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BFH: Tantiemezahlungen an den Minderheitsaktionär als verdeckte Gewinnausschüttungen

Eine Vergütungsvereinbarung zwischen einer AG und einem Vorstandsmitglied, das zugleich Minderheitsaktionär der AG ist, genügt nur dann dem Fremdver­gleich nicht, wenn die Umstände des Einzelfalles eindeutig darauf schließen lassen, dass sich der Aufsichtsrat bei der Vergütungsvereinbarung einseitig an den Interessen des Vorstandsmitglieds ausgerichtet hat. Davon ist bei einem Aufsichtsrat, der mit Personen besetzt ist, die dem als Minderheitsaktionär be­teiligten Vorstandsmitglied nicht nahestehen, nur auf der Grundlage besonde­rer Umstände auszugehen.

KStG § 8 Abs. 3 Satz 2
AktG § 112

BFH-Urteil vom 24.10.2024, I R 36/22 (veröffentlicht am 13.3.2025)

Vorinstanz: FG Nürnberg vom 19.7.2022, 1 K 1489/20 = SIS 23 01 96

I. Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung von Gewinn- und Um­satztantiemen, die der alleinvertretungsberechtigte Vorstand (zugleich ein Minderheitsaktionär) einer AG als Vorstandsvergütung erhalten hat.

Unternehmensgegenstand der im Jahr 2001 ursprünglich unter einer anderen Firma gegründeten Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer AG, war in den Jah­ren 2012 bis 2016 (Streitjahre) die Verwaltung und Verwertung eigenen Ver­mögens, insbesondere der Erwerb und die Veräußerung von Grundbesitz, so­wie die Vorbereitung und Durchführung von Bauvorhaben. Alleinvertretungs­berechtigter Vorstand (in den Streitjahren zugleich zu 1/3 als Aktionär an der Klägerin beteiligt) war durchgehend K; dieser war von den Be­schränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs befreit. Dem Aufsichts­rat gehörten in den Streitjahren der Vorsitzende P, der stellvertretende Vorsitzende D und F an; P und F waren zudem als Aktionäre zu je einem Drittel an der Klägerin beteiligt.

Nach der Satzung der Klägerin bedürfen Beschlüsse im Aufsichtsrat und im Vorstand der einfachen Mehrheit.

Zwischen der Klägerin und K bestand ein Vorstands-Anstellungsvertrag, der unter anderem vorsah, dass K gewinn- und umsatzabhängige Zahlungen er­halten sollte. Im Einzelnen war folgendes bestimmt:

"Die Vergütung des Vorstands [K] berechnet sich aus dem erwirtschafteten Jahresgewinn vor Abzug der Kosten des Vorstands.
Vom Gewinn vor Abzug Kosten Vorstand bis € 250.000: 40 %
Vom Gewinn vor Abzug Kosten Vorstand über € 250.000: 10 %
mindestens jedoch € 50.000 in 12 gleichen Monatsbeträgen (Fixum).

Zusätzlich erhält [K] eine Umsatzprovision in Höhe von 1 % aus dem jeweili­gen Verkaufsumsatz aus Immobilienverkäufen, unabhängig davon, ob die Ver­käufe nur überwacht oder selbst bewirkt werden."

Im Zuge einer Außenprüfung änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Fi­nanzamt ‑‑FA‑‑) unter anderem die Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuer­messbescheide der Streitjahre. Das FA qualifizierte hierbei die an K gezahlten Vergütungen insgesamt (Umsatztantieme [nach Abzug des Fixums]) bezie­hungsweise teilweise (Gewinntantieme) als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA).

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) Nürnberg ging in seinem Urteil vom 19.07.2022 ‑ 1 K 1489/20 (Entscheidungen der Finanz­gerichte ‑‑EFG‑‑ 2023, 504) unter anderem davon aus, das FA habe die Um­satztantieme zu Recht als vGA qualifiziert. Die vom Bundesfinanzhof (BFH) hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze beanspruchten auch Geltung für den Minderheitsaktionär einer AG.

Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Auffas­sung, dass die wesentlichen Unterschiede zwischen einer GmbH und einer AG, die bei der Vereinbarung der Vorstandsvergütung von einem mit fremden Drit­ten besetzten Aufsichtsrat vertreten werde, vom FG nicht zutreffend gewürdigt worden seien.

Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils der Vorinstanz und der Einspruchsentscheidung vom 29.10.2020 die Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2012 bis 2016 sowie die Bescheide über die gesonderte Feststel­lung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2013 sowie des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.2013 und zum 31.12.2014, jeweils vom 24.09.2019, dahingehend zu ändern, dass mit Ausnahme eines Betrages von 6.950 € im Jahr 2014 keine vGA im Hinblick auf das Gehalt des Vorstands angesetzt werden.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist hinsichtlich des Bescheids zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2013 sowie der Bescheide zur gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbever­lustes auf den 31.12.2013 und auf den 31.12.2014 unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑), da es sich insoweit um nicht mit Erfolg anfechtbare Folgebescheide handelt (dazu 1.). Im Übrigen ist die Revision begründet und führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entschei­dung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Soweit die Vorinstanz die den Zahlungen der Umsatztantiemen zugrunde liegende Vereinbarung als nicht fremdüblich qualifiziert hat, kann die Entscheidung keinen Bestand ha­ben, da sie auf einer unvollständigen Würdigung aller für den Fremdvergleich maßgeblichen Gesichtspunkte beruht (dazu 2. und 3.). Am gleichen Mangel leidet auch die Entscheidung des FG zur Gewinntantieme (dazu 4.).

1. Dem Bescheid zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvor­trags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2013 kommt aufgrund der Regelun­gen des § 10d Abs. 4 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteu­ergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (KStG) die Wirkung eines Folgebescheids zu. Die vorgenannten Vorschriften ordnen die entspre­chende Anwendung des § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung an, wonach Ent­scheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung dieses Be­scheids, nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheids angegriffen werden können. Einsprüche und Klagen gegen Folgebescheide, die auf Einwendungen gegen die Grundlagenbescheide gestützt werden, sind daher unbegründet (Senatsurteil vom 15.03.2021 ‑ I R 1/18, Betriebs-Berater 2021, 2337). Für die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbe­verlustes auf den 31.12.2013 und auf den 31.12.2014 gilt aufgrund der Rege­lung in § 35b Abs. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes in der für die Streit­jahre geltenden Fassung (GewStG) nichts anderes.

2. a) Unter einer vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapi­talgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG (für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 Satz 1 GewStG) auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung durch das Gesell­schaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesell­schafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines or­dentlichen und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters einem Nichtgesell­schafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des Senats seit Urteil vom 16.03.1967 ‑ I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Außerdem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen Bezug im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 07.08.2002 ‑ I R 2/02, BFHE 200, 197, BStBl II 2004, 131; vom 08.09.2010 ‑ I R 6/09, BFHE 231, 75, BStBl II 2013, 186; Senatsbeschluss vom 13.07.2021 ‑ I R 16/18, BFHE 274, 36, BStBl II 2022, 119; Senatsurteil vom 22.05.2024 ‑ I R 2/21, BFH/NV 2024, 1337).

b) Diese Maßstäbe gelten im Grundsatz auch im Verhältnis einer AG zu ihren Aktionären, insbesondere gelten sie für die steuerrechtliche Beurteilung von Vergütungsvereinbarungen mit Vorstandsmitgliedern, die zugleich Aktionäre sind (vgl. Senatsurteile vom 15.12.1971 ‑ I R 76/68, BFHE 104, 530, BStBl II 1972, 436; vom 15.12.1971 ‑ I R 5/69, BFHE 104, 524, BStBl II 1972, 438; vom 18.12.2002 ‑ I R 93/01, BFH/NV 2003, 946). Allerdings können die Rechtsregeln, die im Zusammenhang mit der steuerrechtlichen Behandlung von Vereinbarungen mit Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH entwi­ckelt wurden, nicht uneingeschränkt auf den Bereich der AG übertragen wer­den. Insbesondere kann eine Vereinbarung mit einem Mehrheitsaktionär, der zugleich Vorstandsmitglied der AG ist, nicht ohne Weiteres mit der Vereinba­rung einer GmbH gegenüber ihrem beherrschenden Gesellschafter-Geschäfts­führer gleichgesetzt werden. Dem stehen die strukturellen Unterschiede in den Entscheidungsstrukturen zwischen einer AG und einer GmbH entgegen, die im Bereich der Veranlassungsprüfung Wirkkraft haben (so im Ansatz auch Oppenländer, Verdeckte Gewinnausschüttung, 2004, S. 49 f.). So wird die AG gemäß § 112 des Aktiengesetzes (AktG) bei Rechtsgeschäften mit ihren Vor­standsmitgliedern von ihrem Aufsichtsrat vertreten, wodurch eine Wahrung der Interessen der Gesellschaft eher gewährleistet ist als bei Verträgen zwi­schen einer GmbH und ihrem beherrschenden Gesellschafter. Denn gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG hat der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Gesamt­bezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds (Gehalt, Gewinnbeteiligungen, Provi­sionen und andere) dafür zu sorgen, dass diese in einem ange­messenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds sowie zur Lage der Gesellschaft stehen und die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen. Gleichwohl kann im Einzelfall eine vertragliche Gestaltung im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und ihrem Vorstandsmit­glied, das zugleich Mehrheitsaktionär ist, einseitig an den Interessen des Vor­standsmitglieds und nicht auf einen gerechten Ausgleich der beiderseitigen Interessen ausgerichtet sein. In einem solchen Fall liegt auch bei einer AG eine vGA vor (Senatsurteile vom 15.12.1971 ‑ I R 76/68, BFHE 104, 530, BStBl II 1972, 436; vom 15.12.1971 ‑ I R 5/69, BFHE 104, 524, BStBl II 1972, 438; vom 18.12.2002 ‑ I R 93/01, BFH/NV 2003, 946).

c) Die in der ‑‑Mehrheitsaktionäre betreffenden‑‑ Senatsrechtsprechung her­ausgestellten Besonderheiten sind auch dann zu beachten, wenn es um die Beurteilung von Vereinbarungen zwischen der AG und einem Vorstandsmit­glied geht, das "lediglich" Minderheitsaktionär ist. In dieser Konstellation ist eine Beherrschungssituation nicht gegeben. Insbesondere verfügt der Minder­heitsaktionär nicht über die für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder erforderli­che Mehrheit in der Hauptversammlung (vgl. die Satzung der Klägerin sowie § 101 Abs. 1 Satz 1, § 133 Abs. 1 AktG; s.a. Grundmann in Hirte/Mülbert/Roth, Großkommentar AktG, 5. Aufl., § 133 Rz 105) und hat folglich nicht ohne Weiteres die Möglichkeit, ihm genehme und seinen Wün­schen geneigte Personen zu Aufsichtsratsmitgliedern zu wählen (vgl. Senatsur­teil vom 15.12.1971 ‑ I R 5/69, BFHE 104, 524, BStBl II 1972, 438). Darüber hinaus sind auch die Einflussmöglichkeiten des Minderheitsaktionärs geringer als die Einflussmöglichkeiten des Minderheitsgesellschafters einer GmbH. Dies folgt insbesondere aus der Stellung des Aufsichtsrats einer AG nach § 112 AktG und hat zur Konsequenz, dass auch eine Vereinbarung mit dem zum Vor­stand bestimmten Minderheitsaktionär dem materiellen Fremdvergleich nur dann nicht genügt, wenn die Umstände des Einzelfalles eindeutig ergeben, dass sich der Aufsichtsrat einseitig an den Interessen des Vorstandsmitglieds ausgerichtet hat (vgl. zu Beherrschungssituationen Senatsurteil vom 18.12.2002 ‑ I R 93/01, BFH/NV 2003, 946; Brandis/Heuermann/Rengers, § 8 KStG Rz 118; s.a. Janssen/Rehfeld, Verdeckte Gewinnausschüttungen, 13. Aufl., Rz 466). Eine einseitige Ausrichtung an Interessen des Vorstands­mitglieds dürfte bei einem Aufsichtsrat, der mit Personen besetzt ist, die dem Vorstand nicht nahestehen (s. zur Abgrenzung die Fallsituation im Urteil des FG Düsseldorf vom 24.04.2024 ‑ 7 K 113/21 K,G, EFG 2024, 1227 [dazu Dörnhaus, EFG 2024, 1232] betreffend den Fall eines Mehrheitsaktionärs [94 %] und einem mit Familienangehörigen besetzten Aufsichtsrat, anhängige Nichtzulassungsbeschwerde I B 15/24), nur ausnahmsweise in Betracht kom­men. Denn wirtschaftlich betrachtet stehen sich in einer solchen Konstellation Personen gegenüber, die sich fremd sind und die typischerweise unterschiedli­che Interessen verfolgen.

d) Die Gesamtwürdigung der für den Fremdvergleich erheblichen Anhaltspunk­te obliegt im gerichtlichen Verfahren in erster Linie dem FG. Dessen Wertung kann im Revisionsverfahren daher nur daraufhin überprüft werden, ob sie in verfahrensfehlerhafter Weise zustande gekommen ist oder ob sie gegen Denk­gesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt. Ist beides nicht der Fall, ist der BFH als Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO auch dann an die Beurteilung des FG gebunden, wenn eine abweichende Würdigung des Veranlassungszusammenhangs gleichermaßen möglich oder nahe liegend ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteile vom 23.07.2003 ‑ I R 80/02, BFHE 203, 114, BStBl II 2003, 926; vom 06.04.2005 ‑ I R 15/04, BFHE 210, 14, BStBl II 2006, 196; vom 19.10.2005 ‑ I R 40/04, BFH/NV 2006, 822; vom 09.12.2010 ‑ I R 28/09, BFH/NV 2011, 850).

Bei seiner Gesamtwürdigung hat das FG alle für den Fremdvergleich maßgebli­chen Umstände zu berücksichtigen. Deshalb ist die Gesamtwürdigung materi­ell-rechtlich fehlerhaft und für das Revisionsgericht nicht bindend, wenn die Tatsacheninstanz die maßgeblichen Umstände nicht vollständig oder ihrer Be­deutung entsprechend in ihre Überzeugungsbildung einbezieht (vgl. Senatsur­teil vom 19.10.2005 ‑ I R 40/04, BFH/NV 2006, 822; s. ‑‑zu vergleichbaren Zusammenhängen‑‑ auch BFH-Urteile vom 12.05.2009 ‑ IX R 46/08, BFHE 225, 112, BStBl II 2011, 24; vom 18.06.2015 ‑ VI R 77/12, BFHE 250, 132, BStBl II 2015, 903; vom 04.10.2016 ‑ IX R 8/16, BFHE 255, 259, BStBl II 2017, 273; vom 21.06.2017 ‑ V R 4/17, BFHE 259, 146, BStBl II 2018, 370).

3. Nach diesen Maßstäben kann das FG-Urteil, soweit dort (bei "nicht überhöh­ter Gesamtausstattung") die gezahlten Umsatztantiemen in voller Höhe als vGA qualifiziert wurden, keinen Bestand haben. Die Würdigung der Vorinstanz ist unvollständig.

a) Das FG hat sich bei seiner Würdigung nicht mit der Frage befasst, ob sich der Aufsichtsrat, der von K nicht beherrscht war, einseitig an den Interessen des von den Tantiemezahlungen begünstigten Aktionärs (K) orientiert hat. Vielmehr ist das FG im Ausgangspunkt rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass bei Vereinbarungen der AG mit dem Minderheitsaktionär-Vorstand letzt­lich nur die "normalen" ‑‑zu GmbH-Gesellschaftern entwickelten‑‑ vGA-Grund­sätze anzuwenden seien. Wenn es für die betreffende vGA-Komponente nicht auf eine Beherrschungssituation in einer (GmbH‑)Gesellschafterversammlung ankomme, müssten diese Grundsätze gleichlaufend für den Minderheitsaktionär gelten, wenn der Beschluss im Aufsichtsrat getroffen werde.

Grundsätzlich relativiert aber erst eine Beherrschungssituation im Aufsichtsrat die Rolle des Aufsichtsrats als eines zur Wahrung der Interessen der AG ver­pflichteten Gremiums und lässt eine einseitige Interessenwahrnehmung zu­gunsten des begünstigten Vorstandsmitglieds als naheliegend erscheinen. Aus einer fehlenden Beherrschungssituation folgt zwar nicht, dass eine vGA-Prü­fung beziehungsweise ein materieller Fremdvergleich bei Vergütungsvereinba­rungen mit dem Minderheitsaktionär-Vorstand grundsätzlich unterbleiben kann (so aber Janetzko in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Rz 254; eventuell auch Gosch in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 8 Rz 566, 568). Denn der Grund für die Fremdvergleichsprüfung liegt in dem ‑‑auch im Streitfall‑‑ gegebenen Beteili­gungsverhältnis, das zur Beantwortung der Frage nötigt, ob die zwischen dem Gesellschafter und der Kapitalgesellschaft geschlossene Vereinbarung ihre Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis oder in der betrieblichen Sphäre hat (vgl. Gosch in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 8 Rz 287, 292). Allerdings nähern sich durch die "Unabhängigkeit" des Aufsichtsrats die Verhältnisse denen an, wie sie zwischen fremden Dritten bestehen. Und Vereinbarungen zwischen frem­den Dritten werden im Ertragsteuerrecht im Grundsatz ohne Fremdvergleichs­prüfung der Besteuerung zugrunde gelegt. Dass die Vereinbarung zwischen der Kapitalgesellschaft und einem Minderheitsaktionär-Vorstand unter maß­geblicher Beteiligung eines "unabhängigen" Aufsichtsrats zustande gekommen ist, macht somit wegen der gegebenen Beteiligungssituation die Fremdver­gleichsprüfung zwar nicht entbehrlich, jedoch stellt die "Unabhängigkeit" des Aufsichtsrats ein sehr starkes Beweisanzeichen gegen das Vorliegen einer ein­seitigen Interessenwahrnehmung und damit für die Fremdüblichkeit der Ver­gütungsvereinbarung dar (so im Ergebnis auch Kohlhepp, Verdeckte Gewinn­ausschüttung, 2008, S. 45, wonach bei Handlungen eines mit unabhängigen Personen besetzten Aufsichtsrats Besonderheiten gelten müssen; s.a. Kohlhepp, Der Betrieb 2023, 2968, 2974; Binnewies/Ruske, Die Aktienge­sellschaft 2023, 159, 160; in der Tendenz auch Tiedchen, EFG 2023, 507).

b) Die Zeugenaussagen der Aufsichtsratsmitglieder P und F wurden vom FG ‑‑in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise‑‑ zum Zwecke der Aus­legung der streitgegenständlichen Vergütungsvereinbarung herangezogen. Die Zeugenaussagen, deren protokollierter oder durch konkrete Bezugnahme auf die Akten einbezogener Inhalt zu den tatsächlichen Feststellungen im Sinne des § 118 Abs. 2 FGO gehört (vgl. allgemein Senatsurteil vom 23.01.1985 ‑ I R 30/81, BFHE 143, 117, BStBl II 1985, 305), wurden indessen bei der Prü­fung, ob die vereinbarten Umsatztantiemen dem materiellen Fremdvergleich genügen, vom FG nicht gewürdigt.

Das FG hat die Umsatztantieme-Vereinbarung auf der Grundlage der zur GmbH ergangenen Senatsrechtsprechung im Wesentlichen deshalb nicht aner­kannt, weil die Tantieme nicht zeitlich und höhenmäßig begrenzt gewesen sei. In seine Würdigung hat das FG indes nicht die übereinstimmenden Zeugen­aussagen von P und F einbezogen, dass sie die Umsatztantieme als angemes­sen betrachtet haben. K als Vorstand sei gehalten gewesen, jedes Immobilien­projekt vorab mit detaillierten Kalkulationen dem Aufsichtsrat zur Genehmi­gung zu unterbreiten. Nur rentable Projekte seien umgesetzt worden. Bei der Rentabilitätsbeurteilung sei klar gewesen, dass eine 1%ige Umsatzprämie an K zu zahlen sei.

Soweit der Senat in seiner Rechtsprechung eine Begrenzung der Umsatztan­tieme verlangt, beruht dies auf der Überlegung, dass solche Tantiemen die Gefahr einer Gewinnabsaugung beziehungsweise "einer die Rendite vernach­lässigenden Umsatzsteigerung" in sich bergen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 19.02.1999 ‑ I R 105‑107/97, BFHE 188, 61, BStBl II 1999, 321). Solche Risi­ken bestehen aber nicht, wenn in einem besonders gelagerten Einzelfall die Gewinnträchtigkeit beziehungsweise Rentabilität der Geschäftstätigkeit ‑‑unter Berücksichtigung von zu zahlenden Umsatztantiemen‑‑ nach der üblichen be­trieblichen Praxis von einem mit unabhängigen Personen besetzten Aufsichts­rat vorab kontrolliert und damit sichergestellt wird. Ob diese Voraussetzungen im Streitfall auf Grundlage der Zeugenaussagen von P und F erfüllt sind, hätte das FG in seine Würdigung einbeziehen müssen.

c) Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung Umsatztantiemen in GmbH-Strukturen in der Regel als vGA gewürdigt (vgl. Senatsurteil vom 19.02.1999 ‑ I R 105‑107/97, BFHE 188, 61, BStBl II 1999, 321; Senatsbe­schluss vom 12.10.2010 ‑ I B 70/10, BFH/NV 2011, 301; Gosch in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 8 Rz 1273; Brandis/Heuermann/Rengers, § 8 KStG Rz 685; jeweils m.w.N.). Dies besagt aber nicht, dass diese Vergütungsform bei Ge­sellschafter-Geschäftsführern einer GmbH generell als vGA anzusehen ist. Eine solche liegt vielmehr dann nicht vor, wenn im Einzelfall besondere Gründe vor­liegen, die die Gewährung einer umsatzabhängigen Vergütung ausnahmsweise als sachgerecht erscheinen lassen. Die vom Senat bereits anerkannten "Aus­nahmen" (Senatsurteile vom 20.09.1995 ‑ I R 130/94, BFH/NV 1996, 508, zur Aufbauphase des Unternehmens; vom 28.06.2006 ‑ I R 108/05, BFH/NV 2007, 107, zu einem ausschließlich für den Vertrieb zuständigen Geschäftsführer) sind nicht abschließend. Entscheidend ist das Vorliegen besonderer betriebs­bezogener Gründe im Einzelfall (Senatsbeschluss vom 09.06.2004 ‑ I B 10/04, BFH/NV 2004, 1424, zu Umsatztantiemen für einen AG-Vorstand, der 35 % der Aktien hielt).

Neben der Angemessenheitsbeurteilung durch den ‑‑nicht von K beherrsch­ten‑‑ Aufsichtsrat hätte das FG insoweit noch weitere Einzelfallumstände in seine Würdigung einbeziehen müssen. Hierzu gehört, dass der Aufsichtsrat mit Personen besetzt war, die offenbar über erhebliche Erfahrung im Wirtschafts­leben verfügt haben (zu diesem Gesichtspunkt z.B. Senatsbeschluss vom 09.06.2004 ‑ I B 10/04, BFH/NV 2004, 1424). Die Aufsichtsratsmitglieder P und F waren zu je einem Drittel selbst an der Klägerin beteiligt und hatten prima facie kein Interesse daran, Gewinne verdeckt und damit disquotal an K auszuschütten. Bei dem nicht an der Klägerin beteiligten Aufsichtsratsmitglied D spricht auf der Grundlage der bisherigen tatrichterlichen Feststellungen nichts dafür, dass dieser einseitig K habe begünstigen wollen.

4. Die steuerrechtliche Beurteilung der Gewinntantieme durch das FG kann ebenfalls keinen Bestand haben. Auch insoweit hat das FG die zu GmbH-Kon­stellationen entwickelten Rechtsgrundsätze auf den Streitfall übertragen, ohne die Strukturunterschiede zwischen AG und GmbH zu berücksichtigen. Zur Klä­rung der Frage, ob der Aufsichtsrat sich einseitig an den Interessen des K orientiert oder auf einen gerechten Ausgleich der beiderseitigen Interessen abgezielt hat, hätte das FG sowohl die Strukturunterschiede als auch die Zeu­genaussagen von P und F in seine Würdigung einbeziehen müssen.

Zwar hat der BFH in seiner zu GmbH-Strukturen ergangenen Rechtsprechung bei der Vereinbarung und Bemessung von Gewinntantiemen die Nichtberücksichti­gung erwirtschafteter Verluste als regelmäßig fremdunübliches Verhalten an­gesehen (Senatsurteil vom 18.09.2007 ‑ I R 73/06, BFHE 219, 72, BStBl II 2008, 314, m.w.N.; Senatsbeschluss vom 04.05.2011 ‑ I B 93/10, BFH/NV 2011, 1920). Jedoch wäre bei der Einzelfallwürdigung in AG-Strukturen wie der vorliegenden zu berücksichtigen, dass etwa der Zeuge F in seiner schriftli­chen Stellungnahme die Überlegungen für die Ausgestaltung der Vorstands­vergütung ausführlich dargelegt hat. Danach habe der Aufsichtsrat eine "noch weitergehende Verlustverrechnung bei der Ermittlung der gewinnabhängigen Tantieme" nicht als notwendig angesehen, weil K in einem wirtschaftlich schlechten Jahr lediglich ein Fixum von 50.000 € zugestanden habe. Dass das FG diese 50.000 € als "echtes", dem K auch in Verlustjahren zustehendes Fi­xum interpretiert hat, ist angesichts des Wortlauts der vertraglichen Regelung nicht zu beanstanden.

5. Da das FG maßgebliche Beweisanzeichen bei seiner Gesamtwürdigung au­ßer Acht gelassen hat, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das Revisionsgericht kann die Durchführung des Fremdvergleichs, die eine Würdigung aller Beweisanzeichen erfordert, nicht selbst vornehmen. Das FG hat daher im zweiten Rechtsgang die Sache insgesamt erneut zu beur­teilen.

6. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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  • "Herzlichen Dank für die schnelle Antwort. Das funktioniert, wie alles bei Ihnen, wunderbar. An dieser Stelle mal ein großes Lob an das gesamte Team. Ich bin wirklich froh, dass es Sie gibt."

    Uwe Lewin, Geschäftsführer Exacta Steuerberatungs GmbH, 07546 Gera

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