BFH: Steuerberatungskosten für Erklärungen nach dem StraBEG nicht abziehbar
Steuerberatungskosten für die Abgabe von Erklärungen nach dem StraBEG können weder als Werbungskosten noch als Sonderausgaben abgezogen werden.
BFH-Urteil vom 20.11.2012, VIII R 29/10 (veröffentlicht am 6.3.2013)
StraBEG § 1 Abs. 1 und 2, § 4, § 8 Abs. 1
EStG 2002 § 2 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 Nr. 6, § 11, § 20
Vorinstanz: FG Köln vom 22.12.2009, 1 K 3559/06 (EFG 2010 S. 892 = SIS 10 14 08)
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr (2004) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Im Dezember 2004 gab der Kläger mehrere strafbefreiende Erklärungen nach dem Gesetz über die strafbefreiende Erklärung (StraBEG) ab. Bei Erstellung und Abgabe der Erklärungen ließ sich der Kläger vom jetzigen Prozessbevollmächtigten beraten, der am 28.12.2004 hierfür ein Honorar in Höhe von 11.600 € in Rechnung stellte. Der Kläger beglich diese Rechnung am 29.12.2004.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte bei der Einkommensteuerveranlagung der Kläger für 2004 den Abzug des Honorars als Sonderausgaben. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) begründete sein in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 892 veröffentlichtes Urteil im Wesentlichen damit, dass der Steueramnestie der Regelungszweck einer umfassenden Abgeltungswirkung zugrunde liege.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision begehren die Kläger den Abzug des Beraterhonorars als Werbungskosten oder Sonderausgaben. Das FG habe übersehen, dass die Steuerberatungskosten nicht bei der Erzielung der Einkünfte anfielen, sondern erst bei deren Erklärung. In seiner Gesetzesbegründung habe der Gesetzgeber die Aufwandspositionen, die durch den Steuerabschlag abgegolten sein sollten, beispielhaft dargestellt und sich dabei auf Aufwendungen in den Jahren der Einnahmeerzielung bezogen ("... die angefallen sind"). Sinngemäß führen die Kläger aus, dass Steuerberatungskosten, die erst nach dem Amnestiezeitraum anfielen, hiervon nicht erfasst seien. Dies ergebe sich auch aus einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 25.2.2008, 2 BvL 14/05 (BFH/NV 2008, Beilage 3, 247), wonach der nach dem StraBEG vorzunehmende Abschlag von den Einnahmen (nur) Werbungskosten für Zinseinkünfte, den Sparerfreibetrag und bereits einbehaltene Abzugssteuern betreffe. Die Wertung und Gesetzesauslegung des FG sei damit nicht vereinbar.
Auch wenn der Senat grundsätzlich der Auffassung des FG folgen sollte, könnten nur die Beratungskosten dem vom FG vertretenen Abzugsverbot unterliegen, die bei ordnungsgemäßer ursprünglicher Erklärung angefallen wären, nicht jedoch die Aufwendungen, die erst wegen des erheblichen Mehraufwands und des erforderlichen Beratungsbedarfs bei den Erklärungen nach dem StraBEG entstanden seien.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer für das Streitjahr 2004 abweichend von dem Einkommensteuerbescheid vom 28.2.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.8.2006 nach einem um 11.600 € geminderten zu versteuernden Einkommen festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Im Ergebnis zu Recht hat das FG die geltend gemachten Aufwendungen weder als Werbungskosten noch als Sonderausgaben abgezogen.
1. Die streitbefangenen Beratungskosten sind keine Werbungskosten.
a) Aufwendungen für Steuerberatung können Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 20 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) sein, wenn sie durch die Ermittlung dieser Einkünfte veranlasst und nicht Entgelt für die Erstellung einer Einkommensteuererklärung sind (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18.5.2011 X B 124/10, BFH/NV 2011, 1838, m.w.N.). Im Streitfall scheidet nach diesem Maßstab eine Berücksichtigung als Werbungskosten von vornherein aus, soweit die Gebühren nach dem eigenen Vortrag der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren wie auch in der mündlichen Verhandlung vor dem BFH zum überwiegenden Teil nicht wegen der Ermittlung der Einnahmen, sondern wegen der Erstellung der steuerlichen Erklärungen angefallen sind.
b) Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Teil der Gebühren nach materiellem Einkommensteuerrecht als Werbungskosten berücksichtigt werden könnte, denn jedenfalls schließt das StraBEG nach seiner Systematik und seinem Zweck den Abzug aus.
Mit dem StraBEG hat der Gesetzgeber ein Gesetz geschaffen, das sowohl materielles Strafrecht in Gestalt von Strafbefreiungsnormen regelt als auch steuerrechtliche Sonderregelungen trifft, die von den Vorschriften des EStG materiell wie auch verfahrensrechtlich erheblich abweichen. So verhält es sich etwa hinsichtlich der Definition der Einnahmen in § 1 Abs. 2 Nr. 1 StraBEG und damit der Bestimmung der Besteuerungsgrundlage, der damit einhergehenden pauschalen Berücksichtigung von Aufwendungen in Höhe von 40 % des betreffenden Einnahmebruttobetrages, des einheitlichen, relativ niedrigen Steuersatzes nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StraBEG (vgl. zur im Allgemeinen begünstigenden Wirkung Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Vorbemerkungen zu §§ 1 bis 13 StraBEG, Rz 1; Striegel/Weger, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2004, 534, 539) wie auch der Abgeltungswirkung der Steuerzahlung. Sie führt zum Erlöschen des Einkommensteueranspruchs, der hinsichtlich der nach dem StraBEG nachträglich erklärten Einnahmen nach dem EStG bereits entstanden war (§ 8 Abs. 1 StraBEG). Aufgrund dieser dem Einkommensteuersystem fremden Regelungen "gilt" der gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StraBEG zu entrichtende Betrag nur fiktiv als Einkommensteuer (§ 10 Abs. 1 1. Halbsatz StraBEG).
Beratungskosten zur Ermittlung der fiktiven Einnahmen i.S. von § 1 Abs. 2 Nr. 1 StraBEG betreffen mithin keine Einkünfte i.S. von § 2 Abs. 1 EStG. Sie sind nicht vom Anwendungsbereich des EStG erfasst und können danach keine Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 EStG sein (vgl. auch Hessisches FG, Urteil vom 10.12.2009, 11 K 1096/08, juris = SIS 10 19 40). Deshalb hat das FG Düsseldorf in einem vergleichbaren Fall den Abzug der Aufwendungen von vornherein nur unter dem Aspekt von Sonderausgaben i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. geprüft (Urteil vom 10.9.2007, 12 K 5016/06 E, juris = SIS 08 37 25; ebenso Randt/ Schauf, DStR 2006, 537; Preising/Kiesel, Praxis Steuerstrafrecht - PStR - 2006, 41).
Dies entspricht im Ergebnis dem Gesetzeszweck, wonach der bei Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 StraBEG vorzunehmende Abschlag von 40 % der Bruttoeinnahmen "im Interesse der Vereinfachung" (BTDrucks 15/1521, S. 11, zu Nr. 1) der pauschalen Abgeltung "aller denkbaren" im regulären Besteuerungsverfahren steuermindernd zu berücksichtigenden Abzüge dient (BTDrucks 15/1309, S. 9; s. auch BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2008, Beilage 3, 247).
2. Die geltend gemachten Aufwendungen sind auch nicht als Sonderausgaben i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. abzuziehen.
Dies folgt allerdings nicht schon aus dem Gesetzeswortlaut des StraBEG. Maßgeblich ist deshalb auf den Zweck der von der Streitfrage berührten Gesetze (EStG und StraBEG) abzustellen.
a) Bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2005 gehörten nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. steuerliche Beratungskosten grundsätzlich zu den Sonderausgaben, die das Einkommen minderten (§ 2 Abs. 4 EStG), soweit sie nicht bereits als Betriebsausgaben oder Werbungskosten absetzbar waren. Dies galt unabhängig davon, auf welche Steuerart sich die Beratung bezog (BFH-Urteil vom 14.10.2009 X R 29/08, BFH/NV 2010, 848, m.w.N.).
Hiervon ausgehend haben einzelne Finanzgerichte auch Steuerberatungskosten im Zusammenhang mit einer strafbefreienden Erklärung nach dem StraBEG für das Jahr ihrer Zahlung als Sonderausgaben anerkannt (FG Düsseldorf, Urteil vom 10.9.2007, 12 K 5016/06 E = SIS 08 37 25, juris; Hessisches FG, Urteil vom 10.12.2009, 11 K 1096/08, juris = SIS 10 19 40). Dem ist nicht zu folgen.
aa) Nach der Gesetzesbegründung zu § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. sollten Steuerpflichtige die Möglichkeit haben, die ihnen durch eine Steuerberatung erwachsenen Kosten bei der Ermittlung des Einkommens abzuziehen, weil sie ihre Pflichten wegen der Schwierigkeit und Unübersichtlichkeit des Steuerrechts ohne fremde Hilfe häufig nicht ohne weiteres erfüllen können. Das aber rechtfertigt nur den Abzug von Beratungsaufwendungen, die im sachlichen Zusammenhang mit dem Besteuerungsverfahren stehen (zu BTDrucks IV/3189, S. 6; vgl. BFH-Urteil vom 20.9.1989 X R 43/86, BFHE 158, 356, BStBl II 1990, 20). Zweck des Gesetzes war es nicht, sämtliche von einem Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe für Beratung in Steuerfragen in Rechnung gestellten Honorare als Sonderausgaben zu qualifizieren (BFH-Urteil in BFHE 158, 356, BStBl II 1990, 20). Aus diesem Grund sind an einen Rechtsanwalt geleistete Zahlungen für eine Steuerstrafverteidigung nicht als Sonderausgaben abziehbar (BFH-Urteil in BFHE 158, 356, BStBl II 1990, 20).
Daraus kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass andere, nicht für eine Strafverteidigung angefallene Beratungshonorare jedenfalls Steuerberatungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. sind (a.A. offenbar Hessisches FG, Urteil vom 10.12.2009, 11 K 1096/08, juris = SIS 10 19 40; Matthes, PStR 2008, 286, 288).
bb) Ebenso wie Kosten der Steuerstrafverteidigung werden auch Beratungskosten im Zusammenhang mit der Abgabe einer strafbefreienden Erklärung nach dem StraBEG nicht vom Entlastungszweck des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. erfasst. Die Abgabe einer strafbefreienden Erklärung zielt aus der Sicht des Steuerpflichtigen wesentlich auf die Erlangung der Strafbefreiung nach § 1 Abs. 1, § 4 StraBEG; damit verfolgt der Steuerpflichtige angesichts eines bereits verwirklichten Steuerdelikts insoweit denselben nichtsteuerlichen privaten Zweck wie bei einer Strafverteidigung, sodass ebenso wenig wie dort sozial- oder wirtschaftspolitische Erwägungen eine einkommensmindernde Berücksichtigung der damit verbundenen Kosten gebieten. Die im Schrifttum vereinzelt vertretene Auffassung, wonach die Beratung mit einem Besteuerungsverfahren im Vordergrund stehe und die Straffreiheit ein kraft Gesetzes eintretender bloßer Reflex der wirksamen Erklärung sei (Matthes, PStR 2008, 286, 288), verzeichnet die Lebenswirklichkeit.
b) Dieses Ergebnis entspricht auch dem bereits oben genannten Gesetzeszweck, dass der pauschale Abschlag bei den Einnahmen der Abgeltung "aller denkbaren" im regulären Besteuerungsverfahren steuermindernd zu berücksichtigenden Abzüge dient (s.o. unter II.1.b dieses Urteils). Davon geht auch das BVerfG in seinem Beschluss in BFH/NV 2008, Beilage 3, 247 aus, dem im Übrigen - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht zu entnehmen ist, dass sich die Abgeltung nur auf bestimmte, dort exemplarisch aufgeführte Arten von Aufwendungen bezöge.
3. Nichts anderes gilt für solche Aufwendungen, die im kausalen Zusammenhang mit den nacherklärten Einnahmen stehen, aber erst nach dem Amnestiezeitraum (1993 bis 2002) angefallen sind.
Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass der bei Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 StraBEG vorzunehmende Abschlag von 40 % der Einnahmen nur im Amnestiezeitraum angefallene Aufwendungen abgilt mit der Folge, dass später anfallende Aufwendungen im Veranlagungszeitraum des jeweiligen Abflusses zu berücksichtigen wären (vgl. Randt/Schauf, DStR 2006, 537; Derlien/Schencking, DStR 2006, 553; Spatscheck, Steueranwaltsmagazin - SAM - 2006, 160, 163; Matthes, PStR 2008, 286). Dem folgt der Senat jedoch nicht; Aufwendungen für eine strafbefreiende Erklärung sind, auch wenn sie nach dem Amnestiezeitraum angefallen sind, nach den unter II.1. und II.2. dieses Urteils wiedergegebenen Maßstäben weder Werbungskosten noch Sonderausgaben.
Zu Unrecht berufen sich die Kläger in diesem Zusammenhang auf die Gesetzesbegründung. Danach unterstellt das Gesetz "im Interesse der Vereinfachung, dass bei allen nicht versteuerten Einnahmen steuerlich nicht berücksichtigte Aufwendungen von insgesamt 40 % angefallen sind" (BTDrucks 15/1521, S. 11, zu Nr. 1). Dieser Formulierung ist indessen nicht zu entnehmen, dass es sich dabei um solche Aufwendungen handeln müsse, die im Amnestiezeitraum entstanden sind. "Angefallene" Kosten können aus der Sicht des nach dem StraBEG Erklärenden auch solche sein, die außerhalb des Amnestiezeitraums bezahlt oder wirtschaftlich entstanden sind (a.A. Randt/Schauf, DStR 2006, 537, 544; Spatscheck, SAM 2006, 160, 164; Derlien/Schencking, DStR 2006, 553). Für eine Unterscheidung von abziehbarem und nicht abziehbarem Aufwand je nach dem Zeitpunkt des zeitlichen Anfalls fehlt es im vorliegenden Zusammenhang an einem überzeugenden sachlichen Grund.
Sind die geltend gemachten Aufwendungen weder als Werbungskosten noch als Sonderausgaben im Rahmen der regulären Einkommensbesteuerung absetzbar, besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt noch Raum für eine Aufteilung der Beratungskosten, die zu einer Teilstattgabe der Klage führen würde, wie sie von den Klägern mit einer Hilfsargumentation begehrt wird. Zudem würde der mit dem StraBEG verfolgte Vereinfachungszweck (s. unter II.1.b dieses Urteils) unterlaufen, wenn Überlegungen erforderlich würden, ob und gegebenenfalls nach welchen Kriterien und Maßstäben Beratungsaufwendungen in abzugsfähige und nicht abzugsfähige Anteile aufgeteilt werden müssten, zumal, wenn - wie offensichtlich im Streitfall - das Beratungshonorar frei vereinbart wurde.
4. Die Revision ist auch nicht im Hinblick auf den gerügten Verfahrensmangel begründet, das FG habe sich nicht mit den Hilfsanträgen des erstinstanzlichen Verfahrens befasst. Die dort hilfsweise begehrte Teilanerkennung war vom Hauptantrag mit umfasst. Die außerdem hilfsweise begehrte gerichtliche Entscheidung in Gestalt der feststellenden Beantwortung einer Rechtsfrage (Durchbrechung des Zu- und Abflussprinzips durch das Kausalprinzip?) ist von der FGO nicht vorgesehen. Gegenstand eines zulässigen Feststellungsbegehrens kann nach § 41 Abs. 1 FGO grundsätzlich nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses sein und dies auch nur, wenn die Feststellungsklage nicht nach Maßgabe des Abs. 2 der Vorschrift subsidiär ist. Im Übrigen hat sich das FG im angefochtenen Urteil sachlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob das Zu- und Abflussprinzip entscheidungserheblich sein kann (dort unter I.2.c der Entscheidungsgründe).
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