Eine Werkzeugmaschine wird nicht bereits durch das Einschalten in Gebrauch genommen ("Leerlaufbetrieb"), sondern erst dadurch, dass mit ihr Gegenstände bearbeitet werden.
InvZulG 1999 § 2 Abs. 1 Satz 1
Vorinstanz: FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 20.12.2007 1 K 379/05 (EFG 2008 S. 882 = SIS 08 18 68)
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Bereich der Metallverarbeitung tätige Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Im Mai 2003 beantragte sie für das Jahr 2002 eine Zulage von 25 v.H. nach dem Investitionszulagengesetz (InvZulG) 1999 u.a. für eine von ihr angeschaffte Drehmaschine mit einer anteiligen Bemessungsgrundlage von 57.098,49 €. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte die Zulage durch einen unter Nachprüfungsvorbehalt gestellten Bescheid unter Einschluss der Anschaffungskosten der Drehmaschine fest. Dabei blieb es auch nach einer im Juni 2003 durchgeführten Augenscheinseinnahme.
Im März 2004 beantragte die Klägerin für das Jahr 2003 eine Zulage von 25 v.H. für dieselbe Drehmaschine mit einer auf das Jahr 2003 entfallenden anteiligen Bemessungsgrundlage von 177.868,63 €. Hierauf führte das FA eine weitere Augenscheinseinnahme durch und stellte fest, dass die Maschine ein Typenschild des Jahres 2001 besaß und eine Servicefirma für Werkzeugmaschinen im Dezember 2002 eine Ingangsetzung und Personaleinweisung protokolliert und dabei 295 Betriebsstunden angegeben hatte; außerdem hatte sie einen Späneförderer und eine Hochdruckkühlmittelanlage angebaut.
Das FA gelangte zu der Auffassung, die Drehmaschine sei nicht neu, sondern gebraucht erworben worden und daher nicht zulagebegünstigt. Im Bescheid über die Investitionszulage für 2002 wurde die Zulage unter Fortbestand des Vorbehaltes der Nachprüfung um 25 v.H. von 54.078,49 € herabgesetzt und die Investitionszulage für 2003 erstmals ohne Berücksichtigung der Anschaffungskosten für die Drehmaschine festgesetzt.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Drehmaschine sei beim Erwerb durch die Klägerin nicht mehr neu gewesen. Unschädlich sei zwar, dass die Maschine zur Herstellung der Funktionsfähigkeit einem viertägigen Dauertest unterzogen und zum Erhalt der Funktionsfähigkeit und für Probeläufe des Käufers in gewissen Zeitabständen "angefahren" worden sei. Danach verblieben jedoch etwa 175 Betriebsstunden. Eine die Neuheit beseitigende bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme liege bereits dann vor, wenn diese nur Teilfunktionen des Wirtschaftsgutes betreffe, und nicht erst, wenn sämtliche Verwendungsmöglichkeiten und alle Zubehör- oder Einbauteile im Vollbetrieb genutzt würden. Die Frage, in welcher Form oder bis zu welchem Stadium die Maschine "hochgefahren" worden sei, könne offen bleiben. Denn die streitige Drehmaschine verfüge mit der elektronischen Steuerung und der folgenden Mechanik über zwei technisch hintereinander geschaltete Funktionen. Die Nutzung des elektronischen Teils - des Computers - bewirke auch dann eine zulagenschädliche Ingebrauchnahme, wenn die Mechanik nicht in Gang gesetzt werde und keine Werkstücke produziert würden. Obwohl die Elektronik weniger verschleißanfällig als die Mechanik sei und es dem spontanen Empfinden widersprechen könne, eine Drehmaschine als gebraucht anzusehen, mit der noch niemals "gedreht" worden sei, mindere die Nutzung des Computerprogramms den Neuwert der Maschine. Die Nutzung der elektronischen Steuerung sei auch nicht als geringfügig anzusehen.
Die Klägerin trägt zur Begründung der Revision vor, die Drehmaschine sei neu gewesen. Der Verkäufer habe sie vor dem Erwerb lediglich zur Besichtigung und Demonstration ausgestellt, aber weder beworben noch bestimmungsgemäß genutzt. Den Vollbetrieb habe sie erst nach Referenzierung aller Achsen sowie der Entwicklung und Installation eines CNC-Bearbeitungsprogramms erreichen können. Ein CNC-Bearbeitungsprogramm sei mit der Maschine aber nicht erworben worden, die Programmierung habe erst ihr - der Klägerin - technisches Personal ausgeführt. Ein Probebetrieb in Teilfunktion, d.h. ohne die Möglichkeit der Bearbeitung von Werkstücken, könne nicht als bestimmungsgemäße Verwendung angesehen werden. Im Übrigen sei selbst dann, wenn eine bestimmungsgemäße Verwendung vor Erwerb unterstellt werde, lediglich eine geringfügige Nutzung erfolgt, denn bereits das Anschalten des Betriebslichtes zur Begehung setze den Betriebsstundenzähler in Gang.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß), das FG-Urteil aufzuheben und die Investitionszulage für 2002 um 13.519,62 € höher und die Investitionszulage für 2003 um 44.467,16 € höher festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG.
1. Die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in den Streitjahren (2002 und 2003) wird nach § 2 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 durch eine Investitionszulage begünstigt. Die Beschränkung auf neue Wirtschaftsgüter soll die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebsstätten im Fördergebiet gegenüber Betrieben im übrigen Bundesgebiet verbessern und zugleich ausschließen, dass mehrere Personen hinsichtlich desselben Wirtschaftsgutes die Fördervoraussetzungen erfüllen (Senatsurteil vom 23.3.1999 III R 85/97, BFHE 188, 471, BStBl II 1999, 613).
Eine Sache ist neu, wenn sie noch nicht benutzt bzw. sonst in Gebrauch genommen oder auf andere Weise verwendet worden ist (Senatsurteile vom 13.3.1979 III R 71/78, BFHE 127, 117, BStBl II 1979, 287; vom 15.7.2004 III R 6/03, BFHE 206, 513, BStBl II 2004, 1081, betr. werksüberholte Möbelbearbeitungsmaschine, m.w.N.).
Auch ein noch nicht in Gebrauch genommenes Wirtschaftsgut ist aber im Sinne des Investitionszulagengesetzes nicht mehr neu, wenn es vor dem Erwerb durch den Investor zum Anlagevermögen (§ 247 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches) eines anderen Betriebs gehört hat und von diesem angeschafft oder hergestellt worden ist (Senatsurteil in BFHE 188, 471, BStBl II 1999, 613, betr. Zweiterwerb eines Kühlguttransporters; Senatsbeschluss vom 9.12.2004 III B 89/04, BFH/NV 2005, 915, betr. Spielautomaten).
2. Aufgrund der Feststellungen des FG kann der Senat nicht beurteilen, ob die Drehmaschine neu war, als sie von der Klägerin erworben wurde.
a) Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass weder der viertägige Dauertest zur Herstellung der Funktionsfähigkeit noch ein Ingangsetzen zum Erhalt der Funktionsfähigkeit und für Probeläufe des Käufers dazu führten, dass die Maschine nicht mehr als neu angesehen werden kann.
b) Das FG hat auch nicht festgestellt, dass die Maschine beim Verkäufer zum Anlagevermögen gehört hatte. Zwar zählen Wirtschaftsgüter, die dazu bestimmt sind, dem kaufinteressierten Publikum vorgeführt zu werden, aufgrund dieser Funktion zum Anlagevermögen (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 17.11.1981 VIII R 86/78, BFHE 135, 35, BStBl II 1982, 344, betr. Vorführwagen; vom 23.9.2008 I R 47/07, BFHE 223, 56, BStBl II 2009, 986, betr. Musterhäuser; vom 16.12.2009 IV R 49/07, BFH/NV 2010, 945, betr. Zwischenerwerbermodell für Immobilien). Ein Gegenstand verbleibt aber im Umlaufvermögen, wenn sich die beabsichtigte Veräußerung hinzieht und der Gegenstand in dieser Zeit verschiedenen Interessenten gezeigt wird.
c) Eine zulagenschädliche Ingebrauchnahme der Maschine kann nicht bereits darin gesehen werden, dass diese über das zur Herstellung und Erhaltung der Funktionsfähigkeit sowie für Probeläufe erforderliche Maß hinaus eingeschaltet wurde, ohne dass Werkstücke bearbeitet wurden.
Zuzustimmen ist zwar dem Ausgangspunkt des FG, dass bereits in einer teilweisen Verwendung einer multifunktionalen Maschine eine bestimmungsgemäße Verwendung liegt und daher z.B. ein Mähdrescher, der nur zur Mahd, nicht aber auch zum Dreschen und Häckseln genutzt wurde, nicht mehr neu ist. Eine teilweise Verwendung in diesem Sinne erfordert aber, dass das Wirtschaftsgut wenigstens einen seiner Zwecke erfüllt; bloße "Vorstufen" zur Ingebrauchnahme genügen dafür nicht. Da eine Werkzeugmaschine der Herstellung oder Bearbeitung von Gegenständen dient, kann sie nicht bereits durch einen "Leerlaufbetrieb" in Gebrauch genommen werden, sondern erst dadurch, dass das Gerät auf ein eingespanntes Werkstück einwirkt, die Maschine also "produziert".
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat - aus seiner Sicht zu Recht - bislang offen gelassen, ob die Maschine einen "Vollbetrieb" erreicht hat; diese Feststellung ist nun nachzuholen. Die Feststellungslast für die Voraussetzungen der Neuheit trägt die Klägerin.
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