Der Staatsgerichtshof verkündet das Urteil zu der kommunalen Grundrechtsklage der Gemeinde Biebergemünd, der Stadt Büdingen, der Stadt Schwalbach am Taunus und der Stadt Stadtallendorf sowie der kommunalen Grundrechtsklage der Stadt Frankfurt am Main gegen die „Heimatumlage“ - P.St. 2793, P.St. 2796
Der Staatsgerichtshof des Landes Hessen hat die kommunalen Grundrechtsklagen der Gemeinde Biebergemünd, der Städte Büdingen, Schwalbach am Taunus und Stadtallendorf sowie der Stadt Frankfurt am Main mit Urteil vom heutigen Tag zurückgewiesen.
Die Antragstellerinnen hatten sich mit ihren Klagen gegen das Gesetz über das Programm „Starke Heimat Hessen“ vom 31.10.2019 gewandt, durch das sie sich in ihrem durch Art. 137 der Hessischen Verfassung - HV - garantierten kommunalen Selbstverwaltungsrecht sowie in ihrem Recht auf kommunale Gleichbehandlung verletzt sehen.
Durch das angegriffene Gesetz führte das Land Hessen eine sogenannte Heimatumlage ein. Diese trat an die Stelle der zuvor von den Kommunen zu leistenden, bundesgesetzlich geregelten erhöhten Gewerbesteuerumlage. Die Heimatumlage ist von den Gemeinden zu zahlen und fließt im Wesentlichen unmittelbar an die Kommunen über den kommunalen Finanzausgleich zurück.
Der Staatsgerichtshof hat die Klagen als zulässig, aber unbegründet angesehen.
Das kommunale Selbstverwaltungsrecht des Art. 137 Abs. 1 und Abs. 3 Satz1 HV und die staatliche Pflicht zur Durchführung eines kommunalen Finanzausgleichs nach Art. 137 Abs. 5 HV schließen eine gesetzliche kommunale horizontale Finanzumlage wie die Heimatumlage, die auf das kommunale Gewerbesteueraufkommen zugreift und für bestimmte kommunale Zwecke erhoben wird, nicht aus.
Grundvoraussetzung eines jeden gesetzlichen Eingriffs in das kommunale Selbstverwaltungsrecht des Art. 137 Abs. 1 HV ist, dass das eingreifende Gesetz auf Gründen des Gemeinwohls beruht und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügt. Darüber hinaus muss der Gesetzgeber bei der Erhebung von Umlagen insbesondere den Anspruch der Kommunen auf eine angemessene Finanzausstattung beachten. Außerdem sind die Gebote der kommunalen Gleichbehandlung und der Systemgerechtigkeit zu beachten.
Diesen Anforderungen genügt das von den Antragstellerinnen angegriffene Gesetz.
Die angegriffenen Bestimmungen beruhen auf Gründen des Gemeinwohls, indem sie das Ziel der Verringerung der zum Teil erheblichen Unterschiede des Gewerbesteueraufkommens der hessischen Kommunen und zugleich die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in den hessischen Kommunen verfolgen.
Eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts der Antragstellerinnen aus Art. 137 HV folgt auch nicht aus einem Verstoß der angegriffenen Bestimmungen gegen Art. 106 Abs. 6 GG. Nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs gehören Vorschriften des Grundgesetzes prinzipiell nicht zum Prüfungsmaßstab des Staatsgerichtshofs. Ob ausnahmsweise die Frage einer Verletzung des Art. 106 GG mittelbar relevant sein könnte für die Prüfung der Heimatumlage am Maßstab der Hessischen Verfassung, musste der Staatsgerichtshof vorliegend nicht beantworten. Denn die Einführung der Heimatumlage durch den Hessischen Gesetzgeber verstößt im Ergebnis bereits nicht gegen Art. 106 Abs. 6 GG. Bei der Heimatumlage handelt es sich um eine horizontale, im kommunalen Raum verbleibende Umlage, für die Art. 106 Abs. 6 GG keine näheren normativen Vorgaben trifft.
Mit den angegriffenen Bestimmungen hat der Landesgesetzgeber auch nicht gegen die Pflicht des Landes zur Durchführung eines verfassungskonformen kommunalen Finanzausgleichs nach Art. 137 Abs. 5 HV verstoßen. Bei der Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs darf der Gesetzgeber auch einen horizontalen Finanzausgleich zwischen den Kommunen vorsehen. Dem Gesetzgeber ist dabei auch kein Fehler bei der Ermittlung des Finanzbedarfs der Kommunen vorzuwerfen. Das im Hessischen Finanzausgleichsgesetz gewählte kommunale Finanzbedarfsermittlungsmodell trägt auch die Erhebung und Verwendung der Heimatumlage. Auch die Rügen der Antragstellerinnen, die angegriffenen Bestimmungen veränderten die Finanzkraftreihenfolge der Gemeinden, greifen nicht durch.
Die angegriffenen Bestimmungen verletzen auch nicht die Gebote der kommunalen Gleichbehandlung und der Systemgerechtigkeit. Das Gesetz über das Programm „Starke Heimat Hessen“ schafft keinen unzulässigen „Nebenfinanzausgleich“. Das Heimatumlagegesetz ist eng mit dem durch das Hessische Finanzausgleichsgesetz geschaffenen System des kommunalen Finanzausgleichs verzahnt. Dem Gesetzgeber steht bei der Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs ein großer Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum zu, den er mit der Einführung der Heimatumlage und deren Integration in das System des kommunalen Finanzausgleichs nicht überschritten hat.
Ebenso wenig verstoßen die angegriffenen Bestimmungen gegen das Bestimmtheitsgebot. An die Bestimmtheit von Gesetzen, die in das kommunale Selbstverwaltungsrecht eingreifen, sind geringere Anforderungen zu stellen als an Gesetze, die in die Grundrechte der Bürger eingreifen. Gesetzliche kommunale horizontale Finanzumlagen genügen daher dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot, wenn der umlagebegründende Tatbestand, der Kreis der Umlageschuldner, der Umlagemaßstab, der Erhebungszeitpunkt und der Erhebungszeitraum im Gesetz hinreichend bestimmt geregelt sind. Dies ist vorliegend der Fall. Hingegen verlangt das Bestimmtheitsgebot nicht, dass auch die Verwendung des Umlageaufkommens im Detail geregelt wird.
Das vollständige Urteil steht auf den Internetseiten des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen unter dem Menüpunkt „Entscheidungen“ zur Verfügung.
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