Erhält ein Ehegatte vereinbarungsgemäß einen Teil des Einmalbeitrags, den er für eine vom anderen Ehegatten abgeschlossene Rentenversicherung gezahlt hatte, von dem Versicherungsunternehmen erstattet, weil der andere Ehegatte verstorben ist, bevor die geleisteten Rentenzahlungen die Höhe des Einmalbeitrags erreicht haben, unterliegt der Erstattungsbetrag nicht der Erbschaftsteuer.
ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 4, § 7 Abs. 1 Nr. 1
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 23.3.2011, 4 K 2354/08 Erb = SIS 11 34 78
I. Die Ehefrau (E) des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) schloss im Juli 2003 bei der ... Lebensversicherung (B) einen Rentenversicherungsvertrag gegen einen einmaligen Gesamtbeitrag von 150.000 € ab. Den Beitrag entrichtete der Kläger. Die Rente sollte gezahlt werden, solange E lebt. Für den Fall, dass E verstirbt, bevor die gezahlte Rente den Beitrag erreicht, wurde vereinbart, dass B den Unterschiedsbetrag an den Kläger zurückzahlt.
E verstarb im Mai 2006. Sie wurde vom Kläger allein beerbt. Er erhielt zudem von B den für die Rentenversicherung gezahlten Beitrag abzüglich der gezahlten Renten erstattet, und zwar einen Betrag von 126.148 €.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer diesen Betrag als Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG). Das FA berechnete die Steuer im Bescheid vom 11.4.2007 wie folgt:
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) vertrat in dem in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2012, 807 veröffentlichten Urteil die Ansicht, die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG seien erfüllt. Der Kläger habe aufgrund des von B mit E geschlossenen Versicherungsvertrags die vereinbarte Versicherungssumme von 126.148 € erhalten. Dass der Kläger den Beitrag für die Versicherung gezahlt habe, sei unerheblich. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG setze keine Entreicherung des Erblassers voraus. Die Bezugsberechtigung des Klägers sei auch nicht unwiderruflich gewesen. § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG sei nicht anwendbar.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Die Zahlung der B an ihn stelle einen nicht steuerbaren Vermögensrückfall dar. Ob seine Bezugsberechtigung aus dem Vertrag unwiderruflich gewesen sei, sei unerheblich.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Erbschaftsteuer unter Änderung des Erbschaftsteuerbescheids vom 11.4.2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.5.2008 auf 11.220 € festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des von ihm entrichteten Beitrags abzüglich der von B gezahlten Renten unterliegt nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG der Erbschaftsteuer. Da das FG dies verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen jeder Vermögensvorteil, der aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags bei dessen Tod von einem Dritten unmittelbar erworben wird. Ein Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 331 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, bei dem die Leistung an den Dritten nach dem Tod desjenigen erfolgen soll, welchem sie versprochen worden ist, führt beim Tod des Versprechensempfängers regelmäßig zu einem derartigen Erwerb von Todes wegen. Allerdings setzt die Steuerbarkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bei einem Vertrag zugunsten Dritter voraus, dass die Zuwendung an den Dritten im Verhältnis zum Erblasser (Valutaverhältnis) alle objektiven und subjektiven Merkmale einer freigebigen Zuwendung aufweist. Bei dem nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerpflichtigen Erwerb durch Vertrag zugunsten Dritter handelt es sich vom Typus her um eine freigebige Zuwendung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, die nur deshalb den Erwerben von Todes wegen zugerechnet wird, weil die die Steuerpflicht auslösende Bereicherung des Dritten erst beim Tod des Erblassers als Zuwendenden eintritt. Daher verlangt auch der Erwerb i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG eine objektive Bereicherung des Dritten. Außerdem muss das Bewusstsein der Freigebigkeit vorhanden sein (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24.10.2001 II R 10/00, BFHE 197, 265, BStBl II 2002, 153, und vom 17.10.2007 II R 8/07, BFH/NV 2008, 572).
Da eine freigebige Zuwendung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG eine Vermögensverschiebung, d.h. eine Vermögensminderung auf der Seite des Schenkers und eine Vermögensmehrung auf der Seite des Bedachten voraussetzt (BFH-Urteil vom 30.1.2013 II R 38/11, BFHE 240, 287) und ein Vertrag zugunsten Dritter nur dann nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerbar ist, wenn die Zuwendung an den Dritten im Verhältnis zum Erblasser (Valutaverhältnis) alle objektiven und subjektiven Merkmale einer freigebigen Zuwendung aufweist, muss es in den Fällen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG entgegen der Ansicht des FG ebenfalls zu einer Vermögensminderung auf der Seite des Erblassers kommen. Der BFH hat demgemäß bereits im Urteil vom 13.5.1998 II R 60/95 (BFH/NV 1998, 1485) ausgeführt, dass § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG eine Bereicherung des Begünstigten voraussetzt, die aus dem Vermögen des Erblassers herrührt.
Für die Beurteilung, ob die Zuwendung an den Dritten im Verhältnis zum Erblasser alle objektiven und subjektiven Merkmale einer freigebigen Zuwendung aufweist, kommt es nicht auf das Deckungsverhältnis zwischen dem Versprechenden (hier: B) und dem Versprechensempfänger (hier: E), sondern auf das Valutaverhältnis zwischen dem Versprechensempfänger und dem Dritten (hier: Kläger) an (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 572).
2. Der von B mit E vereinbarte Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des von ihm entrichteten Beitrags abzüglich der gezahlten Renten erfüllt nicht diese Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Es fehlt hinsichtlich des durch den (vorzeitigen) Tod der E aufschiebend bedingten Rückzahlungsanspruchs an der erforderlichen Vermögensverschiebung zwischen E und dem Kläger. Nicht E, sondern der Kläger hatte den Versicherungsbeitrag gezahlt. Dies ist nach Ansicht des erkennenden Senats entscheidend.
Der Senat teilt somit für die vorliegende Fallgestaltung die aktuelle Auffassung der Finanzverwaltung zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen Leistungen aus einer Lebensversicherung beim Erwerb durch einen Bezugsberechtigten der Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegen. Dies ist nach R E 3.7 Abs. 2 Satz 1 der Erbschaftsteuer-Richtlinien (ErbStR) 2011 der Fall, wenn im Valutaverhältnis zwischen dem Versprechensempfänger (Versicherungsnehmer und Erblasser) und dem Begünstigten eine freigebige Zuwendung vorliegt. Hat ein Bezugsberechtigter eines Lebensversicherungsvertrags die Prämien ganz oder teilweise gezahlt, ist die Versicherungsleistung gemäß R E 3.7 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2011 nach dem Verhältnis der vom Versicherungsnehmer/Erblasser gezahlten Versicherungsbeiträge zu den insgesamt gezahlten Versicherungsbeiträgen aufzuteilen; nur dieser Teil unterliegt der Erbschaftsteuer. Diese Grundsätze gelten nach R E 3.7 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2011 auch, wenn ein Anspruch aus einer noch nicht fälligen Lebensversicherung übertragen wird, bei der der Erwerber die Versicherungsbeiträge bisher ganz oder teilweise gezahlt hat.
Eine R E 3.7 Abs. 2 ErbStR 2011 entsprechende Regelung hatten bereits die im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen ergangenen gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 23.2.2010 (BStBl I 2010, 194) getroffen, und zwar mit Wirkung für alle noch nicht bestandskräftig veranlagten Fälle. Diese Erlasse beruhten auf den Rechtsgrundsätzen, die im BFH-Urteil vom 1.7.2008 II R 38/07 (BFHE 220, 531, BStBl II 2008, 876) im Hinblick auf die Bereicherung des Nacherben entwickelt wurden. Danach schließt § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG beim Nacherben die steuerliche Erfassung von Vermögenswerten aus, die er selbst durch Baumaßnahmen auf einem nachlasszugehörigen Grundstück zu Lebzeiten des Vorerben in Erwartung der Nacherbfolge geschaffen hat.
Die Finanzverwaltung hat somit die von ihr früher in R 10 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2003 vertretene Auffassung aufgegeben, nach der die Steuerpflicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG grundsätzlich nicht dadurch entfällt, dass der Bezugsberechtigte die Prämien ganz oder teilweise anstelle des Versicherungsnehmers gezahlt hat. Anders als in R 10 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2003 vorgesehen macht die Finanzverwaltung die Unanwendbarkeit des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bei dem Erwerb eines Anspruchs aus einer Lebensversicherung nicht mehr davon abhängig, dass der Prämienzahler von vornherein sowohl für den Erlebens- als auch für den Todesfall unwiderruflich bezugsberechtigt ist. Vielmehr kommt es nach der - zutreffenden - Ansicht der Finanzverwaltung lediglich darauf an, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die versicherte Person oder der Bezugsberechtigte die Versicherungsbeiträge gezahlt hat (ebenso Urteile des FG München vom 26.7.2006 4 K 4359/03, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2006, 1921; des FG Nürnberg vom 9.2.1967 II 308/65, EFG 1967, 354, und des FG Rheinland-Pfalz vom 16.12.1993 4 K 1130/93, EFG 1994, 665; Fischer in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 4. Aufl., § 3 Rz 520; Weinmann in Moench/Weinmann, § 3 ErbStG Rz 163; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz 269.1; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rz 293; a.A. Urteile des Hessischen FG vom 11.4.1989 X 182-183/82 u.a., EFG 1989, 518, und des Niedersächsischen FG vom 24.2.1999 III 334/94, EFG 1999, 1141, sowie vom 16.11.2005 3 K 47/04, EFG 2006, 910).
Es kann demnach auf sich beruhen, ob E im Innenverhältnis zum Kläger berechtigt sein sollte, über den Rückzahlungsanspruch frei zu verfügen und ihn statt dem Kläger einem beliebigen Dritten zuzuwenden. Bei der vorliegenden Fallgestaltung kann nichts anderes gelten als bei einer Lebensversicherung, bei der es nicht auf die unwiderrufliche Bezugsberechtigung des Bezugsberechtigten ankommt, sondern lediglich darauf, dass der Bezugsberechtigte die Prämien für den Versicherungsnehmer gezahlt hat.
3. Die Erbschaftsteuer errechnet sich danach wie folgt:
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