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BFH: Erschütterung des Anscheinsbeweises für eine private Fahrzeugnutzung

  1. Verkennt das Finanzgericht bei der Anwendung des Anscheinsbeweises für die Privatnutzung eines betrieblichen Fahrzeugs und der dagegen vorgebrach­ten Umstände den gesetzlichen Maßstab für seine Überzeugungsbildung oder das erforderliche Maß von Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 der Finanzgerichtsordnung) in grundlegender Weise, liegt darin ein revisionsrecht­lich beachtlicher Rechtsfehler (Bestätigung der Senatsurteile vom 15.01.2013 ‑ VIII R 22/10, BFHE 204, 195, BStBl II 2013, 526 = SIS 13 10 41, Rz 16 und vom 09.05.2017 ‑ VIII R 51/14, BFH/NV 2018, 5 = SIS 17 22 11, Rz 23).
  2. Bei der Prüfung, ob der für eine private Nutzung betrieblicher Fahrzeuge streitende Anscheinsbeweis erschüttert ist, müssen sämtliche Umstände be­rücksichtigt werden. Ein Fahrtenbuch darf nicht von vornherein mit der Be­gründung außer Betracht gelassen werden, es handele sich um ein nicht ord­nungsgemäßes Fahrtenbuch.

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4
FGO § 96 Abs. 1 Satz 1

BFH-Urteil vom 22.10.2024, VIII R 12/21 (veröffentlicht am 19.12.2024)

Vorinstanz: FG München vom 9.3.2021, 6 K 2915/17 = SIS 21 08 03

I. Streitig ist, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) in den Streitjahren (2011 bis 2013) zwei betriebliche Leasing-Fahrzeuge auch privat genutzt hat. Streitig ist des Weiteren, ob die als Betriebsausgaben angesetzten Aufwen­dungen für eines der beiden Fahrzeuge wegen Unangemessenheit zu kürzen sind.

Der Kläger ist … Er erzielte in den Streitjahren als Prüfsach­verständiger … Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 des im Streitzeitraum anzuwendenden Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑).

Am …2010 schloss der Kläger einen Leasingvertrag über einen BMW 740d X Drive (im Weiteren BMW) ab. Laut dem Leasingvertrag lag der Berechnung der Leasingraten ein Fahrzeuggrundpreis von 89.563,01 € netto zugrunde. Der Kläger machte die Leasingkosten sowie weitere Fahrzeugaufwendungen für den BMW in voller Höhe als Betriebsausgaben geltend.

Mit Vertrag vom …2012 leaste der Kläger zusätzlich einen Lamborghini Aventador (im Weiteren Lamborghini). Die Leasingdauer betrug 36 Monate und die monatliche Leasingrate 5.474,03 € netto. Dem Leasingvertrag lag ein Fahrzeuggrundpreis von 279.831,93 € netto zugrunde. Der Kläger übernahm das Fahrzeug im November 2012 und versah es mit einer Werbefolie mit dem Text "Prüfsachverständiger …". Die Aufwendungen für den Lamborghini machte der Kläger ebenfalls in voller Höhe als Betriebsausgaben geltend.

Für beide Fahrzeuge führte der Kläger jeweils handschriftlich Fahrtenbücher. Daraus ergeben sich die insgesamt gefahrenen Kilometer wie folgt:

BMW  
2011 28 483 km
2012 34 437 km
2013 29 062 km
   
Lamborghini  
2012    358 km
2013 8 882 km

In den Streitjahren hatte der Kläger außerdem zwei weitere Fahrzeuge im Pri­vat­vermögen, einen Ferrari 360 Modena Spider und einen Jeep Commander.

Seinen Gewinn ermittelte der Kläger im Wege der Einnahmen-Überschuss­rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Er erklärte in den Streitjahren folgende Um­sätze beziehungsweise Gewinne:

  2011 2012 2013
Umsatz … € … € … €
Betriebsausgaben   … € … € … €
Gewinn … € … € … €

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) führte für die Streit­jahre beim Kläger eine Betriebsprüfung durch. In Bezug auf die hier nur noch streitigen Aufwendungen für die Leasing-Fahrzeuge ging die Betriebsprüferin davon aus, dass die Leasingkosten für den Lamborghini nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG um 2/3 zu kürzen seien.

Das FA folgte den Feststellungen der Betriebsprüferin und erließ unter dem 25.01.2016 geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre. In die­sen minderte es die Betriebsausgaben für den Lamborghini (2012: um 4.622,52 € netto; 2013: um 43.792,24 € netto). Der Kläger legte gegen die Einkommensteuerbescheide fristgerecht Einspruch ein und erhob im November 2017 Untätigkeitsklage beim Finanzgericht (FG).

Im Dezember 2017 teilte das FA dem Kläger mit, es beabsichtige, die Ein­kommensteuer zum Nachteil des Klägers höher festzusetzen, weil bisher nicht berücksichtigte Entnahmen für die Privatnutzung des Lamborghini sowie des BMW anzusetzen seien. Die Fahrtenbücher für die Fahrzeuge seien nicht lesbar und deshalb nicht anzuerkennen. Der Kläger werde auf die Möglichkeit der Einspruchsrücknahme hingewiesen.

In der Einspruchsentscheidung vom 12.01.2018 änderte das FA die Einkom­mensteuerfestsetzung für die Streitjahre wie angekündigt zum Nachteil des Klägers. Es ging von einer Entnahme für die private Nutzung des Lamborghini aus, die grundsätzlich mit monatlich 1 % von 279.831,93 € netto ab November 2012 zu bewerten sei. Da dieser Betrag in beiden Streitjahren höher als 1/3 der tatsächlichen Aufwendungen für das Fahrzeug war, setzte das FA unter Ansatz der Kostendeckelung nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 18.11.2009 (BStBl I 2009, 1326, Tz. 18 ff.) die um 2/3 gekürz­ten tatsächlichen Kosten als Entnahme an (2012: 4.289 € netto; 2013: 32.835 € netto). Für den BMW setzte es eine Entnahme für die Privatnutzung in Höhe von monatlich 1 % von 89.563,01 € netto (= 10.740 € pro Jahr) an und wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Im finanzgerichtlichen Verfahren hat der Kläger unter anderem vorgetragen, aus den handschriftlichen Fahrtenbüchern und den von ihm nach den Fahrten­büchern angefertigten Transkripten ergebe sich, dass er den Lamborghini und den BMW nicht privat genutzt habe. Eine Entnahme sei auch deshalb nicht an­zusetzen, weil er über gleichwertige Fahrzeuge im Privatvermögen verfügt habe.

Das FG hat der Klage in Bezug auf im Revisionsverfahren nicht mehr streitige Punkte teilweise stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Urteil vom 09.03.2021 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2021, 1092 veröf­fentlicht.

Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung von Bundesrecht (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG) sowie Verfahrensfehler.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG München vom 09.03.2021 ‑ 6 K 2915/17 aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2013 vom 25.01.2016 in Gestalt der Ein­spruchsentscheidung vom 12.01.2018 dahingehend zu ändern, dass die Ein­künfte aus selbständiger Tätigkeit für 2011 um 12.373 €, für 2012 um 22.467 € sowie für 2013 um 99.996 € verringert werden.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Fi­nanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Soweit das FG die Erhöhung der Einnahmen des Klägers aus selbständiger Arbeit um Entnahmen für die private Nutzung des BMW und des Lamborghini als rechtmäßig beurteilt hat, hält die Beurtei­lung der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das FG hat der Prü­fung, ob der Kläger den für eine Privatnutzung der Fahrzeuge sprechenden Anscheinsbeweis erschüttert hat, ein unzutreffendes Beweismaß zugrunde ge­legt.

1. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die private Nutzung eines Fahr­zeugs, das zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird, für jeden Kalendermo­nat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zu­züglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzuset­zen. Die Vorschrift ist auch auf zu mehr als 50 % betrieblich genutzte Fahr­zeuge anzuwenden, die der Steuerpflichtige, ohne deren wirtschaftliches Ei­gentum erlangt zu haben, lediglich als Leasingnehmer nutzt (Urteil des Bun­desfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 12.03.2024 ‑ VIII R 1/21, BStBl II 2024, 633, Rz 17, m.w.N.). Das FG ist in der angefochtenen Entscheidung erkennbar da­von ausgegangen, dass es sich bei dem Lamborghini und dem BMW um Fahr­zeuge handelt, die ‑‑wie es § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG voraussetzt‑‑ zu mehr als 50 % betrieblich genutzt worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 20.11.2012 ‑ VIII R 31/09, BFH/NV 2013, 527, Rz 20). An diese Feststellun­gen ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Der betriebliche Nutzungsum­fang des BMW und des Lamborghini ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

2. Fehlt es mangels privater Nutzung des Fahrzeugs an einer Entnahme, ist die Bewertungsregel in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nicht anzuwenden. Das FG muss sich deshalb grundsätzlich die volle Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) davon bilden, dass eine private Nutzung tatsächlich stattgefunden hat (vgl. BFH-Urteile vom 04.12.2012 ‑ VIII R 42/09, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365, Rz 14, m.w.N.; vom 19.05.2009 ‑ VIII R 60/06, BFH/NV 2009, 1974, unter II.3.a, m.w.N.). Hierfür spricht zwar der Beweis des ersten An­scheins, dieser kann jedoch erschüttert werden.

a) Nach allgemeiner Lebenserfahrung werden dienstliche oder betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt. Soweit keine besonderen Umstände hinzutreten, kann das FG aufgrund der Anscheinsbeweisregel regelmäßig davon ausgehen, dass eine private Nutzung stattgefunden hat (vgl. BFH-Urteil vom 04.12.2012 ‑ VIII R 42/09, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365, Rz 15, m.w.N.).

b) Der Beweis des ersten Anscheins kann erschüttert werden. Hierzu ist der Vollbeweis des Gegenteils nicht erforderlich. Der Kläger muss nicht beweisen, dass eine private Nutzung der von der Anscheinsbeweisregel erfassten Fahr­zeuge nicht stattgefunden hat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass ein Sachverhalt dargelegt (und im Zweifelsfall nachgewiesen) wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung ent­sprechenden Geschehens ergibt (vgl. BFH-Urteil vom 04.12.2012 ‑ VIII R 42/09, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365, Rz 16, m.w.N.).

Der Beweis des ersten Anscheins für eine private Nutzung betrieblicher Fahr­zeuge wird im Regelfall noch nicht erschüttert, wenn lediglich behauptet wird, für privat veranlasste Fahrten hätten private Fahrzeuge zur Verfügung gestan­den (vgl. BFH-Urteil vom 04.12.2012 ‑ VIII R 42/09, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365, Rz 16; BFH-Beschluss vom 13.12.2011 ‑ VIII B 82/11, BFH/NV 2012, 573, m.w.N.). Er kann aber erschüttert sein, wenn für private Fahrten ein anderes Fahrzeug zur Verfügung steht, das dem betrieblichen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar ist (BFH-Urteile vom 06.08.2013 ‑ VIII R 33/11, BFH/NV 2014, 151, Rz 30; vom 04.12.2012 ‑ VIII R 42/09, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365). Entsprechendes gilt, wenn im Privatver­mögen und im betrieblichen Bereich jeweils mehrere Fahrzeuge zur Verfügung stehen. Dabei ist der für eine Privatnutzung sprechende Anscheinsbeweis um­so eher erschüttert, je geringer die Unterschiede zwischen den Fahrzeugen ausfallen. Denn bei einer Gleichwertigkeit der Fahrzeuge ist keine nachvoll­ziehbare Veranlassung ersichtlich, für Privatfahrten das Dienstfahrzeug zu nut­zen (BFH-Urteil vom 19.05.2009 ‑ VIII R 60/06, BFH/NV 2009, 1974, unter II.3.b).

c) Verkennt das FG den gesetzlichen Maßstab für seine Überzeugungsbildung oder das erforderliche Maß von Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO) in grundlegender Weise, liegt darin ein revisionsrechtlich beachtlicher Rechtsfehler (vgl. BFH-Urteile vom 15.01.2013 ‑ VIII R 22/10, BFHE 240, 195, BStBl II 2013, 526, Rz 16; vom 09.05.2017 ‑ VIII R 51/14, BFH/NV 2018, 5, Rz 23).

d) Über die Frage, ob der für eine Privatnutzung sprechende Beweis des ersten Anscheins erschüttert ist, entscheidet das FG unter Berücksichtigung sämtli­cher Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Dabei hat es nicht nur den vom Kläger vorgebrachten Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Unter Um­ständen muss das FG auch zusätzliche, für die Privatnutzung sprechende Um­stände aufklären und berücksichtigen. An die Würdigung des FG ist der BFH revisionsrechtlich gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO), soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verlet­zung von Erfahrungsgrundsätzen beeinflusst ist (vgl. BFH-Urteil vom 04.12.2012 ‑ VIII R 42/09, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365, Rz 17, m.w.N.).

3. Nach diesen Vorgaben hat das FG bei der Prüfung, ob der Kläger den für eine Privatnutzung des BMW und des Lamborghini sprechenden Beweis des ersten Anscheins erschüttert hat, bereits den gesetzlichen Maßstab für die Überzeugungsbildung verkannt. Sein Urteil kann schon deshalb keinen Be­stand haben. Außerdem tragen die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht seinen Schluss, dass die dem Kläger im Privatvermögen zur Verfügung ste­henden Fahrzeuge nicht geeignet waren, den Anscheinsbeweis für eine Privat­nutzung der betrieblichen Fahrzeuge zu erschüttern.

a) Das FG hat angenommen, der Kläger habe den für eine Privatnutzung des BMW und des Lamborghini sprechenden Anscheinsbeweis nicht erschüttert. Es hat dazu ausgeführt, der Kläger habe den Anscheinsbeweis nicht durch ord­nungsgemäße Fahrtenbücher entkräftet (dort unter II.2.d bb (1)). Die hand­schriftlichen Aufzeichnungen des Klägers erfüllten nicht die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG, da viele der Angaben nicht lesbar seien. Teilweise fehlten zudem Angaben zu den besuchten Personen, Firmen beziehungsweise Behörden und den Kilome­ter-Ständen. Die vom Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren vorgelegten Transkripte der handschriftlich geführten Fahrtenbücher in Form maschinen­schriftlicher Tabellen hat das FG ebenfalls nicht berücksichtigt, weil die Transkripte nachgeschrieben seien und die Anforderungen an ein zeitnah ge­führtes ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nicht erfüllten. Des Weiteren führt das FG unter II.2.d bb (2) der Vorentscheidung aus, der Kläger habe den An­scheinsbeweis auch nicht durch andere Tatsachen als die Fahrtenbücher ent­kräftet. Der Umstand, dass dem Kläger andere Luxusfahrzeuge im Privatver­mögen zur Verfügung gestanden hätten, widerlege den Anscheinsbeweis nicht. Es handele sich um andere Fahrzeugtypen mit unterschiedlichem Prestige und unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten. Sonstige wesentliche Umstände für eine ausschließlich private Nutzung seien nicht ersichtlich und im Übrigen nicht objektiv belegt.

b) Diese Würdigung des FG hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung in mehr­facher Hinsicht nicht stand. Das FG ist bereits rechtsfehlerhaft davon ausge­gangen, dass der Anscheinsbeweis nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrten­buch erschüttert werden könne. Damit hat das FG in revisionsrechtlich beacht­licher Weise das gesetzliche Beweismaß verkannt (aa). Des Weiteren fehlen Feststellungen des FG, die die Würdigung tragen können, dass die dem Kläger im Privatvermögen zur Verfügung stehenden Fahrzeuge nicht geeignet waren, den Anschein der Privatnutzung zu erschüttern (bb).

aa) Rechtsfehlerhaft hat das FG angenommen, der für eine Privatnutzung der betrieblichen Leasing-Fahrzeuge sprechende Anschein könne nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch erschüttert werden. Wird zur Erschütterung des Anscheinsbeweises vom Kläger (substantiiert) vorgetragen, die Fahrzeuge seien ausschließlich betrieblich genutzt worden, muss das FG den Sachverhalt grundsätzlich von Amts wegen aufklären und bei seiner Würdigung sämtliche Umstände berücksichtigen. Damit ist es nicht vereinbar, handschriftliche Auf­zeichnungen über die Nutzung der Fahrzeuge mit der Begründung von vornhe­rein unberücksichtigt zu lassen, sie erfüllten nicht die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG regelt nur die Bewer­tung der Entnahmen aus der Privatnutzung (vgl. auch BFH-Urteile vom 15.07.2020 ‑ III R 62/19, BFHE 271, 71, BStBl II 2022, 435, Rz 25, 30, 31; vom 20.11.2012 ‑ VIII R 31/09, BFH/NV 2013, 527, Rz 13), beschränkt jedoch nicht die beweisrechtlichen Möglichkeiten zur Erschütterung des Anscheinsbe­weises für die private Nutzung betrieblicher Fahrzeuge.

Es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass die Fahrtenbücher und die daraus angefertigten Transkripte geeignet sind, den Vortrag des Klägers, wo­nach er den BMW und den Lamborghini nicht privat genutzt habe, so ausrei­chend zu substantiieren, dass sich ein Sachverhalt ergibt, der geeignet ist, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Das FG hätte deshalb dem Vortrag des Klä­gers, dass sich das Fahrtenbuch und das Transkript inhaltlich decken und sich aus den Eintragungen ergebe, dass es keine Privatfahrten gegeben habe, nachgehen müssen. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei den Tran­skripten nach den Einlassungen des Klägers um die maschinenschriftliche Nach­schrift der Fahrtenbücher handelt, die nach den ‑‑insoweit nicht mit Verfah­rensrügen angegriffenen‑‑ Feststellungen des FG teilweise nicht lesbar sind. Ob ein handschriftlich geführtes Fahrtenbuch im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG dann zu verwerfen ist, wenn dessen Aufzeichnungen (teilweise) nicht lesbar sind (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 14.03.2012 ‑ VIII B 120/11, BFH/NV 2012, 949, Rz 7), ist nicht streiterheblich, solange es um die vorran­gig zu klärende Frage geht, ob eine Privatnutzung überhaupt stattgefunden hat.

bb) Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen darüber hinaus nicht seine Würdigung, dass die Fahrzeuge im Privatvermögen des Klägers nicht geeignet waren, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Die Behauptung des FG, es han­dele sich (im Vergleich zu den betrieblichen Fahrzeugen) um Fahrzeuge mit anderem Prestige und anderen Nutzungsmöglichkeiten, ist nicht durch Tatsa­chen unterlegt. Maßgeblich sind die in der Rechtsprechung für eine solche Prü­fung herausgearbeiteten Vergleichskriterien wie Motorleistung, Hubraum, Höchstgeschwindigkeit, Ausstattung, Fahrleistung, Prestige (vgl. BFH-Urteil vom 04.12.2012 ‑ VIII R 42/09, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365, Rz 19 ff.; Niedersächsisches FG, Urteil vom 19.02.2020 ‑ 9 K 104/19, EFG 2020, 930, Rz 30 ff.). Damit hat sich das FG im angefochtenen Urteil nicht auseinander­gesetzt.

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann mangels tatsächlicher Fest­stellungen des FG nicht selbst feststellen, ob der Kläger den Anscheinsbeweis für eine private Nutzung des BMW und des Lamborghini erschüttert hat. Die tatsächliche Würdigung obliegt nach entsprechender ergänzender Sachver­haltsaufklärung dem FG. Die Sache ist deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

5. Zur Straffung des weiteren Verfahrens weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Hinsichtlich der Unangemessenheit der Fahrzeugaufwendungen für den Lamborghini hat das FG seiner Entscheidung grundsätzlich den zutreffenden Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt (s. BFH-Urteile vom 29.04.2014 ‑ VIII R 20/12, BFHE 245, 338, BStBl II 2014, 679, Rz 25 bis 30 sowie vom 08.10.1987 ‑ IV R 5/85, BFHE 150, 558, BStBl II 1987, 853, Rz 16).

b) Maßgeblich für die Prüfung der Unangemessenheit der Aufwendungen sind die Größe des Unternehmens, die Höhe des längerfristigen Umsatzes und des Gewinns, die Bedeutung des Repräsentationsaufwands für den Geschäftserfolg nach der Art der ausgeübten Tätigkeit und seine Üblichkeit in vergleichbaren Betrieben. Es kann auch entscheidungserheblich sein, ob es einen objektiven Grund für den angeblichen Mehraufwand gibt. Schließlich ist auch zu beachten, wie weit die private Lebenssphäre des Steuerpflichtigen berührt wird (BFH-Urteil vom 29.04.2014 ‑ VIII R 20/12, BFH/NV 2014, 1439, Rz 28 f.).

c) Bei der erneuten Angemessenheitsprüfung wird das FG die genannten Krite­rien zu berücksichtigen haben. Auf Grundlage der bisherigen Feststellungen geht auch der Senat davon aus, dass sich die Unangemessenheit nicht schon aus der Kosten-Nutzen-Relation des Repräsentationsaufwands für den Lamborghini (Größe des Unternehmens und Höhe des längerfristigen Umsatzes bezie­hungsweise Gewinns des Klägers) ergibt. Das FG wird angesichts dessen näher zu begründen haben, warum die Berührung der privaten Lebensführung über­wiegend im Vordergrund stehen und diesen Umstand aufwiegen kann, wenn es weiterhin die Aufwendungen für unangemessen hält. Zudem wird es hinsicht­lich der verneinten objektiven Eignung des Fahrzeugs für den Betriebserfolg in die Betrachtung auch einzubeziehen haben, dass der Kläger den mit einer Werbefolie versehenen Lamborghini nach seinem Vortrag (den der Kläger ge­gebenenfalls nachzuweisen hätte) gezielt für den Besuch bestimmter Kunden­kreise eingesetzt hat.

6. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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