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EuGH: Gebietsfremde, Quellensteuer, Ausschluss von Freibeträgen

Vorlage zur Vorabentscheidung – Freizügigkeit – Gleichbehandlung – Einkommensteuer – Einkünfte von Gebietsfremden, die einer Quellensteuer unterliegen – Ausschluss von Steuerabzügen, die an die persönlichen Lebensverhältnisse des Steuerpflichtigen anknüpfen – Rechtfertigung – Möglichkeit gebietsfremder Steuerpflichtiger, die für gebietsansässige Steuerpflichtige geltende Regelung zu wählen und diese Abzüge geltend zu machen

EuGH-Urteil vom 19. November 2015, Rechtssache C-632/13

Werden im Rahmen der Einkommensteuer gebietsfremden Steuerpflichtigen, die ihre Einkünfte überwiegend im Quellenstaat erzielen und sich für die Quellensteuerregelung entschieden haben, die persönlichen, gebietsansässigen Steuerpflichtigen im Rahmen der normalen Besteuerungsregelung gewährten Freibeträge versagt, liegt keine gegen Art. 21 AEUV verstoßende Diskriminierung vor, sofern die gebietsfremden Steuerpflichtigen nicht einer insgesamt höheren Besteuerung unterworfen werden als gebietsansässige Steuerpflichtige und ihnen gleichgestellte Personen, deren Situation mit der ihren vergleichbar ist.

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 45 AEUV.

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Skatteverk (Steuerverwaltung) und Frau Hirvonen über die Weigerung des Skatteverk, ihr bei der Einkommensteuer für das Jahr 2005 steuerliche Vergünstigungen zu gewähren.

Rechtlicher Rahmen

3        Nach dem Einkommensteuergesetz (1999:1229) (Inkomstskattelag [1999:1229]) sind in Schweden wohnhafte Steuerpflichtige in diesem Mitgliedstaat für sämtliche sowohl im Inland als auch im Ausland erzielte Einkünfte unbeschränkt steuerpflichtig.

4        Das Einkommensteuergesetz unterscheidet dabei zwischen Einkünften aus einer Erwerbstätigkeit, d. h. Arbeitseinkommen in seinen verschiedenen Formen, und Kapitaleinkünften. Letztere werden gesondert besteuert. Bei der Berechnung der steuerbaren Einkünfte werden die Ausgaben abgezogen, die entstanden sind, um die steuerpflichtigen Einkünfte zu erwerben oder zu behalten. Darüber hinaus werden vom Erwerbseinkommen ein Grundfreibetrag und bestimmte weitere durch die persönlichen Lebensverhältnisse des Steuerpflichtigen bedingte Abzüge abgesetzt.

5        Auf die steuerbaren Erwerbseinkünfte werden gemeindliche und staatliche Einkommensteuer erhoben. Die gemeindliche Einkommensteuer ist proportional, und der Steuersatz variiert je nach Gemeinde oder Region zwischen 29 % und 34 %. Im Durchschnitt liegt er knapp über 30 %.

6        Die staatliche Einkommensteuer ist progressiv und liegt zwischen 20 % und 22 %. Sie wird auf Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit erhoben, wenn die steuerbaren Einkünfte eine gewisse Höhe übersteigen. Auf steuerbare Kapitaleinkünfte wird eine staatliche Steuer von 30 % erhoben.

7        Ergibt sich bei der Berechnung der Kapitaleinkünfte ein Defizit, wird für den Teil des Defizits, der 100 000 schwedische Kronen (SEK) (etwa 10 600 Euro) nicht übersteigt, eine Steuerermäßigung in Höhe von 30 % und für das darüber hinausgehende Defizit eine solche in Höhe von 21 % gewährt.

8        Im Ausland ansässige Personen sind in Schweden in der Regel beschränkt steuerpflichtig. Ihre Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit unterliegen gemäß dem Gesetz (1991:586) über die besondere Einkommensteuer für im Ausland ansässige Personen (Lag [1991:586] om särskild inkomstskatt för utomlands bosatta, im Folgenden: Gesetz über die besondere Einkommensteuer) einer endgültigen Quellensteuer mit einem Steuersatz von 25 % (im Folgenden: Quellensteuerregelung).

9        Für gebietsfremde Steuerpflichtige gibt es weder für Kosten im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Erhaltung von Einkünften noch für persönliche Ausgaben ein Abzugsrecht. Der Steuersatz ist allerdings niedriger als der, der nach der Einkommensteuerregelung für gebietsansässige Steuerpflichtige (im Folgenden: normale Besteuerungsregelung) gilt. Da die Quellensteuer endgültig erhoben wird, braucht ein gebietsfremder Steuerpflichtiger seine Einkünfte nicht anzugeben. Nach Angaben des vorlegenden Gerichts besteht der Zweck dieser Quellensteuer darin, den Steuerpflichtigen zu entlasten und gleichzeitig die Verwaltung durch die Steuerbehörde zu vereinfachen.

10      Nach § 5 des Gesetzes über die besondere Einkommensteuer gehören zu den steuerbare Einkünften u. a. das Arbeitsentgelt und damit vergleichbare Vergünstigungen, die auf einer Beschäftigung oder einem bezahlten Praktikum in Schweden beruhen. Die Steuerpflicht nach dem genannten Paragrafen umfasst hingegen weder Einkünfte, die aus einer selbständig ausgeübten Geschäftstätigkeit in Schweden erzielt wurden, noch Kapitaleinkünfte. Diese unterliegen der normalen Besteuerungsregelung.

11      Aufgrund von Sozialversicherungsbestimmungen ausgezahlte Leistungen in Form von Renten und Krankengeld sind gemäß § 5 Abs. 1 vierter Gedankenstrich des Gesetzes über die besondere Einkommensteuer ebenfalls steuerpflichtig, wenn sie einen bestimmten Schwellenwert überschreiten. Ein Teil dieser Einkünfte ist jedoch steuerfrei. Diese Befreiung wurde eingeführt, um zu verhindern, dass die entrichtete Steuer höher ist als die, die von unbeschränkt Steuerpflichtigen erhoben wird, und sie wurde so festgelegt, dass sie dem bei der normalen Besteuerungsregelung geltenden höchsten Grundfreibetrag entspricht.

12      Seit 2005 haben gebietsfremde Steuerpflichtige infolge des Urteils Wallentin (C‑169/03, EU:C:2004:403) das Recht, anstelle der Quellensteuerregelung die normale Besteuerungsregelung zu wählen. Wenn sie sich für Letztere entscheiden, können sie Kosten abziehen, die ihnen entstanden sind, um die Einkünfte zu erwerben oder zu behalten. Haben sie ihre gesamten oder nahezu ihre gesamten Einkünfte in Schweden erzielt, so haben sie darüber hinaus Anspruch auf bestimmte weitere Steuererleichterungen. So können sie z. B. unter bestimmten Voraussetzungen Kreditzinsen absetzen, die im Wohnsitzstaat nicht abgesetzt werden können.

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

13      Frau Hirvonen zog im Jahr 2000, nachdem sie während ihres gesamten Berufslebens in Schweden gearbeitet hatte, nach Finnland um. Ihre gesamten Einkünfte in Form von Rente, Leibrente und Krankengeld bezieht sie aus Schweden. In dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Jahr hatte sie in Finnland außer den Kosten für den laufenden Lebensunterhalt lediglich Aufwendungen in Form von Zinsen für einen Wohnungsbaukredit (im Folgenden: Kreditzinsen).

14      Gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Schweden und Finnland in der für das Ausgangsverfahren geltenden Fassung werden in Schweden erzielte Einnahmen ausschließlich in diesem Mitgliedstaat besteuert. Da Frau Hirvonen in Finnland keine Einkünfte erzielt hatte, konnte sie dort ihre Kreditzinsen steuerlich nicht absetzen.

15      Die schwedische Steuerverwaltung besteuerte die Einkünfte von Frau Hirvonen im Steuerjahr 2005 nach dem Gesetz über die besondere Einkommensteuer, ohne ihr einen Abzug für ihre Kreditzinsen zu gewähren.

16      Frau Hirvonen, die es abgelehnt hatte, ihre Einkünfte im Rahmen der normalen Besteuerungsregelung besteuern zu lassen, weil dies selbst unter Berücksichtigung des Abzugs für die Kreditzinsen für sie eine höhere Besteuerung zur Folge gehabt hätte als nach der Quellensteuerregelung, erhob gegen diesen Bescheid Klage beim Länsrätt i Stockholms län (Verwaltungsgericht für den Bezirk Stockholm) und berief sich darauf, dass ihr nach der Quellensteuerregelung ein solches Abzugsrecht zustehe. Das Gericht wies die Klage ab.

17      Das Kammarrätt i Stockholm (Berufungsverwaltungsgericht Stockholm), bei dem Frau Hirvonen Berufung gegen das Urteil des Länsrätt i Stockholms län (Verwaltungsgericht für den Bezirk Stockholm) eingelegt hatte, erkannte ihr, gestützt auf das Unionsrecht, das begehrte Abzugsrecht zu. Die Steuerverwaltung legte gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim vorlegenden Gericht ein.

18      Die Steuerverwaltung macht beim vorlegenden Gericht geltend, dass der Abzug von Zinsen für einen Wohnungsbaukredit nur im Rahmen der normalen Besteuerungsregelung möglich sei, für die die gebietsfremden Steuerpflichtigen optieren könnten. Der Gerichtshof habe die Rechtmäßigkeit einer solchen Wahlmöglichkeit im Urteil Gerritse (C‑234/01, EU:C:2003:340) bestätigt. Außerdem sei der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegende Sachverhalt nicht mit dem vergleichbar, zu dem das Urteil Gielen (C‑440/08, EU:C:2010:148) ergangen sei. Die als ein grundlegendes Prinzip des internationalen Steuerrechts anerkannte Quellenbesteuerung, die durch das Gesetz über die besondere Einkommensteuer eingeführt worden sei, habe den Sinn und Zweck, den Steuerpflichtigen zu entlasten und die Arbeit der Verwaltung zu erleichtern, und schließe die Möglichkeit aus, Ausgaben und aufgewendete Kosten in Abzug zu bringen.

19      Das vorlegende Gericht sieht jedoch übereinstimmende Punkte zwischen dem Ausgangsverfahren und dem Verfahren, zu dem das Urteil Gielen (C‑440/08, EU:C:2010:148) ergangen ist, denn in jener Rechtssache habe der Gerichtshof entschieden, dass der Umstand, dass ein gebietsfremder Steuerpflichtiger die für gebietsansässige Steuerpflichtige geltende Steuerregelung wählen könne, anstatt der für gebietsfremde Steuerpflichtige geltenden Regelung unterworfen zu werden, einer bestimmten steuerlichen Vergünstigung ihren diskriminierenden Charakter nicht nehmen könne. Im Gegensatz zu den Umständen in der Rechtssache, in der das Urteil Gielen (C‑440/08, EU:C:2010:148) ergangen sei, gehe es im Ausgangsrechtsstreit nicht um eine bestimmte steuerliche Vergünstigung, und ein gebietsfremder Steuerpflichtiger könne in Schweden zwischen „zwei völlig unterschiedlichen Formen“ der Besteuerung seiner steuerpflichtigen Einkünfte wählen.

20      Vor diesem Hintergrund hat der Högsta förvaltningsdomstol (Oberster Verwaltungsgerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Steht Art. 45 AEUV Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegen, nach denen eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Person – die ihre gesamten oder nahezu ihre gesamten Einkünfte im erstgenannten Mitgliedstaat erzielt – zwischen zwei völlig unterschiedlichen Formen der Besteuerung wählen kann, nämlich entweder einer Quellensteuer mit einem niedrigeren Steuersatz, jedoch ohne Anspruch auf die bei Anwendung der normalen Einkommensteuerregelung geltenden Steuererleichterungen, oder einer Besteuerung ihrer Einkünfte nach dieser Regelung und somit der Möglichkeit, die fraglichen Steuererleichterungen in Anspruch zu nehmen?

Zur Vorlagefrage

21      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Rentnerin wie Frau Hirvonen, die den Mitgliedstaat, in dem sie ihr gesamtes Erwerbsleben verbracht hat, verlässt, um sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, wenn ihre Situation nicht unter die nach Art. 45 AEUV geschützte Freizügigkeit fällt, auf ihr Recht auf Freizügigkeit als Unionsbürgerin gemäß Art. 21 AEUV berufen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Turpeinen, C‑520/04, EU:C:2006:703, Rn. 16 bis 23).

22      Deshalb ist die Situation von Frau Hirvonen anhand von Art. 21 AEUV zu beurteilen.

23      Was die Besteuerung von Erwerbseinkommen in Schweden angeht, ergibt sich aus den Akten, dass gebietsfremde Steuerpflichtige zwischen zwei unterschiedlichen Formen der Besteuerung wählen können.

24      Grundsätzlich werden sie mit einer Quellensteuer in Höhe von 25 % besteuert. Die entsprechende Besteuerungsgrundlage sind sämtliche Bruttoeinkünfte des Steuerpflichtigen. Bestehen diese Bruttoeinkünfte aus Renten, so ist ein Teil derselben steuerfrei, wobei die Höhe dieser Befreiung dem höchsten Freibetrag entspricht, den gebietsansässige Steuerpflichtige, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, geltend machen können. Im Rahmen der Quellensteuerregelung gibt es keinen Anspruch auf bestimmte Freibeträge, wie sie Gebietsansässigen im Rahmen der normalen Besteuerungsregelung gewährt werden.

25      Gebietsfremde Steuerpflichtige können jedoch aufgrund des ihnen eingeräumten Wahlrechts die normale Besteuerungsregelung wählen und mithin Abzüge geltend machen, die durch ihre persönlichen und familiären Lebensverhältnisse bedingt sind. Insbesondere können nach dieser Regelung Zinsen, die für einen Wohnungsbaukredit gezahlt wurden, in Abzug gebracht werden, sofern sie nicht im Wohnsitzstaat abgezogen werden können.

26      Aus den Akten ergibt sich insoweit, dass im Ausgangsverfahren Frau Hirvonen, die sich für die Quellensteuerregelung entschieden hat, begehrt, gleichwohl von der Möglichkeit Gebrauch machen zu können, ihre Kreditzinsen abzusetzen, obwohl das innerstaatliche Recht diese Möglichkeit lediglich der normalen Besteuerungsregelung vorbehält.

27      Deshalb ist unter diesen besonderen Umständen die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage dahin zu verstehen, dass mit ihr im Wesentlichen Aufschluss darüber begehrt wird, ob die Tatsache, dass eine Rechtsordnung gebietsfremden Steuerpflichtigen, die ihre Einkünfte überwiegend im Quellenstaat erzielen und sich für die Quellensteuerregelung entschieden haben, die Gewährung der persönlichen Freibeträge verwehrt, die Gebietsansässigen im Rahmen des normalen Verfahrens zur Festsetzung der Steuerbemessungsgrundlage gewährt werden, eine Diskriminierung darstellt, die gegen Art. 21 AEUV verstößt.

28      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, doch müssen diese ihre Befugnisse unter Wahrung des Unionsrechts ausüben (vgl. u. a. Urteil Gielen, C‑440/08, EU:C:2010:148, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Außerdem verbieten die Vorschriften über die Gleichbehandlung nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen (vgl. u. a. Urteil Gielen, C‑440/08, EU:C:2010:148, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann eine Diskriminierung nur darin bestehen, dass unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewandt werden oder dass dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewandt wird (vgl. u. a. Urteile Schumacker, C‑279/93, EU:C:1995:31, Rn. 30, und Gschwind, C‑391/97, EU:C:1999:409, Rn. 21).

31      Hierzu ergibt sich ebenfalls aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass sich Gebietsansässige und Gebietsfremde im Hinblick auf die direkten Steuern in einem Staat in der Regel nicht in einer vergleichbaren Situation befinden, denn das Einkommen, das ein Gebietsfremder im Hoheitsgebiet eines Staates erzielt, stellt meist nur einen Teil seiner Gesamteinkünfte dar, deren Schwerpunkt an seinem Wohnort liegt, und die persönliche Steuerkraft des Gebietsfremden, die sich aus der Berücksichtigung seiner Gesamteinkünfte sowie seiner persönlichen Verhältnisse und seines Familienstands ergibt, kann am leichtesten an dem Ort beurteilt werden, an dem der Mittelpunkt seiner persönlichen Interessen und seiner Vermögensinteressen liegt; dieser Ort ist in der Regel der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der betroffenen Person (Urteil Wallentin, C‑169/03, EU:C:2004:403, Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Versagt ein Mitgliedstaat Gebietsfremden bestimmte Steuervergünstigungen, die er Gebietsansässigen gewährt, so ist dies in Anbetracht der objektiven Unterschiede zwischen der Situation der Gebietsansässigen und derjenigen der Gebietsfremden sowohl hinsichtlich der Einkunftsquelle als auch hinsichtlich der persönlichen Steuerkraft sowie der persönlichen Verhältnisse und des Familienstands im Allgemeinen nicht diskriminierend (Urteil Wallentin, C‑169/03, EU:C:2004:403, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Der Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass etwas anderes gilt, wenn der Gebietsfremde in seinem Wohnsitzstaat keine nennenswerten Einkünfte hat und sein zu versteuerndes Einkommen im Wesentlichen aus einer Tätigkeit bezieht, die er im Beschäftigungsstaat ausübt, so dass der Wohnsitzstaat nicht in der Lage ist, ihm die Vergünstigungen zu gewähren, die sich aus der Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse und seines Familienstands ergeben (Urteil Wallentin, C‑169/03, EU:C:2004:403, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Im Fall eines Gebietsfremden, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem seines Wohnsitzes den wesentlichen Teil seiner Einkünfte erzielt, besteht die Diskriminierung darin, dass seine persönlichen Verhältnisse und sein Familienstand weder im Wohnsitzstaat noch im Beschäftigungsstaat berücksichtigt werden, unabhängig von den unterschiedlichen Steuersätzen, die nach Gesetzen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden gelten, d. h. nach dem Gesetz über die besondere Einkommensteuer und dem Einkommensteuergesetz (vgl. in diesem Sinne Urteil Wallentin, C‑169/03, EU:C:2004:403, Rn. 17).

35      Diese Argumentation gilt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs für alle steuerlichen Vergünstigungen im Zusammenhang mit der Steuerkraft des Gebietsfremden, die weder im Wohnstaat noch im Beschäftigungsstaat berücksichtigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Lakebrink und Peters-Lakebrink, C‑182/06, EU:C:2007:452, Rn. 34), und sinngemäß auch in einer Situation, bei der die steuerpflichtigen Einkünfte aus einem Ruhegehalt bestehen (Urteil Turpeinen, C‑520/04, EU:C:2006:703, Rn. 29).

36      Im vorliegenden Fall bezog Frau Hirvonen in der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit in ihrem Wohnsitzstaat keine steuerbaren Einkünfte. Ihr Einkommen bestand im Wesentlichen aus ihrer Altersrente für ihre in Schweden geleistete Erwerbstätigkeit. Grundsätzlich war es daher Sache des letztgenannten Staates, ihre persönliche und familiäre Situation zu berücksichtigen.

37      Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich jedoch, dass das Königreich Schweden im Rahmen des Gesetzes über die besondere Einkommensteuer – das eine Anpassung der Besteuerung von gebietsfremden Steuerpflichtigen insbesondere dahin gehend vorsieht, dass für diese ein niedrigerer einheitlicher Steuersatz als für gebietsansässige Steuerpflichtige gilt – garantiert, dass gebietsfremde nicht schlechter als gebietsansässige Steuerpflichtige behandelt werden.

38      So unterliegen laut Vorlageentscheidung gebietsfremde Steuerpflichtige, wenn sie sich für eine Besteuerung ihrer Einkünfte im Rahmen der Quellensteuerregelung entscheiden, einer im Allgemeinen geringeren steuerlichen Belastung als gebietsansässige Steuerpflichtige mit vergleichbaren Einkünften.

39      Gerade dadurch unterscheidet sich der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens von dem speziellen Sachverhalt, zu dem das Urteil Gielen (C‑440/08, EU:C:2010:148) ergangen ist.

40      In der Rechtssache Gielen, in der es um die Vereinbarkeit einer steuerlichen Vergünstigung mit dem Unionsrecht ging, die sich hauptsächlich für gebietsfremde Steuerpflichtige hätte nachteilig auswirken können, stellte sich nämlich die Frage, ob die Möglichkeit für gebietsfremde Steuerpflichtige, die für gebietsansässige Steuerpflichtige geltende Regelung zu wählen, geeignet war, dieser Vergünstigung ihren diskriminierenden Charakter zu nehmen.

41      Der Gerichtshof hat diese Frage unter Hinweis darauf verneint, dass die Wahl zwischen einer diskriminierenden steuerlichen Regelung und einer anderen, die nicht diskriminierend sein soll, nicht geeignet ist, die diskriminierenden Wirkungen der ersten dieser beiden steuerlichen Regelungen auszuschließen. Die gegenteilige Auffassung hätte nach Auffassung des Gerichtshofs zur Folge, dass eine steuerliche Regelung für rechtmäßig erklärt würde, deren Existenz für sich genommen aufgrund ihres diskriminierenden Charakters weiter gegen Art. 49 AEUV verstößt. Er hat im Übrigen darauf hingewiesen, dass eine die Niederlassungsfreiheit beschränkende nationale Regelung auch dann mit dem Unionsrecht unvereinbar ist, wenn ihre Anwendung fakultativ ist (Urteil Gielen, C‑440/08, EU:C:2010:148, Rn. 50 bis 53).

42      Der Gerichtshof ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die dem gebietsfremden Steuerpflichtigen eröffnete Wahl, sich für die Regelung zu entscheiden, die für gebietsansässige Steuerpflichtige gilt, die Diskriminierung im Sinne von Art. 49 AEUV nicht aufhebt (Urteil Gielen, C‑440/08, EU:C:2010:148, Rn. 54).

43      Im Gegensatz dazu haben im Ausgangsverfahren gebietsfremde Steuerpflichtige zwar die Möglichkeit, sich für die normale, in erster Linie für gebietsansässige Steuerpflichtige bestimmte Besteuerungsregelung zu entscheiden, doch ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten, dass die Quellensteuerregelung insgesamt günstiger als die normale Besteuerungsregelung ist und gebietsfremden Steuerpflichtigen einen geringeren Aufwand abverlangt als gebietsansässigen Steuerpflichtigen.

44      Eine unterschiedliche Behandlung von gebietsfremden und gebietsansässigen Steuerpflichtigen, nach der die Bruttoeinkünfte der Erstgenannten im Wege der Quellenbesteuerung einer endgültigen Besteuerung mit einem einheitlichen Steuersatz unterworfen werden, während die Nettoeinkünfte der Letztgenannten nach einem progressiven Steuertarif mit einem Grundfreibetrag besteuert werden, ist mit dem Unionsrecht vereinbar, sofern der einheitliche Steuersatz nicht höher ist als der Steuersatz, der sich für den Betroffenen tatsächlich aus der Anwendung des progressiven Steuertarifs auf die den Grundfreibetrag übersteigenden Nettoeinkünfte ergeben würde (vgl. in diesem Sinne Urteil Gerritse, C‑234/01, EU:C:2003:340, Rn. 53 ff.).

45      Im Ausgangsverfahren ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten, dass Frau Hirvonen, wenn sie sich dafür entschieden hätte, einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen gleichgestellt und daher der normalen Besteuerungsregelung unterworfen zu werden, höhere Steuern gezahlt hätte. Deshalb hat sie die durch das Gesetz über die besondere Einkommensteuer geregelte Quellenbesteuerung gewählt. Da ihr eine günstigere Besteuerung zuteil wurde als die, die auf sie angewandt worden wäre, wenn sie die normale Besteuerungsregelung gewählt hätte, kann sie nicht darüber hinaus den steuerlichen Vorteil beanspruchen, der ihr im Rahmen der normalen Besteuerungsregelung gewährt worden wäre.

46      Die Weigerung, den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden persönlichen Freibetrag zu gewähren, ist, wie die Steuerverwaltung in ihren Erklärungen ausführt, bei einem Sachverhalt wie dem des Ausgangsverfahrens eher als ein inhärenter Bestandteil der Quellensteuerregelung anzusehen, die darauf gerichtet ist, die Arbeit der Verwaltung zu vereinfachen und den gebietsfremden Steuerpflichtigen zu entlasten. Entscheidet sich dieser daher für eine solche Regelung, entbindet dies die Verwaltung von der Verpflichtung, bei ihm Steuern zu erheben, so dass sie keinen genauen Überblick über seine persönlichen Verhältnisse und seinen Familienstand haben muss. Gleichzeitig entfällt jegliche Pflicht dieses Steuerpflichtigen zur Zusammenarbeit, d. h., er braucht für seine in Schweden erzielten Einkünfte keine Steuererklärung in schwedischer Sprache abzugeben und ist folglich nicht verpflichtet, sich mit dem Steuersystem eines anderen Mitgliedstaats als dem seines Wohnsitzstaats auseinanderzusetzen.

47      Somit ist festzustellen, dass es mit dem Wesen der Quellensteuerregelung vereinbar ist, wenn im Rahmen dieser Art von Besteuerung nicht alle einem Steuerpflichtigen tatsächlich entstandenen Kosten berücksichtigt werden können, da die Steuer bei demjenigen erhoben wird, der im Quellenstaat Leistungen gewährt. Dieser ist im Allgemeinen nicht verpflichtet, bestimmte Ausgaben zu berücksichtigen, und eine Berücksichtigung sämtlicher Ausgaben würde der mit dieser Regelung angestrebten Vereinfachung zuwiderlaufen.

48      Wenn daher eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende einem gebietsfremden Steuerpflichtigen die Möglichkeit versagt, bestimmte Abzüge geltend zu machen, ist dies im Hinblick auf einen etwaigen Verstoß dieser Regelung gegen das Unionsrecht unerheblich, sofern dieser Steuerpflichtige nicht einer insgesamt höheren Besteuerung unterworfen wird als gebietsansässige Steuerpflichtige und ihnen gleichgestellte Personen, deren Situation mit der seinen vergleichbar ist.

49      Demzufolge liegt keine gegen Art. 21 AEUV verstoßende Diskriminierung vor, wenn im Rahmen der Einkommensteuer gebietsfremden Steuerpflichtigen, die ihre Einkünfte überwiegend im Quellenstaat erzielen und sich für die Quellensteuerregelung entschieden haben, die persönlichen, gebietsansässigen Steuerpflichtigen im Rahmen der normalen Besteuerungsregelung gewährten Freibeträge versagt werden, sofern die gebietsfremden Steuerpflichtigen nicht einer insgesamt höheren Besteuerung unterworfen werden als gebietsansässige Steuerpflichtige und ihnen gleichgestellte Personen, deren Situation mit der ihren vergleichbar ist.

Quelle: curia.europa.eu
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