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BMF: Steuerabzug nach § 50a Einkommensteuergesetz bei Softwareauftragsentwicklung

Bundesministerium der Finanzen 2. August 2022, IV B 8 - S 2303/19/10004 :001 (DOK 2022/0641147)

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für den Steuerabzug nach § 50a Einkommensteuergesetz (EStG) bei sogenannter Softwareauftragsentwicklung Folgendes:

Dieses Schreiben ist auf alle offenen Fälle anzuwenden, bei denen der Abschluss eines Vertrages zur Softwareauftragsentwicklung nach dem 6. Juni 2021 stattgefunden hat, und auf Sachverhalte, die nach diesem Datum entstehen. Aus Vereinfachungsgründen ist dieses Schreiben ferner auf alle Zahlungen anzuwenden, die nach dem 6. Juni 2021 zufließen (zum Zuflusszeitpunkt, siehe § 73c Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV)).

Die im BMF-Schreiben vom 27. Oktober 2017, IV C 5 - S 2300/12/10003 :004, BStBl I S. 1448, dargelegten Grundsätze zur beschränkten Steuerpflicht werden nicht berührt.

1. Softwareauftragsentwicklung

Einkünfte aus einer zeitlich befristeten Nutzungsüberlassung von Rechten unterliegen nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG dem Steuerabzug. Bei der grenzüberschreitenden Auftrags-entwicklung von Software werden regelmäßig Nutzungs- und Verwertungsrechte an einer durch einen ausländischen Auftragnehmer entwickelten Software überlassen. Eine (zivilrechtliche) Übertragung des Urheberrechts an der Software ist nach deutschem Recht ausgeschlossen (vgl. § 29 Abs. 1 UrhG).

Dabei treten vor allem folgende Sachverhaltsgestaltungen auf:

  • Softwareauftragsentwicklung im Rahmen eines Dienstvertrages,
  • Softwareauftragsentwicklung im Rahmen eines Werkvertrages mit Einräumung umfassender, exklusiver, zeitlich und räumlich unbeschränkter sowie unwiderruflicher Nutzungs- und Verwertungsrechte an der Software,
  • Erwerb einer Software von einem im Ausland ansässigen Vertragspartner mit umfassenden, exklusiven, zeitlich und räumlich unbeschränkten sowie unwiderruflichen Nutzungs- und Verwertungsrechten an der Software.

Die Sachverhalte sind nach einheitlichen Grundsätzen (unter 3.) unter Berücksichtigung der zum 7. Juni 2021 in Kraft getretenen Änderungen des Urhebergesetzes (unter 2.) zu beurteilen.

2. Reform des UrhG

Mit der Änderung des UrhG zum 7. Juni 2021 sind die §§ 32a und 41 UrhG in den Katalog der nicht auf Computerprogramme anzuwendenden Vorschriften aufgenommen worden (§ 69a UrhG).

  • 32a UrhG regelt die „weitere Beteiligung des Urhebers“ und räumt diesem ein unabdingbares Recht auf weitere (finanzielle) Beteiligung (Vertragsanpassung) in Fällen ein, in denen sich die vereinbarte Gegenleistung als unverhältnismäßig niedrig im Vergleich zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes erweist. Bei Übertragung des Nutzungsrechts sind auch Dritte dem Urheber gegenüber in gleicher Weise verpflichtet. Ein Verzicht auf diese Ansprüche im Voraus ist ausgeschlossen. Mit der angeordneten Nichtanwendung dieser Vorschrift gibt es für den Urheberrechtsinhaber bei Computerprogrammen keine Möglichkeit einer Nachforderung unter Berufung auf § 32a UrhG.
  • 41 UrhG räumt dem Urheber gegenüber dem Nutzungsberechtigten das Recht ein, die Ausschließlichkeit des Nutzungsrechts oder das Nutzungsrecht insgesamt zurück-zurufen, wenn der Nutzungsberechtigte es nicht ausübt. Auch diese Vorschrift wird nicht mehr auf Computerprogramme angewendet.

Die urheberrechtlichen Besonderheiten im Verhältnis zu anderen Schutzrechten bestehen darüber hinaus aber fort. Das Urheberrecht bleibt als höchstpersönliches Recht nicht übertragbar und ist auch nicht auftrennbar, da das beim Urheber fortbestehende Urheberrecht den Inhalt des Nutzungsrechts bestimmt.

3. Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG

Bei Verträgen über die Entwicklung von Software, auf die deutsches Recht Anwendung findet (zur Anwendbarkeit deutschen Rechts vgl. §§ 120 – 122 UrhG, insbesondere § 121 Abs. 1 UrhG), kann je nach Gestaltung des Vertrages und dessen tatsächlicher Umsetzung eine Pflicht zum Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG bestehen. Anwendungsvoraussetzung für § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG ist, dass beschränkt steuer-pflichtige Einkünfte nach „§ 49 Abs. 1 Nr. 2, 3, 6 oder 9 EStG“ vorliegen (vgl. zum Vorliegen inländischer Einkünfte bei Software: BMF-Schreiben vom 27. Oktober 2017, IV C 5 - S 2300/12/10003 :004, BStBl I S. 1448). Ob eine konkrete Pflicht zum Steuereinbehalt besteht, richtet sich nach den folgenden Grundsätzen:

3.1 Grundsätze

§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG erfasst nur Einkünfte im Zusammenhang mit Vergütungen für die „Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von Rechten“. Dabei ist eine zeitlich begrenzte Überlassung von Rechten und damit eine Nutzungsüberlassung auch dann zu bejahen, wenn bei Abschluss des Vertrags ungewiss ist, ob und wann die Überlassung zur Nutzung endet (BFH vom 1. Dezember 1982, I B 11/82, BStBl II 1983, S. 367), nicht jedoch, wenn das Nutzungsrecht dem durch den Vertrag Berechtigten mit Gewissheit endgültig verbleibt (BFH vom 27. Februar 1976 III R 64/74, 77, BStBl II 1976, S. 529), oder ein Rückfall kraft Vertrags nicht in Betracht kommt (BFH vom 1. Dezember 1982 I B 11/82, 178, BStBl II 1983, S. 367). Ein Nutzungsrecht wird hiernach dann nicht „überlassen“, wenn es veräußert wird (BMF-Schreiben vom 25. November 2010, IV C 3 – S 2303/09/10002, BStBl I S. 1350 Rz 23, BFH vom 16. Mai 2001, I R 64/99, BStBl II 2003, S. 641). Dem ist der wirtschaftlich vollständige Verbrauch eines überlassenen Rechts während der eingeräumten Nutzung gleichzustellen, z. B. bei einem veranstaltungs- oder werbekampagnenbezogenen Recht (BMF-Schreiben vom 25. November 2010, IV C 3 - S 2303/09/10002, BStBl I S. 1350 Rz 24). Ob es sich um eine zeitlich begrenzte oder um eine endgültige Überlassung von Rechten handelt, ist nach dem Vertrag und damit nach den Verhältnissen bei Abschluss des Vertrags zu beurteilen. Der Vertrag ist die Rechtsgrundlage für die Überlassung der Rechte und bestimmt deshalb auch die Rechtsnatur der Überlassung (BFH vom 7. Dezember 1977 I R 54/75, BStBl II 1978, S. 355).

Unter Berücksichtigung der urheberrechtlichen Besonderheiten gilt für Softwareauftrags-entwicklung Folgendes:

3.2 Entstehung des Urheberrechts

Das Urheberrecht entsteht zunächst bei dem oder den Schöpfer/n des Werks (vgl. § 7 UrhG). Im Fall der Auftragsentwicklung von Software sind dies in der Regel die Personen, die die Software programmiert und damit geschaffen haben.

3.3 Rechtekauf bei Urheberrechten rechtlich nicht möglich

Die Übertragung des Urheberrechts vom Schöpfer des Werks ist ausgeschlossen (vgl. § 29 Abs. 1 UrhG). Damit sind unter deutschem Recht ein Kauf der Urheberrechte und eine daraus folgende endgültige Nutzungsüberlassung weiterhin rechtlich ausgeschlossen.

3.4 Wirtschaftlicher Rechtekauf (steuerrechtliche Betrachtungsweise)

Nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 69a UrhG ist ein endgültiger wirtschaftlicher Übergang des Urheberrechts in Form eines sogenannten wirtschaftlichen Rechtekaufs (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) grundsätzlich möglich. Denn es besteht – abhängig von der jeweiligen (Vertrags-)Gestaltung im Einzelfall – die Möglichkeit, dass der Urheber für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Fruchtziehung vollständig ausgeschlossen ist und deshalb keine Steuerabzugsverpflichtung nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG besteht.

Da nach § 69a Abs. 5 UrhG § 32a UrhG und § 41 UrhG für Computerprogramme keine Anwendung mehr finden, ist es jedenfalls bei Einräumung umfassender, exklusiver und zeitlich unbeschränkter sowie unwiderruflicher Nutzungs- und Verwertungsrechte an der Software möglich, dass dem Urheber keine wirtschaftlich werthaltigen Positionen mehr verbleiben.

3.5 Abgrenzungskriterien

Für die Abgrenzung zwischen einem wirtschaftlichen Rechtekauf und einer befristeten Nutzungsüberlassung verbunden mit der Verpflichtung zum Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG sind im Bereich der Softwareentwicklung die folgenden nicht abschließenden Kriterien anzuwenden:

Ein wirtschaftlicher Rechtekauf kommt mit Blick auf Urheberrechte nur in Betracht, wenn der Vertrag die Einräumung umfassender, exklusiver und zeitlich unbeschränkter sowie unwiderruflicher Nutzungs- und Verwertungsrechte an der Software vorsieht. Die Voraussetzungen müssen in der Regel kumulativ vorliegen. Soweit und solange beim Urheber oder bei anderen (ausländischen) Personen und Gesellschaften aufgrund des geschlossenen Vertrages Rechte verbleiben, die sich aus dem Urheberrecht ergeben und die über einen eigenen wirtschaftlichen Wert verfügen, ist ein wirtschaftlicher Rechtekauf regelmäßig ausgeschlossen.

Exemplarisch kann ein wirtschaftlicher Rechtekauf bei Urheberrechten ausgeschlossen sein, wenn

  • dem Urheber oder einer anderen (ausländischen) Person oder Gesellschaft Rechte auf eine weitere (finanzielle) Beteiligung (Vertragsanpassung) eingeräumt werden,
  • beim Urheber oder anderen (ausländischen) Personen oder Gesellschaften das Recht auf eine Zweitverwertung des Werkes verbleibt. Dies ist auch dann gegeben, wenn diese erst nach dem Ablauf einer gewissen Zeit zulässig ist,
  • die Überlassung in zeitlicher Hinsicht beschränkt ist. Eine solche Beschränkung kann auch dann vorliegen, wenn diese nur durch den Eintritt weiterer Bedingungen entsteht,
  • dem Urheber oder anderen (ausländischen) Personen oder Gesellschaften Rechte zum Widerruf der Überlassung zustehen. Dafür ist unerheblich, ob diese nur in konkreten (vorher definierten) Einzelfällen bestehen, da dann die wirtschaftlichen Nutzungsrechte in der Regel nicht umfassend übertragen werden,
  • einzelne Ausschnitte der Gesamtheit der Nutzungs- und Verwertungsrechte durch den Urheber oder andere (ausländische) Personen oder Gesellschaften zurückbehalten werden. Dies ist schon dann gegeben, wenn die Ausübung bestimmter Nutzungs- und Verwertungsrechte von der Zustimmung des Urhebers oder anderer (ausländischer) Personen oder Gesellschaften abhängig gemacht wird.

Für die Beurteilung dieser Kriterien ist es unerheblich, ob sich diese Möglichkeit des Urhebers oder anderer (ausländischer) Personen oder Gesellschaften aus dem Vertrag selbst oder aus dem im konkreten Einzelfall anzuwendenden Recht eines anderen Staates ergeben.

Bestehen bei der Anwendung der genannten Kriterien Zweifel, ob eine Verpflichtung zum Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG besteht, ist der Steuerabzug zur Vermeidung eines Haftungsrisikos durchzuführen (vgl. hierzu: BMF-Schreiben vom 25. November 2010, IV C 3 - S 2303/09/10002, BStBl I S. 1350, Tz. 1.4).

Aufgrund der Besonderheiten des Urheberrechts bei Software sind die Abgrenzungs-kriterien nicht auf andere Schutzrechte und andere Urheberrechte übertragbar.

3.6 Tatsächliche Umsetzung

Notwendige Voraussetzung für die Beurteilung einer Steuerabzugsverpflichtung nach § 50a EStG ist, dass die tatsächliche Durchführung der Verträge dem vertraglich vereinbarten entspricht. Unerheblich ist aber, wenn nach dem Vertrag zurückbehaltene, wirtschaftlich werthaltige Rechte des Urhebers oder einer anderen Person aus dem Urheberrecht, tatsächlich nicht ausgeübt werden. Für die Beurteilung, ob eine zeitlich befristete oder eine endgültige Rechteüberlassung vorliegt, genügt die Möglichkeit der nachträglichen Geltendmachung von Rechten aus dem Urheberrecht.

3.7 Entwicklung durch Mitarbeiter im Ausland (§ 69b UrhG)

Für die Beurteilung, ob eine Steuerabzugsverpflichtung nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG besteht, ist unerheblich, ob sich der ausländische Auftragnehmer zur Entwicklung der Software Arbeitnehmern bedient. Nach § 69b Abs. 1 UrhG gilt, dass bei einer von einem Arbeitnehmer in Wahrnehmung seiner Aufgaben oder nach den Anweisungen seines Arbeitgebers geschaffenen Software ausschließlich der Arbeitgeber zur Ausübung aller vermögensrechtlichen Befugnisse an dem Computerprogramm berechtigt ist. Die vermögensrechtliche Position entsteht damit weiterhin im Ausland, sodass keine abweichende Beurteilung angezeigt ist. Es kommt auf die Beurteilung des Überlassungs-vorgangs nach Deutschland an.

3.8 Mehrstufige Vertragsverhältnisse

Ein mehrstufiges Vertragsverhältnis ist gegeben, wenn vor der Überlassung der Nutzungs- und Verwertungsrechte aus dem Urheberrecht eine oder mehrere Nutzungs-überlassungen im Ausland stattfinden. Exemplarisch ist hierfür der Einsatz von Subunternehmen durch den Auftragnehmer im Ausland.

Zur Beurteilung dieser Vertragsverhältnisse ist jede einzelne Stufe nach den oben dargelegten Grundsätzen zu prüfen und auf jeder Stufe festzustellen, ob ein wirtschaftlicher Rechtekauf des Urheberrechts vorliegt oder eine zeitlich befristete Nutzungs-überlassung. Liegt auf einer der zu prüfenden Stufen lediglich eine zeitlich befristete Nutzungsüberlassung des Urheberrechts vor, scheidet ein wirtschaftlicher Rechtekauf und damit eine endgültige Nutzungsüberlassung bei allen nachgelagerten Nutzungs-überlassungen aus. Die endgültige Nutzungsüberlassung eines lediglich zeitlich befristet überlassenen Urheberrechts ist ausgeschlossen. Zwar kann der Überlassende seine wirtschaftlich werthaltige Rechtsposition vollständig aufgeben, da auf der vorherigen Stufe aber wirtschaftlich werthaltige Rechtspositionen aus dem Urheberrecht verblieben sind, ist das Entstehen der vollen wirtschaftlichen Position beim „Erwerber“ von vorneherein ausgeschlossen.

3.9 Gemischte Verträge

Die Grundsätze zur Behandlung von gemischten Verträgen bei Software sind anzuwenden (vgl. hierzu: BMF-Schreiben vom 27. Oktober 2017, IV C 5 - S 2300/12/10003 :004, BStBl I S. 1448, Tz. I. 3. d)).

3.10 Höhe des Steuereinbehalts

Soweit nach den unter 3. dargestellten Grundsätzen eine Steuerabzugsverpflichtung nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG besteht, unterliegt dem Steuerabzug grundsätzlich der volle Betrag der Einnahmen, es sei denn, es ist eine Aufteilung vorzunehmen.

Betriebsausgaben oder Werbungskosten des Vergütungsgläubigers können nur von den Einnahmen abgezogen werden, wenn die Voraussetzungen des BMF-Schreibens vom 17. Juni 2014, IV C 3 - S 2303/10/10002 :001, BStBl I S. 887 erfüllt sind (vgl. BMF-Schreiben vom 27. Oktober 2017, IV C 5 - S 2300/12/10003 :004, BStBl I S. 1448, Tz. I. 2.).

4. Freistellung und Entlastung

Bei Bestehen einer Steuerabzugsverpflichtung nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG, gelten für die Erteilung von Freistellungsbescheinigungen und die Entlastung vom Steuerabzug die allgemeinen Grundsätze.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht und steht ab sofort für eine Übergangszeit auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen (http://bundesfinanzministerium.de) unter der Rubrik Themen – Steuern – Steuerarten – Einkommensteuer zur Ansicht und zum Abruf bereit.

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