BFH: Berufshaftpflichtversicherung einer Sozietät zugunsten ihrer angestellten Rechtsanwälte kann teilweise zu Arbeitslohn führen
- Die Einbeziehung eines angestellten Rechtsanwalts in die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung einer Sozietät führt in Höhe des Prämienanteils, der auf die in § 51 Abs. 4 BRAO vorgeschriebene Mindestversicherungssumme entfällt, zu Arbeitslohn, wenn der angestellte Rechtsanwalt erst durch den Einbezug in die Sozietätsversicherung seiner Versicherungspflicht nach § 51 Abs. 1 Satz 1 BRAO genügt.
- Haftet der angestellte "Briefkopfanwalt" im Außenverhältnis nicht für eine anwaltliche Pflichtverletzung, ist seine Einbeziehung in den über die Mindestversicherungssumme hinausgehenden Versicherungsschutz der Sozietät allein dieser aus versicherungsrechtlichen Gründen geschuldet. Der hierauf entfallende Prämienanteil führt daher nicht zu Arbeitslohn.
EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 19 Abs. 1 Satz 2
BRAO § 12 Abs. 2, § 14 Abs. 2 Nr. 9, § 51 Abs. 1 Satz 1, § 51 Abs. 4, § 59j
FGO § 118 Abs. 2
BFH-Urteil vom 1.10.2020, VI R 12/18 = SIS 21 02 02 (veröffentlicht am 11.2.2021)
Vorinstanz: Thüringer FG vom 8.11.2017, 3 K 337/17 = SIS 18 16 63
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Rechtsanwaltssozietät in der Rechtsform einer GbR, bestehend aus fünf Partnern und zwischen 15 und 20 angestellten Rechtsanwälten. Die Angestellten sind auf dem Kanzleibriefkopf unter Hinweis auf ihr Anstellungsverhältnis aufgeführt.
Gemäß Versicherungsschein der ... Versicherung hatte die Klägerin als Versicherungsnehmerin für ihre "Tätigkeit als Rechtsanwalt" eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung mit einer Versicherungssumme von 1 Mio. € pro Schadensfall abgeschlossen. Als Zusatzklausel war der Wegfall der Deckelung des Jahreshöchstbetrags vereinbart. Der Versicherungsschein enthielt zudem eine Liste mit Namen der versicherten Rechtsanwälte, nach der neben den Gesellschaftern der Klägerin auch die angestellten Rechtsanwälte versichert waren.
Ob bzw. wie viele der angestellten Rechtsanwälte im Streitzeitraum daneben eine eigene Haftpflichtversicherung abgeschlossen hatten, ist nicht bekannt.
Im Rahmen einer bei der Klägerin für den Zeitraum von Januar 2011 bis März 2015 (Streitzeitraum) durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung gelangte die Prüferin zu der Auffassung, die Beiträge für die im Namen und auf Rechnung der Klägerin abgeschlossene Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung stellten für die angestellten Rechtsanwälte Arbeitslohn dar, weil diese nach § 51 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) selbst zum Abschluss der Versicherung verpflichtet seien und deshalb ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Klägerin als Arbeitgeberin ausscheide.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) schloss sich dem an und erließ einen Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 954 veröffentlichten Gründen statt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Rechtssache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) --neben Gehältern und Löhnen-- auch andere Bezüge und Vorteile, die "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG). Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist vielmehr zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellen, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers also im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 07.05.2014 - VI R 73/12, BFHE 245, 230, BStBl II 2014, 904, Rz 15; vom 19.11.2015 - VI R 74/14, BFHE 252, 129, BStBl II 2016, 303, Rz 10; vom 10.03.2016 - VI R 58/14, BFHE 253, 243, BStBl II 2016, 621, Rz 16, und vom 04.07.2018 - VI R 16/17, BFHE 261, 543, BStBl II 2019, 373, Rz 11).
Danach liegt steuerbarer Arbeitslohn in der Regel auch dann vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer --wie im Streitfall-- Aufwendungen erstattet, die der Arbeitnehmer --wie vorliegend-- zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) tätigt. Dahingehender Barlohn (Werbungskostenersatz) ist nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen wie z.B. § 3 Nr. 30 EStG steuerfrei (Senatsurteile vom 28.03.2006 - VI R 24/03, BFHE 212, 556, BStBl II 2006, 473, Rz 13, und vom 12.04.2007 - VI R 53/04, BFHE 217, 551, BStBl II 2007, 536, Rz 14).
a) Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen, sind dagegen nicht als Arbeitslohn anzusehen. Vorteile besitzen danach keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Das ist der Fall, wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden kann (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 14.11.2013 - VI R 36/12, BFHE 243, 520, BStBl II 2014, 278, Rz 10, und in BFHE 253, 243, BStBl II 2016, 621, Rz 17).
b) Durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasste, zu Lohn führende Zuwendungen erbringt der Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern hiernach erst recht nicht, wenn er ausschließlich gegenüber Dritten eigene Verpflichtungen eingeht und eigene Ansprüche erwirbt, die keinen unmittelbaren Zusammenhang zu seinen Arbeitnehmern und den mit ihnen begründeten Dienstverhältnissen aufweisen. Daraus für die Arbeitnehmer folgende etwaige Annehmlichkeiten sind bloße Reflexwirkungen einer ausschließlich eigenbetrieblichen Betätigung des Arbeitgebers, mit der er andere betriebsfunktionale Zielsetzungen als die Entlohnung seiner Arbeitnehmer verfolgt (Senatsurteile in BFHE 252, 129, BStBl II 2016, 303, und vom 19.11.2015 - VI R 47/14, BFHE 252, 124, BStBl II 2016, 301).
2. Nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsgrundsätze hat der erkennende Senat die Übernahme der Beiträge zu der Berufshaftpflichtversicherung einer angestellten und auf dem Briefkopf der Sozietät ohne weitere Kennzeichnung aufgeführten Rechtsanwältin durch den Arbeitgeber als Arbeitslohn beurteilt (Urteil vom 26.07.2007 - VI R 64/06, BFHE 218, 370, BStBl II 2007, 892). Denn ein Rechtsanwalt ist gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 BRAO gesetzlich verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. Ein Verstoß gegen diese Pflicht wird mit der Nichtzulassung zum Beruf (§ 12 Abs. 2 BRAO) oder der Entfernung aus diesem sanktioniert (§ 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO). Der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung ist damit unabdingbar für die Ausübung des Berufs eines (angestellten) Rechtsanwalts. Kommt er der gesetzlichen Verpflichtung nach, handelt er typischerweise im eigenen Interesse. Nach der Rechtsprechung des Senats liegt die Übernahme der Versicherungsbeiträge durch den Arbeitgeber folglich nicht in dessen ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse, sondern auch im wesentlichen Interesse des angestellten Rechtsanwalts (zustimmend z.B. Diller, Anwaltsblatt --AnwBl-- 2010, 269). Wegen der möglichen Haftung als "Scheinsozius" (dazu Diller, AnwBl 2010, 269, 270) gilt dies auch insoweit, als die Versicherungssumme die Mindestversicherungssumme nach § 51 Abs. 4 BRAO übersteigt (Senatsurteil in BFHE 218, 370, BStBl II 2007, 892, unter II.2.).
Andererseits hat der erkennende Senat entschieden, dass der Erwerb eigenen Haftpflichtversicherungsschutzes durch den Arbeitgeber --sowohl im Fall einer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH als auch einer Rechtsanwalt-GbR-- zu keinem lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil bei den Arbeitnehmern führt (Urteile in BFHE 252, 129, BStBl II 2016, 303, und in BFHE 253, 243, BStBl II 2016, 621).
a) Im Fall der Rechtsanwaltsgesellschaft mbH lag dem zugrunde, dass der von der Gesellschaft erworbene Versicherungsschutz der Deckung der sich aus ihrer Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden i.S. der §§ 59j, 51 Abs. 1 Satz 1 BRAO diente. Deshalb versicherte die Rechtsanwaltsgesellschaft mbH durch den Abschluss der Berufshaftpflichtversicherung ihre eigene Berufstätigkeit und wandte ihren Arbeitnehmern dadurch weder Geld noch einen geldwerten Vorteil in Form des Versicherungsschutzes zu.
b) Im Fall der Rechtsanwalts-GbR war maßgebend, dass diese die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung abgeschlossen hatte und die Versicherung hiernach der Deckung des mit dem Betrieb der Klägerin verbundenen Haftungsrisikos, also dem eigenen Versicherungsschutz der GbR und ihrer Gesellschafter, diente. Für eine etwaige weitere Anwaltstätigkeit (z.B. eine freiberufliche Tätigkeit) außerhalb der Tätigkeit für die GbR hatten die angestellten Rechtsanwälte darüber hinaus im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungen in Höhe der Mindestversicherungssumme abgeschlossen. Durch den Erwerb ihres eigenen Versicherungsschutzes wandte die GbR den bei ihr angestellten Rechtsanwälten daher keinen geldwerten Vorteil zu.
Bloße Reflexwirkungen der originär eigenbetrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers führen --wie oben dargelegt-- nicht zu Arbeitslohn. Dies gilt auch, soweit sich der Versicherungsschutz des Arbeitgebers auf die zu ihm in einem Dienstverhältnis stehenden Personen erstreckt (hierzu auch Senatsurteile in BFHE 253, 243, BStBl II 2016, 621, Rz 22, und in BFHE 252, 124, BStBl II 2016, 301, Rz 16).
3. Nach diesen Maßstäben hat das FG zu Unrecht angenommen, allein die Mitversicherung der angestellten Rechtsanwälte über die von der Klägerin abgeschlossene Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung schließe das Vorliegen eines lohnsteuerbaren geldwerten Vorteils aus. Es hat im Rahmen der ihm obliegenden Gesamtwürdigung (hierzu z.B. Senatsurteil in BFHE 218, 370, BStBl II 2007, 892) nicht alle maßgeblichen Umstände berücksichtigt. Eine solche Gesamtwürdigung des FG ist rechtsfehlerhaft; sie bindet den Senat dementsprechend auch nicht gemäß § 118 Abs. 2 FGO (s. Senatsurteil vom 12.07.2017 - VI R 59/15, BFHE 258, 444, BStBl II 2018, 461, Rz 38).
a) Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) handelte es sich vorliegend um eine im eigenen Namen und auf eigene Rechnung der Klägerin abgeschlossene Versicherung, wobei sämtliche Rechtsanwälte (Gesellschafter und angestellte Rechtsanwälte) der Klägerin als versicherte Personen einzeln genannt sind.
aa) Für die Erfüllung der Versicherungspflicht nach § 51 BRAO ist es unerheblich, ob der einzelne Anwalt oder die Anwaltsgesellschaft versichert ist (Diller in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 51 Rz 26; v. Rintelen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2015, § 26 Rz 292). Die Versicherung der Berufsträgergesellschaft selbst verstößt deshalb nicht gegen § 51 BRAO (Diller, Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte: AVB-RSW, 2. Aufl. 2017, § 1 Rz 129). Es muss indes sichergestellt sein, dass jeder in der Sozietät tätige Rechtsanwalt Versicherungsschutz hat, gleichgültig, ob es sich um eigenen Versicherungsschutz oder um abgeleiteten Versicherungsschutz über eine Sozietätsdeckung handelt (Diller in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 51 Rz 26). Die durch Gesetz vorgeschriebene Pflichtversicherung kann hiernach also auch in der Form bereitgestellt werden, dass sich die Gesellschaft versichert, in der der Rechtsanwalt tätig ist. In diesem Fall ist nicht erforderlich, dass der einzelne Rechtsanwalt sich zusätzlich in Höhe der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestdeckung selbst durch eine getrennte Police versichert (a.A. evtl. Dahns in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl. 2020, § 51 BRAO Rz 6). Allerdings genügt eine Sozietätsdeckung der Versicherungspflicht des § 51 BRAO nur dann, wenn der in der Sozietät tätige Rechtsanwalt auch dann Versicherungsschutz genießt, falls er ausnahmsweise außerhalb der Sozietät tätig wird (Diller in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 51 Rz 26).
bb) Der Versicherungsschutz der arbeitgebenden Berufsträgergesellschaft begründet entsprechend dem Grunde nach in Höhe der in § 51 Abs. 4 BRAO vorgeschriebenen Mindestversicherungssumme einen geldwerten Vorteil, wenn er zugleich den Versicherungsschutz für eine Anwaltstätigkeit außerhalb der Sozietät abdeckt und der angestellte Rechtsanwalt hierfür keine eigene Versicherung vorhält. Denn in diesem Fall wird erst durch den zusätzlichen (personenbezogenen und nicht auf die Tätigkeit in der Sozietät beschränkten) Versicherungsschutz das Erfordernis des § 51 BRAO erfüllt. Insofern unterscheidet sich die Situation von dem dem Senatsurteil in BFHE 252, 124, BStBl II 2016, 301 zugrundeliegenden Sachverhalt. In jenem Fall waren die angestellten Klinikärzte wegen der von der Klinik abgeschlossenen Betriebshaftpflichtversicherung nicht verpflichtet, eigenen personenbezogenen Haftpflichtversicherungsschutz zu erwerben. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung in BFHE 253, 243, BStBl II 2016, 621. Denn dort stand fest, dass die angestellten Rechtsanwälte für ihre Tätigkeit außerhalb der Sozietät eigene Berufshaftpflichtversicherungen abgeschlossen hatten.
cc) Versicherungsrechtlich wird ein angestellter Rechtsanwalt, auch wenn er auf dem Briefkopf als solcher aufgeführt ist, wie ein Sozius i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 1 der Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen sowie Risikobeschreibungen zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte und Patentanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer (AVB-RSW) behandelt und fällt damit unter die sogenannte "Sozienklausel" --hier in § 12 der als Anlage zum Versicherungsschein beigefügten Allgemeinen Bedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und Patentanwälten (AVB)-- (Chab, AnwBl 2012, 190; ders., AnwBl 2012, 274; Diller, Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte: AVB-RSW, 2. Aufl. 2017, § 12 Rz 16).
Zivilrechtlich haftet der angestellte Rechtsanwalt, der als solcher auf dem Briefkopf aufgeführt ist, im Außenverhältnis für anwaltliche Fehler hingegen nicht. Hierfür hat vielmehr die mandatierte Anwaltssozietät einzustehen. Denn der angestellte Rechtsanwalt handelt im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit für die Anwaltssozietät als deren Erfüllungsgehilfe, so dass diese für anwaltliche Pflichtverletzungen des angestellten Rechtsanwalts gemäß § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuchs haftet. Die persönliche Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Sozietät (§ 128 des Handelsgesetzbuchs analog) trifft den angestellten Rechtsanwalt, da er dieser nicht angehört, nicht. Deshalb ist die Versicherungsdeckung der Sozietät für den angestellten Anwalt insoweit nicht von eigenem Interesse, es sei denn, es handelt sich um einen sogenannten "Scheinsozius", der den Mandanten gegenüber bei jedem Haftungsfall der Sozietät nach Rechtsscheingrundsätzen persönlich haftet (Diller, AnwBl 2010, 269, 270).
Die Einbeziehung des angestellten und zivilrechtlich nicht haftenden "Briefkopfanwalts" in den über die Mindestversicherungssumme hinausgehenden Versicherungsschutz einer Sozietät ist daher allein dem Umstand geschuldet, dass für die Sozien im haftungsrechtlichen Sinn durch Anwendung der Durchschnittsleistung (hier in § 12 Abs. 2 AVB) im Versicherungsfall keine Unterdeckung entsteht. Insoweit besteht in Bezug auf die Einbeziehung eines zivilrechtlich nicht haftenden "Briefkopfanwalts" in den Versicherungsschutz ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Sozietät an der versicherungsrechtlich benötigten Höherversicherung und der hierdurch abgedeckten Versicherungssumme. Soweit der angestellte Rechtsanwalt im Falle einer Anwaltstätigkeit außerhalb der Sozietät von der Höherversicherung profitieren könnte, handelt es sich ebenfalls um einen bloßen Reflex der originär eigenbetrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers.
b) Nach dem unstreitigen Vortrag der Klägerin erfüllte die von ihr abgeschlossene Sozietätsversicherung im Hinblick auf die mitversicherten angestellten Rechtsanwälte deren Versicherungspflicht nach § 51 BRAO, weil personenbezogen auch Tätigkeiten außerhalb der Sozietät abgedeckt waren. Soweit die angestellten Rechtsanwälte nicht über eine eigene Berufshaftpflichtversicherung verfügten, sich diese eine --für die Berufsausübung erforderliche-- Versicherung durch ihre Einbeziehung in die Sozietätsversicherung mithin ersparten, stellt der Prämienanteil, soweit er auf die in § 51 Abs. 4 BRAO vorgeschriebene Mindestversicherungssumme entfällt, Arbeitslohn dar.
Da das FG weiter bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO) hat, dass die angestellten Rechtsanwälte als solche auf dem Briefkopf ausgewiesen waren, kam eine zivilrechtliche Haftung der angestellten Rechtsanwälte aus Anwaltsvertrag (Scheinsozienhaftung) nicht in Betracht. Ihre Einbeziehung in den von der Sozietät versicherungsrechtlich benötigten über die Mindestversicherungssumme hinausgehenden Versicherungsschutz erfolgte --wie oben dargelegt-- im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin. Insoweit scheidet die Annahme von Arbeitslohn aus.
c) Im zweiten Rechtsgang wird das FG demzufolge zunächst aufzuklären haben, ob gegebenenfalls einer der angestellten Rechtsanwälte trotz der den Anforderungen von § 51 BRAO genügenden Sozietätsversicherung gleichwohl über eine eigene Berufshaftpflichtversicherung verfügte. In diesem Fall hat das FG den Nachforderungsbescheid in Höhe des auf den betreffenden Rechtsanwalt entfallenden Prämienanteils zu mindern. Soweit dies nicht der Fall ist, hat das FG für die übrigen angestellten Rechtsanwälte den Prämienanteil zu ermitteln, der auf die in § 51 Abs. 4 BRAO vorgeschriebene Mindestversicherungssumme entfällt.
4. Die Übertragung der Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.
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