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BFH: Ertragsteuerrechtliche Abziehbarkeit von Vermögensabschöpfungen

Geldauflagen nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 der Strafprozessordnung (StPO) sind gemäß § 12 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes vom Abzug ausge­schlossen. Für Wiedergutmachungsauflagen nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO sowie für die Einziehung von Taterträgen nach § 73 des Strafgesetzbuchs in der ab dem 01.07.2017 geltenden Fassung gilt das Abzugsverbot hingegen nicht.

EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4, § 12 Nr. 4
StGB § 73, § 76a Abs. 3
StPO § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2

BFH-Urteil vom 29.1.2025, X R 6/23 (veröffentlicht am 17.4.2025)

Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 29.6.2022, 3 K 59/22 = SIS 23 15 67

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2018 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Der Kläger erzielte Ein­künfte aus Gewerbebetrieb aus zwei eigenständigen Betrieben.

In den Jahren 2016 und 2017 wurden gegen den Kläger drei Anklagen wegen Steuerhinterziehung unter anderem bei seinen gewerblichen Einkünften sowie wegen des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt (§ 266a des Strafgesetzbuchs ‑‑StGB‑‑) erhoben. Das Landgericht (LG) verband die drei Verfahren.

Am 30.07.2018 richtete der Vorsitzende der zuständigen Strafkammer (R) ei­nen rechtlichen Hinweis an die Beteiligten des Strafverfahrens. Darin heißt es im Hinblick auf den Kläger: "Vor diesem Hintergrund regt die Kammer an, das Verfahren gegen den Angeklagten … insgesamt nach § 153a StPO für die Dau­er von sechs Monaten vorläufig einzustellen. Ihm soll die Auflage erteilt wer­den, binnen dieser Frist einen Geldbetrag von 25.000 € an die Staatskasse zu zahlen. Die Zahlung soll im Hinblick auf die Anklage vom 21.1.2016 vermö­gensabschöpfenden Charakter haben."

Nach Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Klägers stellte die Straf­kammer mit Beschluss vom 03.08.2018 in der Besetzung mit drei Richtern ‑‑wobei R durch einen anderen Richter vertreten wurde‑‑ das Strafverfahren gemäß § 153a Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) gegen eine zugunsten der Staatskasse zu leistende Geldauflage (§ 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO) von 25.000 € vorläufig ein. Im Einstellungsbeschluss heißt es unter anderem: "Die Zahlung dient dabei im Hinblick auf den mit der Anklage vom 21. Januar 2016 unter dem Aktenzeichen … erhobenen Vorwurf der Steuerhinterziehung zugleich der Abschöpfung etwaig erlangter rechtswidriger Vermögensvorteile." Eine Aufgliederung des genannten Betrags in eine Geldauflage einerseits und eine Vermögensabschöpfung andererseits findet sich im Einstellungsbeschluss ebenso wenig wie die Angabe von Rechtsgrundlagen zur Vermögensabschöp­fung. Der Kläger zahlte den genannten Betrag noch im Streitjahr 2018.

In ihrer Einkommensteuererklärung für 2018 erklärten die Klä­ger die auf die Geldauflage geleistete Zahlung von 25.000 € als nachträgliche Betriebsausgabe des Klägers zu den gewerblichen Einkünften. Im angefochte­nen Einkommensteuerbescheid 2018 versagte der Beklagte und Revisionsbe­klagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) den Abzug; auch der Einspruch wurde zurückgewie­sen.

Mit der Klage begehrten die Kläger zuletzt den Ansatz von Betriebsausgaben in Höhe von 23.081 €, da die Auflage in diesem Umfang vermögensabschöpfenden Charak­ter habe. Lediglich ein Teilbetrag von 1.919 € sei wegen Steuerhinterziehung nicht abziehbar. Die Klage hatte insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) im Schätzungswege einen Teilbetrag von 3.000 € zum Betriebsausgabenabzug zuließ. Im Übrigen wies es die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2023, 1629).

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil, soweit darin die Klage abgewiesen wurde, und die Teil-Einspruchsentscheidung vom 15.03.2022 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 19.08.2021 dahingehend zu än­dern, dass ein Betrag von weiteren 20.081 € als nachträgliche Betriebs­ausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb abgezogen wird.

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Es ist der Auffassung, der Bundesfinanzhof (BFH) sei als Revisionsgericht an die vom FG vorgenommene Schätzung gebunden.

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsord­nung (FGO) zurückzuweisen.

Zwar hat das FG zutreffend erkannt, dass Geldauflagen nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 StPO gemäß § 12 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einkommensteuerrechtlich nicht abziehbar sind, für Vermögensabschöpfungen aber ‑‑insoweit ist das FG-Urteil nur im Ergebnis zutreffend‑‑ kein Abzugsverbot besteht (unten 1.). In rechtsfehlerhafter Weise hat die Vorin­stanz jedoch den Beschluss des LG über die vorläufige Einstellung des Straf­verfahrens dahingehend ausgelegt, dass damit auch eine Vermögensabschöp­fung festgesetzt worden sei (unten 2.). Danach ist ein Abzug der vom Kläger an die Staatskasse gezahlten Geldauflage vollständig ausgeschlossen; weil je­doch nur die Kläger Revision eingelegt haben und eine Verböserung der erstin­stanzlichen Entscheidung zu Lasten des revidierenden Beteiligten ausgeschlos­sen ist, sofern nicht auch der andere Beteiligte Revision einlegt, verbleibt es bei dem vom FG zuerkannten Betriebsausgabenabzug von 3.000 € (unten 3.).

1. Zahlungen im Strafverfahren sind ertragsteuerrechtlich nicht abziehbar, wenn sie Sanktionscharakter haben.

a) Nach § 12 Nr. 4 EStG in der im Streitjahr 2018 geltenden und insoweit un­verändert gebliebenen Fassung dürfen in einem Strafverfahren festgesetzte Geldstrafen, sonstige Rechtsfolgen vermögensrechtlicher Art, bei denen der Strafcharakter überwiegt, und Leistungen zur Erfüllung von Auflagen oder Weisungen, soweit die Auflagen oder Weisungen nicht lediglich der Wieder­gutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Das Abzugsverbot erstreckt sich nach dem Wortlaut der Regelung so­wie der durch den Begriff "soweit" eingeleiteten Rückausnahme nicht auf allein vermö­gensabschöpfende Maßnahmen.

Der Senat merkt klarstellend an, dass sich das FG zu Unrecht auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG gestützt hat. Diese Regelung gilt ‑‑wie schon aus ih­rem Wortlaut klar hervorgeht‑‑ nur für einen in Geldbußen enthaltenen Ab­schöpfungsteil. Der Beschluss des LG ist jedoch in einem Strafverfahren er­gangen, so dass allein § 12 Nr. 4 EStG anzuwenden ist (ebenso Lutter, EFG 2023, 1632, 1633).

b) Geldauflagen nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO, gegebenenfalls i.V.m. § 153a Abs. 2 StPO, sind danach nicht abziehbar. Sie haben Sanktionscharak­ter.

aa) Nach § 153a Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 StPO kann die Staatsanwaltschaft unter dort näher bestimmten Voraussetzungen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten unter anderem die Auflage erteilen, einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrich­tung oder der Staatskasse zu zahlen. Nach § 153a Abs. 2 StPO kann, wenn die Klage bereits erhoben ist, das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten durch nicht anfechtbaren Beschluss das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten unter anderem die in § 153a Abs. 1 Satz 1, 2 StPO bezeichneten Auflagen erteilen.

bb) Bei einer Zahlung infolge einer Geldauflage nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO (gegebenenfalls i.V.m. § 153a Abs. 2 StPO) handelt es sich nach Auffassung des Gesetzgebers (Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom 13.04.1984, BTDrucks 10/1314, S. 6) und der ständigen höchstrichterli­chen Rechtsprechung um eine vom Wortlaut des § 12 Nr. 4 EStG erfasste Leis­tung zur Erfüllung einer Auflage, die nicht lediglich der Wiedergutmachung dient (BFH-Urteile vom 14.04.1986 ‑ IV R 260/84, BFHE 146, 411, BStBl II 1986, 518, unter 1.; vom 22.07.1986 ‑ VIII R 93/85, BFHE 147, 346, BStBl II 1986, 845, unter 1.d; vom 22.07.2008 ‑ VI R 47/06, BFHE 222, 448, BStBl II 2009, 151, unter II.2.b und vom 16.09.2014 ‑ VIII R 21/11, BFH/NV 2015, 191, Rz 20).

c) Demgegenüber sind Auflagen zur Wiedergutmachung des durch die Tat ver­ursachten Schadens nicht von § 12 Nr. 4 EStG erfasst. Das betrifft etwa Be­währungsauflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB, aber auch Auflagen nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO, gegebenenfalls i.V.m. § 153a Abs. 2 StPO (BFH-Urteil vom 15.01.2009 ‑ VI R 37/06, BFHE 224, 140, BStBl II 2010, 111, unter II.2.b; ebenso FG Münster, Urteil vom 18.12.2023 ‑ 4 K 1382/20, EFG 2024, 774, Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss vom 11.09.2024 ‑ IV B 5/24 als unbegründet zurückgewiesen, nicht dokumentiert).

d) Wegen ihres vermögensabschöpfenden Charakters sind Zahlungen aufgrund von Verfallsanordnungen nach §§ 73 bis 73e StGB in der bis zum 30.06.2017 geltenden Fassung (a.F.) und Einziehungsanordnungen nach §§ 73 bis 73e StGB in den seit dem 01.07.2017 geltenden Fassungen ebenfalls von § 12 Abs. 4 EStG nicht erfasst.

aa) §§ 73 bis 73e StGB a.F. regelten den Verfall und den erweiterten Verfall. War eine rechtswidrige Tat begangen worden und hatte der Täter oder Teil­nehmer für die Tat oder aus ihr etwas erlangt, so ordnete das Gericht nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB a.F. dessen Verfall an.

An die Stelle des Verfalls sind mit §§ 73 bis 73e StGB in den seit dem 01.07.2017 geltenden Fassungen die Einziehung und die erweiterte Einziehung von Taterträgen getreten. Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechts­widrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht nach § 73 Abs. 1 StGB dessen Einziehung an.

bb) Für den Verfall und den erweiterten Verfall nach §§ 73 bis 73e StGB a.F. gingen sowohl der Gesetzgeber ‑‑für den Regelfall‑‑ (Entwurf der Bundesregie­rung für ein Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Kör­perschaftsteuergesetzes vom 13.04.1984, BTDrucks 10/1314, S. 6) als auch die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung ‑‑stets‑‑ davon aus, dass diese Rechtsfolgen der Tat keinen Strafcharakter hatten (ausführlich Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14.01.2004 ‑ 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, unter C.I.1.b sowie Urteile des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 21.08.2002 ‑ 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, unter II.2.a und vom 16.05.2006 ‑ 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, unter II.2.a). Dementsprechend war das in § 12 Nr. 4 EStG angeordnete Abzugsverbot auf den Verfall nicht anwendbar (Se­natsurteil vom 14.05.2014 ‑ X R 23/12, BFHE 245, 536, BStBl II 2014, 684, Rz 65).

cc) Dies gilt auch für die Einziehung nach §§ 73 bis 73e StGB in den seit dem 01.07.2017 anzuwendenden Fassungen (ebenso jedenfalls im Ergebnis Fissenewert in Herrmann/Heuer/Raupach, § 12 EStG Rz 153). Zwar sind diese Normen zum 01.07.2017 systematisch neu geordnet worden. Der Wortlaut der grundlegenden Regelung über die Einziehung (§ 73 Abs. 1 StGB) unterscheidet sich aber nicht erheblich vom Wortlaut der grundlegenden Regelung über den Verfall (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB a.F.). Vor allem aber ist der Normzweck un­verändert geblieben (vgl. Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Re­form der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 12.08.2016, BRDrucks 418/16, S. 66).

2. Rechtsfehlerhaft hat das FG den Einstellungsbeschluss vom 03.08.2018 da­hin ausgelegt, dass damit auch eine Vermögensabschöpfung festgesetzt wor­den sei.

a) Ob eine Zahlung Sanktionscharakter hat oder anderen Zwecken dient, hängt von dem Inhalt der zugrundeliegenden behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung ab.

aa) Für die Auslegung dieser Entscheidungen kommt es nicht auf subjektive Vorstellungen der mit dem Strafverfahren befassten Personen, sondern auf ih­ren Inhalt und die objektiven Gegebenheiten an (vgl. BFH-Entscheidungen vom 28.01.2005 ‑ VIII B 117/03, BFH/NV 2005, 1110, unter 4. und vom 22.07.2008 ‑ VI R 47/06, BFHE 222, 448, BStBl II 2009, 151, unter II.2.b).

bb) Im Streitfall kann der Senat offenlassen, ob das Revisionsgericht Be­schlüsse anderer Gerichte ‑‑ebenso wie Verwaltungsakte (dazu BFH-Urteile vom 25.07.2019 ‑ IV R 47/16, BFHE 265, 273, BStBl II 2020, 142, Rz 36 und vom 26.08.2021 ‑ V R 11/20, BFHE 273, 415, BStBl II 2022, 202, Rz 36)‑‑ ohne Bindung an die Auslegung des FG in eigener Zuständigkeit auslegen kann oder ob die Auslegung derartiger Beschlüsse von der grundsätzlichen Bin­dungswirkung des § 118 Abs. 2 FGO erfasst wird. Denn auch eine solche Bin­dungswirkung entfällt, wenn das Tatsachengericht die für die Auslegung erfor­derlichen Begleitumstände nicht erforscht hat (vgl. BFH-Urteile vom 09.10.2013 ‑ I R 15/12, BFH/NV 2014, 907, Rz 14 und vom 14.02.2019 ‑ V R 22/17, BFHE 264, 83, BStBl II 2019, 350, Rz 27). Dies ist hier der Fall, so dass der BFH die notwendige Auslegung selbst vornehmen kann, wenn weitere tatsächliche Feststellungen nicht in Betracht kommen (vgl. Senatsurteil vom 14.01.2004 ‑ X R 37/02, BFHE 205, 96, BStBl II 2004, 493, unter II.4., m.w.N.).

b) Vorliegend hat das FG die Erforschung des Inhalts des Einstellungsbe­schlusses des LG und der objektiven Gegebenheiten in rechtsfehlerhafter Wei­se unterlassen. Der Senat kann den Beschluss selbst auslegen, da alle hierfür erforderlichen Tatsachen festgestellt sind. Es handelt sich um eine Einstellung unter Auflage nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 StPO (dazu aa), nicht aber um eine Einstellung nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 2 StPO (dazu bb) oder um eine Einziehung nach § 73 StGB (dazu cc), und schließlich kann die Einstellung auch nicht in einen abziehbaren bezifferbaren Teil nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 2 StPO und einen nicht abziehbaren bezifferbaren Teil nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 StPO aufgespalten werden (dazu dd).

aa) Das FG hat im Ausgangspunkt zu Recht den Beschluss des LG vom 03.08.2018 über die vorläufige Einstellung des unter anderem gegen den Klä­ger geführten Strafverfahrens dahingehend ausgelegt, dass damit eine Geld­auflage nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 StPO erteilt worden ist. Die einzige darin erwähnte gesetzliche Grundlage ist "§ 153a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StPO".

bb) Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass der Beschluss nicht in dem Sinne verstanden werden kann, die Einstellung beruhe auf § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 2 StPO, zumal er auch inhaltlich keine Elemente enthält, die auf eine Einstellung nach dieser Vorschrift hindeuten.

cc) Die Vorstellung des Klägers und des FG, der Beschluss sei zumindest zu einem gewissen Teil eine Einziehungsentscheidung nach § 73 StGB, ist aus denselben Gründen und auch deshalb nicht zutreffend, weil eine solche Ent­scheidung in der gegebenen Prozesssituation aus Rechtsgründen nicht ergehen konnte.

(1) § 73 StGB als Rechtsgrundlage für eine Einziehungsentscheidung wird im Beschluss des LG schon nicht erwähnt. Auch der Rechtsbegriff "Einziehung" wird nicht verwen­det. Ferner wird nicht unter das zentrale Tatbestandsmerkmal des § 73 StGB ("etwas erlangt") subsumiert; vielmehr ist nur von "etwaig erlangten" Vermö­gensvorteilen die Rede. Dies alles ist viel zu unklar gehalten, um annehmen zu können, damit habe das LG eine Einziehung nach § 73 StGB angeordnet.

(2) Vor allem aber hat das FG den objektiven Umstand übersehen, dass nach dem Wortlaut des § 73 Abs. 1 StGB (a.F. und aktueller Fassung), der eine "rechtswidrige Tat" voraussetzt(e), eine auf diese Vorschrift gestützte Einzie­hungsentscheidung eine von der Anklage umfasste und vom Tatrichter festge­stellte Tat erfordert (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung; vgl. zu § 73 StGB in der bis zum 30.06.2017 geltenden Fassung BGH-Entscheidungen vom 28.03.1979 ‑ 2 StR 700/78, BGHSt 28, 369; vom 07.01.2003 ‑ 3 StR 421/02, Neue Zeitschrift für Strafrecht ‑‑NStZ‑‑ 2003, 422, unter 2.d aa; vom 04.06.2003 ‑ 5 StR 30/03, NStZ 2004, 400, unter 2.b, und vom 06.06.2018 ‑ 4 StR 569/17, Neue Juristische Wochenschrift 2018, 3325, Rz 18; ebenso zum ‑‑insoweit gleichlautenden‑‑ § 73 StGB in der seit dem 01.07.2017 geltenden Fassung BGH-Beschluss vom 08.11.2018 ‑ 4 StR 297/18, NStZ 2019, 271, Rz 8).

Insbesondere bei einer Einstellung des Strafverfahrens ist die Verhängung von Rechtsfolgen nach § 73 StGB daher nicht zulässig (für Einstellungen nach § 154 Abs. 2 StPO BGH-Beschlüsse vom 07.01.2003 ‑ 3 StR 421/02, NStZ 2003, 422, unter 2.d bb; vom 01.08.2018 ‑ 1 StR 326/18, Zeitschrift für Wirt­schafts- und Steuerstrafrecht ‑‑wistra‑‑ 2019, 97, Rz 7 und vom 08.11.2018 ‑ 4 StR 297/18, NStZ 2019, 271, Rz 8, 11). Denn in Einstellungsfällen unter­bleibt die gerichtliche Feststellung einer rechtswidrigen Tat gerade. Hierfür kommt es ‑‑entgegen der Auffassung der Kläger‑‑ nicht darauf an, ob es sich um die vorläufige oder die endgültige Einstellung des Strafverfahrens handelt.

Dementsprechend ist im Einstellungsbeschluss des LG vom 03.08.2018 auch nicht von der Verwirklichung einer rechtswidrigen Tat der Steuerhinterziehung die Rede, sondern lediglich von einem "erhobenen Vorwurf der Steuerhinter­ziehung".

(3) Zwar sieht die ‑‑vom FG nicht erwähnte‑‑ Vorschrift des § 76a Abs. 3 StGB die Möglichkeit vor, eine Einziehung auch dann anzuordnen, wenn das Verfah­ren nach einer Vorschrift eingestellt wird, die dies ‑‑wie es bei § 153a StPO der Fall ist‑‑ nach dem Ermessen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts oder im Einvernehmen beider zulässt. Dabei handelt es sich aber um ein selb­ständiges Verfahren, welches voraussetzt, dass die Staatsanwaltschaft ihren auf eine selbständige Einziehung gerichteten Willen durch einen entsprechen­den Antrag nach § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO kundtut (zum Ganzen BGH-Ent­scheidungen vom 21.06.1990 ‑ 1 StR 477/89, BGHSt 37, 55, unter V., und vom 08.11.2018 ‑ 4 StR 297/18, NStZ 2019, 271, Rz 11, m.w.N.). In einem solchen Antrag muss angegeben werden, welche Tatsachen die Zulässigkeit der selbständigen Einziehung begründen (BGH-Beschluss vom 12.12.2017 ‑ 3 StR 558/17, NStZ 2018, 559). Es würde daher noch nicht einmal genügen, wenn in der ursprünglichen Anklageschrift auf die Einziehung hingewiesen worden wäre (Gaede in Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2022, § 435 Rz 60), was vorliegend indes ohnehin nicht der Fall war. Dafür, dass die Staatsanwalt­schaft im Streitfall einen Antrag nach § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO gestellt haben und das LG nach § 76a Abs. 3 StGB verfahren sein könnte, lässt sich weder den Feststellungen des FG noch dem Akteninhalt oder dem Vorbringen der Be­teiligten irgendein Anhaltspunkt entnehmen.

(4) Nichts Gegenteiliges kann aus den BGH-Entscheidungen vom 25.03.2021 ‑ 1 StR 28/21 (wistra 2021, 395) und vom 08.03.2022 ‑ 1 StR 360/21 (wistra 2022, 338) hergeleitet werden, auf die sich die Kläger berufen. Darin geht es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Einziehung zulässig ist, wann nämlich eine verkürzte Steuer ein "erlangtes Etwas" ist. Der BGH hat in diesen Entscheidungen betont, dass sich der abzuschöpfende Vermögensvor­teil tatsächlich "messbar" im Vermögen des Tatbeteiligten niederschlagen muss. Dass im Streitfall der Beschluss des LG vom 03.08.2018 nicht als Ein­ziehungsanordnung zu qualifizieren ist, steht jedoch in keinem Zusammen­hang mit diesen Überlegungen, sondern hat prozessrechtliche Gründe. Ob in einer anderen strafprozessualen Verfahrenskonstellation eine Einziehung hätte stattfinden können, ist unerheblich.

dd) Schließlich ist es auch nicht möglich, den Beschluss dahin zu verstehen, dass er sich aus einem bezifferbaren, wenn auch gegebenenfalls zu schätzen­den, Anteil nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 2 StPO und einem weiteren Anteil nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 StPO zusammensetzt.

(1) Zwar könnte grundsätzlich ein einheitlicher Beschluss verschiedene Arten von Auflagen oder Weisungen kombinieren. Dies muss der Beschluss jedoch erkennen lassen, woran es im Streitfall aus allen vorbezeichneten Gründen fehlt.

(2) Aus Nr. 93 Abs. 1 der ‑‑die Gerichte als bloße Verwaltungsanweisung ohnehin nicht bindenden‑‑ Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) folgt nichts anderes. Diese Regelung lautet:

"Bei einer Einstellung nach § 153a StPO prüft der Staatsanwalt, ob eine Wiedergutmachungsauflage (§ 153a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 StPO) in Be­tracht kommt. Dabei achtet der Staatsanwalt auch darauf, dass die Auflagen einen durch die Straftat erlangten Vermögensvorteil abschöpfen. Im Übrigen sollen unredlich erzielte Vermögensvorteile bei der Festsetzung einer Geldauf­lage nach § 153a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 StPO berücksichtigt werden. In geeigneten Fällen können Auflagen miteinander kombiniert werden."

Dabei befassen sich Satz 1 und 2 der Nr. 93 Abs. 1 RiStBV mit Wiedergutma­chungsauflagen nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO, für die kein ertragsteu­errechtliches Abzugsverbot gilt (vgl. oben 1.c).

Zwar sieht Nr. 93 Abs. 1 Satz 3 RiStBV vor, dass bei der Festsetzung einer Geldauflage nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO unredlich erzielte Vermö­gensvorteile "berücksichtigt" werden sollen. Demgegenüber lässt § 12 Nr. 4 EStG den Abzug von Leistungen zur Erfüllung von Auflagen und Weisungen nur zu, soweit diese "lediglich" der Wiedergutmachung des durch die Tat ver­ursachten Schadens dienen. Eine bloße "Berücksichtigung" von Vermögensvor­teilen bei der Bemessung einer Geldauflage führt aber nicht zu der Wertung, dass die Auflage dann "lediglich" der Wiedergutmachung dient. Dies gilt umso mehr, als Nr. 93 Abs. 1 Satz 4 RiStBV für entsprechend geeignete Fälle aus­drücklich eine Kombination aus einer ‑‑ertragsteuerrechtlich abziehbaren‑‑ Wiedergutmachungsauflage nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO und einer ‑‑ertragsteuerrechtlich nicht abziehbaren‑‑ Geldauflage nach § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO vorsieht.

3. Danach stellt sich das angefochtene Urteil insoweit als rechtsfehlerhaft dar, als das FG einen Teilbetrag der Geldauflage von 3.000 € zum Betriebsausga­benabzug zugelassen hat. Das Urteil ist gleichwohl nicht aufzuheben, sondern die Revision der Kläger zurückzuweisen, da nur diese Revision eingelegt ha­ben, während das FA die erstinstanzliche Entscheidung akzeptiert hat. In ei­nem solchen Fall ist eine Verböserung der erstinstanzlichen Entscheidung zu Lasten des revidierenden Beteiligten ausgeschlossen (BFH-Urteil vom 05.06.2008 ‑ IV R 73/05, BFHE 222, 277, BStBl II 2008, 965, unter II.2.).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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