzuheben.

3. Die Sache ist spruchreif. Der Erbschaftsteuerbescheid vom 22.07.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.09.2021 wird dahingehend geän­dert, dass Kosten in Höhe von insgesamt … € (… € für das Honorar der Kunstexpertin und … € für die Anmietung des Lagers) als weitere Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG in Ab­zug zu bringen sind.

a) Die Honorarkosten der Kunstexpertin dienten der Sichtung, Inventarisie­rung und Vorbereitung der Nachlassgegenstände für deren Versteigerung im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, um die im Testa­ment durch die Erblasserin jedem Miterben zugewandten Geldbeträge durch Verkauf der Nachlassgegenstände zu erzielen und anschließend an die einzel­nen Miterben auszuzahlen.

b) Die Lagerkosten dienten mittelbar der Verteilung des Nachlasses in Geld auf die einzelnen Miterben gemäß der letztwilligen testamentarischen Verfügung der Erblasserin. Die Kosten waren notwendig, um die Nachlassgegenstände aufzubewahren, bis sie versteigert werden und die Geldbeträge erzielt werden konnten, die nach dem Testament den einzelnen Miterben auszubezahlen wa­ren.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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