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BFH: Kein Werbungskostenabzug bei Umzug des Steuerpflichtigen wegen Einrichtung eines Arbeitszimmers

Aufwendungen des Steuerpflichtigen für einen Umzug in eine andere Woh­nung, um dort (erstmals) ein Arbeitszimmer einzurichten, sind nicht als Wer­bungskosten abzugsfähig.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 12 Nr. 1 Satz 2

BFH-Urteil vom 5.2.2025, VI R 3/23 (veröffentlicht am 17.4.2025)

Vorinstanz: FG Hamburg vom 23.2.2023, 5 K 190/22 = SIS 23 07 87

I. Die verheirateten Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) lebten zu Beginn des Streitjahres (2020) gemeinsam mit ihrer Tochter (geboren 2015) in einer 3‑Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von circa 65 m² in Hamburg.

Der Kläger war als Teil-Projektleiter für ein Unternehmen in Hamburg nicht­selbständig tätig. Bis Mitte März des Streitjahres arbeitete er nur in Ausnah­mefällen zu Hause. Zu Beginn der Corona-Maßnahmen im März des Streitjah­res schloss das Büro seines Arbeitgebers. Der Kläger musste seine Arbeitsma­terialien abholen und arbeitete ab diesem Zeitpunkt ausschließlich zu Hause. Zum 30. Juni des Streitjahres wechselte er den Arbeitgeber und arbeitete seit­her an vier Tagen der Woche zu Hause sowie einmal wöchentlich in den eben­falls in Hamburg belegenen Räumen seines neuen Arbeitsgebers.

Die Klägerin war im Streitjahr als Sachbearbeiterin in Teilzeit tätig. Zudem fer­tigte sie ihre Masterarbeit an. Zunächst arbeitete sie ausschließlich im Büro ihres Arbeitgebers. Ab Mitte März des Streitjahres arbeitete sie an vier Tagen der Woche im Homeoffice und an einem Tag im Büro. Das Arbeiten im Home­office war nicht zwingend, wurde aufgrund der Corona-Pandemie jedoch drin­gend empfohlen.

Über separate Arbeitszimmer verfügten die Kläger in ihrer 3‑Zimmer-Wohnung nicht. Sie arbeiteten im Wesentlichen im Wohn‑/Esszimmer und nutzten den dort belegenen Esstisch (abwechselnd) als Schreibtisch.

Aufgrund dieser von den Klägern als unbefriedigend empfundenen Wohn‑/Ar­beitssituation (beispielsweise war die Nutzung zweier großer Bildschirme am Esstisch nicht möglich) suchten sie ab April des Streitjahres nach einer größe­ren Wohnung. Im Mai des Streitjahres mieteten die Kläger eine circa 110 m² große, ebenfalls in Hamburg belegene 5‑Zimmer-Wohnung, in die sie im Juli des Streitjahres einzogen. Zwei Zimmer der neuen Wohnung statteten sie bü­romäßig aus und nutzten diese ‑‑so die Feststellungen des Finanzgerichts (FG) für das Streitjahr‑‑ als häusliche Arbeitszimmer.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger un­ter anderem Umzugskosten in Höhe von 4.218 € als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend, die der Beklagte und Revisi­onskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) bei der Einkommensteuerfestsetzung nicht be­rücksichtigte. Im Rahmen des anschließenden Einspruchsverfahrens änderte das FA den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr aus hier nicht streiti­gen Gründen und setzte unter anderem weitere Werbungskosten bei den Ein­künften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 1.782 € für den Kläger und in Höhe von 3.391 € für die Klägerin an, darunter jeweils auch Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer. Im Hinblick auf die geltend gemachten Umzugskos­ten wies es den Einspruch als unbegründet zurück.

Der daraufhin erhobenen Klage gab das FG statt. Bei den streitigen Umzugs­kosten handele es sich um Werbungskosten im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Umzug sei beruflich veranlasst, da er zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen der Kläger ge­führt habe. Denn in der neuen Wohnung verfüge jeder Ehegatte über ein eige­nes Arbeitszimmer und könne deshalb zu Hause seiner beruflichen Tätigkeit ungestört nachgehen.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt,
das Urteil des FG Hamburg vom 23.02.2023 ‑ 5 K 190/22 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochte­nen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Fi­nanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat die von den Klägern geltend ge­machten Umzugskosten rechtsfehlerhaft als Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG anerkannt.

1. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhal­tung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegen Werbungskosten vor, wenn zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen ein Veranlassungszusam­menhang besteht. Davon ist auszugehen, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen be­stimmt sind, das heißt, wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit stehen. Maßgeblich dafür, ob ein sol­cher Zusammenhang besteht, ist zum einen die ‑‑wertende‑‑ Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen "auslösenden Moments", zum anderen dessen Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre (z.B. Se­natsbeschluss vom 10.01.2024 ‑ VI R 16/21, BStBl II 2024, 442, Rz 13, m.w.N.).

Zu den Werbungskosten können auch Aufwendungen für einen Umzug gehö­ren. Zwar ist das Bewohnen einer Wohnung dem privaten Lebensbereich zuzu­rechnen, so dass die Kosten für einen Wechsel der Wohnung grundsätzlich als steuerlich nicht abziehbare Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG) und nicht als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG anzusehen sind. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen den entscheidenden Grund für den Wohnungswechsel darstellt und private Umstände hierfür eine allenfalls ganz untergeordnete Rolle spielen. Das Gebot der Rechtssicherheit verlangt zudem, dass sich dies anhand objektiver Um­stände, die typischerweise auf eine berufliche Veranlassung des Umzugs schließen lassen, feststellen lässt (vgl. Senatsurteile vom 16.10.1992 ‑ VI R 132/88, BFHE 170, 484, BStBl II 1993, 610; vom 24.05.2000 ‑ VI R 147/99, BFHE 191, 561, BStBl II 2000, 476; vom 23.03.2001 ‑ VI R 175/99, BFHE 195, 225, BStBl II 2001, 585 und vom 23.05.2006 ‑ VI R 56/02, BFH/NV 2006, 1650 sowie BFH-Urteil vom 21.02.2006 ‑ IX R 79/01, BFHE 212, 456, BStBl II 2006, 598).

a) Eine derartige (objektivierte) berufliche Veranlassung wird von der Recht­sprechung beispielsweise anerkannt, wenn der Umzug die Folge eines Arbeits­platzwechsels ist und die für die täglichen Fahrten zur Arbeitsstätte benötigte Zeit sich durch den Umzug erheblich vermindert (Senatsurteil vom 15.10.1976 ‑ VI R 162/74, BFHE 121, 27, BStBl II 1977, 117). Unter letzterer Voraussetzung kann ein Umzug auch ohne Arbeitsplatzwechsel beruflich ver­anlasst sein; in einem solchen Fall treten mit einem Umzug (stets) einherge­hende private Begleitumstände regelmäßig in den Hintergrund und können deshalb vernachlässigt werden. Als wesentliche Verkürzung der Wegezeit gilt dabei eine Zeitersparnis von mindestens einer Stunde täglich (z.B. Senatsur­teile vom 16.10.1992 ‑ VI R 132/88, BFHE 170, 484, BStBl II 1993, 610; vom 23.03.2001 ‑ VI R 175/99, BFHE 195, 225, BStBl II 2001, 585; vom 23.05.2006 ‑ VI R 56/02, BFH/NV 2006, 1650 und vom 07.05.2015 ‑ VI R 73/13 sowie BFH-Urteil vom 21.02.2006 ‑ IX R 79/01, BFHE 212, 456, BStBl II 2006, 598). Aber auch andere objektive Gründe für einen Umzug, wie zum Beispiel der Auszug aus einer oder der Einzug in eine Dienstwohnung (Se­natsurteil vom 22.11.1991 ‑ VI R 77/89, BFHE 166, 534, BStBl II 1992, 494, unter 1.a), können nach der Rechtsprechung des BFH für eine (nahezu aus­schließliche) berufliche Veranlassung von Umzugskosten streiten (BFH-Be­schluss vom 02.02.2000 ‑ X B 80/99, BFH/NV 2000, 945, m.w.N.).

b) Der berufliche Veranlassungszusammenhang ist von der Rechtsprechung dabei stets nur aufgrund objektiver, außerhalb der individuellen Wohnsituation liegender Umstände bejaht worden. Steht danach die (nahezu ausschließliche) berufliche Veranlassung des Umzugs nach objektiven Kriterien eindeutig fest, ist deshalb auf Motive des Steuerpflichtigen für den Umzug in eine bestimmte Wohnung (zum Beispiel in eine größere Mietwohnung oder ein Einfamilien­haus) nicht mehr abzustellen. Denn die Motive für die Auswahl einer Wohnung und die Bestimmung des Wohnorts sind nahezu stets durch die private Le­bensgestaltung geprägt. Würden sie eine Rolle spielen, könnten Umzugskosten nie als Werbungskosten abgezogen werden (z.B. Senatsurteile vom 22.11.1991 ‑ VI R 77/89, BFHE 166, 534, BStBl II 1992, 494, unter 1.c und vom 23.03.2001 ‑ VI R 175/99, BFHE 195, 225, BStBl II 2001, 585, unter 2.).

c) Davon ausgehend ist eine nahezu ausschließliche berufliche Veranlassung des Umzugs in eine andere Wohnung auch dann zu verneinen, wenn in dieser Wohnung (erstmals) die Möglichkeit zur Einrichtung eines Arbeitszimmers be­steht. Es fehlt insoweit an einem objektiven Kriterium, welches nicht durch die private Wohnsituation jedenfalls mitveranlasst ist. Denn auch in einem solchen Fall ist wegen des natürlichen Bestrebens nach einer ‑‑von individuellen Vorlie­ben geprägten‑‑ Verbesserung der Wohnqualität nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu ermitteln, ob die Einrichtung des Arbeitszimmers Anlass oder nur Folge des Umzugs in die neue, unter Umständen größere Wohnung (anderen Zuschnitts) ist. Das Gebot der Rechtssicherheit erfordert ‑‑wie oben darge­legt‑‑ jedoch, bei der Frage nach der beruflichen Veranlassung des Umzugs re­gelmäßig nur auf objektiv feststellbare Umstände abzustellen, die typischer­weise auf eine berufliche Veranlassung schließen lassen. Solche Umstände sind allein in dem Bestreben, ein abgeschlossenes Arbeitszimmer einzurichten ‑‑anders als bei einem Umzug aus konkretem beruflichen Anlass (zum Beispiel Arbeitgeberwechsel, Umzug in neue Betriebsräume oder bei einer wesentli­chen Fahrtzeitverkürzung)‑‑, nicht gegeben. Die Wahl einer Wohnung, insbe­sondere deren Lage, Größe, Zuschnitt und Nutzung, ist vielmehr vom Ge­schmack, den Lebensgewohnheiten, den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln, der familiären Situation und anderen privat bestimmten Vorentschei­dungen des Steuerpflichtigen abhängig. Dies ist grundsätzlich der privaten Le­bensführung gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG zuzuordnen.

Der Senat berücksichtigt bei seiner Entscheidung durchaus, dass sich die Ar­beitswelt erheblich gewandelt hat. Allerdings ändert auch die zunehmende Ak­zeptanz von Homeoffice, Tele- und sogenannter Remote-Arbeit (ortsunabhän­giges/mobiles Arbeiten) nichts daran, dass der Wunsch, im privaten Lebensbe­reich in einem (häuslichen) Arbeitszimmer zu arbeiten, nicht allein auf objekti­ven beruflichen Kriterien, sondern in erster Linie auf privaten Motiven und Vor­lieben beruht. Der Senat verkennt dabei nicht, dass mit einem separaten Ar­beitszimmer eine wesentliche Verbesserung und Erleichterung der Arbeitsbe­dingungen einhergeht und für eine Vielzahl von Steuerpflichtigen deshalb für ein ungestörtes Arbeiten "zu Hause" als notwendig empfunden wird. Der Wunsch, einen (separaten) Raum als Arbeitszimmer vorzuhalten, wird jedoch nicht in einem solchen Maße durch objektive berufliche Erwägungen überla­gert, als dass diese typischerweise für eine nahezu ausschließliche berufliche Veranlassung eines Wohnungswechsels streiten. Denn die Entscheidung, "im neuen Zuhause" einen ‑‑unter Umständen durch den Umzug "hinzugewonne­nen"‑‑ gesonderten Raum nicht privat, sondern (erstmals) auch oder aus­schließlich beruflich als Arbeitszimmer zu nutzen oder die Berufstätigkeit im privaten Lebensbereich (weiterhin) in einer "Arbeitsecke" auszuüben, beruht auch in Zeiten einer gewandelten Arbeitswelt nicht auf nahezu ausschließlich objektiven beruflichen Kriterien. Sie mag zwar auch von beruflichen Erwägun­gen bestimmt sein, gründet aber letztlich vorrangig auf privaten Motiven und Vorlieben des Steuerpflichtigen betreffend die Gestaltung seiner individuellen Wohnsituation. Dies gilt auch dann, wenn er über keinen anderen (außerhäus­lichen) Arbeitsplatz verfügt, weil er ‑‑wie in Zeiten der Corona-Pandemie‑‑ (zwangsweise) zum Arbeiten im häuslichen Bereich angehalten war oder er durch die Arbeit im Homeoffice Berufs- und Familienleben zu vereinbaren sucht. Ob es sich um ein steuererhebliches häusliches Arbeitszimmer handelt, ist wegen des multikausalen Veranlassungszusammenhangs insoweit ebenfalls unerheblich. Denn auch mit der Einrichtung eines (häuslichen) Arbeitszimmers geht nicht nur eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen einher, es verbes­sert sich stets auch die private Wohnsituation insoweit, als der ansonsten mit der Arbeitsecke belastete Wohnraum nunmehr davon ungestört genutzt wer­den kann (so bereits Senatsurteil vom 16.10.1992 ‑ VI R 132/88, BFHE 170, 484, BStBl II 1993, 610, unter 2.b).

2. Die Vorentscheidung ist von anderen Rechtssätzen ausgegangen und daher aufzuheben. Allein der Umstand, dass die Kläger umgezogen sind, um in der neuen Wohnung zwei häusliche Arbeitszimmer einzurichten, trägt den Schluss des FG, der Umzug sei nahezu ausschließlich beruflich veranlasst gewesen, nicht. Weitere objektive Umstände für einen beruflichen Veranlassungszusam­menhang des Umzugs hat das FG nicht festgestellt und sind auch nach dem Klägervorbringen nicht ersichtlich. Die Klage ist daher abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

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