BFH: Vorsteuerberichtigung bei der Organgesellschaft aufgrund einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung durch den Organträger; Ausgleichsansprüche im Organkreis aufgrund einer „in anderer Weise“ begründeten Masseverbindlichkeit
- Der Vorsteuerabzug ist auch dann bei der Organgesellschaft nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen, wenn der Leistende ein (bereits vereinnahmtes) Entgelt an den Organträger zurückzahlt, der die Zahlung erfolgreich angefochten hat (Anschluss an das BFH-Urteil vom 24.08.2023 ‑ V R 29/21 = SIS 24 00 35).
- Dieser Vorsteuerberichtigungsanspruch ist keine Masseverbindlichkeit der Organgesellschaft im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, der durch eine Handlung des Insolvenzverwalters der Organgesellschaft begründet worden wäre (Anschluss an das BFH-Urteil vom 24.08.2023 ‑ V R 29/21 = SIS 24 00 35).
- Eine in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründete Masseverbindlichkeit der Organgesellschaft i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO kann vorliegen, falls der Insolvenzmasse der Organgesellschaft aufgrund der erfolgreichen Anfechtung des Organträgers ein Ausgleichsanspruch gegen den Organträger (oder dessen Insolvenzmasse) zusteht.
UStG § 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 1 Satz 1
InsO § 35 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 134 Abs. 1, § 144 Abs. 1
BFH-Urteil vom 6.12.2023, XI R 5/20 (veröffentlicht am 15.2.2024)
Vorinstanz: Sächsisches FG vom 29.5.2019, 8 K 1108/17 = SIS 20 15 97
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen der S GmbH (S). Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der S wurde am ….2011 eröffnet.
Die Anteile an S hatte im Jahr 2010 die T GmbH (T) für 1 € erworben.
T war nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) seit Februar 2010 umsatzsteuerrechtliche Organträgerin und S Organgesellschaft. Während des Bestehens der Organschaft meldete T die Umsatzsteuer für den Organkreis an, nahm den Vorsteuerabzug für den Organkreis vor und vereinnahmte entstandene Vorsteuerüberhänge. Da S seit Mai 2010 in Liquiditätsschwierigkeiten war, finanzierte T außerdem seit Juli 2010 Material‑, Personal- und sonstige Kosten der S in Höhe von … €.
Über das Vermögen der T wurde ebenfalls am ….2011 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter der T (Beigeladener) hat daraufhin sämtliche Zahlungen der T an Lieferanten der S erfolgreich gemäß § 134 der Insolvenzordnung (InsO) angefochten, weil S im Zeitpunkt der Bewirkung der Leistung insolvenzreif gewesen sei.
Seit dem ….2011 wird (die Insolvenzmasse der) S unter einer neuen Steuernummer unter anderem wegen Umsatzsteuer geführt. Ihr gegenüber ergingen Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2013 und 2014 (Streitjahre).
Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) setzte aufgrund der erfolgreichen Insolvenzanfechtungen gegenüber dem ehemaligen Insolvenzverwalter über das Vermögen der S mit auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) gestützten Änderungsbescheiden wegen Umsatzsteuer 2013 und 2014 die Umsatzsteuer höher fest. Die Bescheide führten zu Nachzahlungen, die die Insolvenzmasse der S leisten soll.
Den Einspruch der Klägerin, mit der diese geltend machte, dass die von der Masse der T erlangten Vorteile aus den Insolvenzanfechtungen nicht gegen die Masse der S geltend gemacht werden könnten und die Organschaft mit der vorläufigen Insolvenzverwaltung über das Vermögen der T beendet gewesen sei, wies das FA nach Ergehen der Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15.12.2016 ‑ V R 26/16 (BFHE 256, 571, BStBl II 2017, 735) und vom 29.03.2017 ‑ XI R 5/16 (BFHE 257, 465, BStBl II 2017, 738) als unbegründet zurück. Mit der Einspruchsentscheidung stellte das FA richtig, dass mit den angefochtenen Änderungsbescheiden der Vorsteuerabzug verringert worden sei. Die Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sei gegenüber der Insolvenzmasse der S festzusetzen, weil die Forderungen der Lieferanten gegenüber S wieder aufgelebt seien. Der Berichtigungsbetrag sei eine Masseverbindlichkeit. Dass die Zahlungen in die Insolvenzmasse der T erfolgt seien, habe auf das umsatzsteuerrechtliche Ergebnis keinen Einfluss.
Das FG hat mit Beschluss vom 05.12.2018 den Insolvenzverwalter über das Vermögen der T antragsgemäß nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO beigeladen.
Das FG hat der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 1862 veröffentlichten Urteil stattgegeben. Es hat die Auffassung vertreten, die angefochtenen Änderungsbescheide seien aufzuheben, weil die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalterin der S weder durch eigene Handlungen Zahlungsvorgänge angefochten habe noch die streitigen Beträge zur Masse habe ziehen können. Eine Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG hätte nur dann vorgenommen werden dürfen, wenn Masseverbindlichkeiten der S entstanden wären. Nur der als Masseverbindlichkeit anzusetzende Teil des Umsatzsteueranspruchs dürfe durch Steuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Das FG habe im vorliegenden Verfahren nicht darüber zu entscheiden, ob der Beigeladene durch Steuerbescheid in Anspruch zu nehmen sei, wofür spreche, dass sowohl der zunächst in Anspruch genommene Vorsteuerabzug als auch die Notwendigkeit der Berichtigung ausschließlich auf das Handeln der T und des Beigeladenen als Insolvenzverwalter der T zurückzuführen seien. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb die Verantwortung zur Berichtigung auf die Klägerin übergehen solle, obwohl der Beigeladene die Zahlungen angefochten habe.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG, § 55 Abs. 1 InsO).
Es macht in Bezug auf § 17 UStG geltend, das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die aus der Insolvenzanfechtung resultierende Berichtigung allenfalls gegenüber dem Beigeladenen vorzunehmen sei. Zwar habe zunächst T den Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen geltend gemacht. Spätestens im … 2011 habe jedoch die Organschaft geendet. Die Pflicht zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs treffe daher die Klägerin, da mit dem Ende der Organschaft die Leistungsbezüge wieder S zuzurechnen seien. Eventuelle interne Ausgleichsansprüche zwischen S und T beträfen nicht das Rechtsverhältnis der S beziehungsweise der Klägerin zum FA. Dass der Beigeladene einen Ausgleich ablehne, führe nicht dazu, dass T als wirtschaftlich Begünstigte im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG anzusehen sei.
Zu § 55 Abs. 1 InsO trägt das FA vor, das FG habe zu Unrecht angenommen, dass Masseverbindlichkeiten nur angenommen werden könnten, wenn die Klägerin die Insolvenzanfechtung vorgenommen oder die Insolvenzmasse der S eine Zahlung erhalten hätte. Die Auffassung des FG widerspreche dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 16.12.2009 ‑ 8 C 9.09 (Neue Juristische Wochenschrift ‑‑NJW‑‑ 2010, 2152) sowie den BFH-Urteilen vom 18.05.2010 ‑ X R 60/08 (BFHE 229, 62, BStBl II 2011, 429) und vom 03.08.2016 ‑ X R 25/14 (BFH/NV 2017, 317). Es reiche aus, dass die entstandene Abgabenforderung die Insolvenzmasse betreffe und nach Insolvenzeröffnung begründet worden sei, um anzunehmen, dass sie "in anderer Weise" begründet worden sei. Ob dadurch Erträge zur Insolvenzmasse fließen, sei insoweit unerheblich. Die Lieferantenforderungen, die wiederaufgelebt seien, richteten sich gegen die Masse der S. Dies führe spiegelbildlich zur Berichtigung bei S. Außerdem habe der frühere Insolvenzverwalter der S eine vorrangige Deckungsanfechtung gegenüber den Lieferanten unterlassen. Gegenüber anderen Anfechtungsgegnern habe er auf Deckungsanfechtungen verzichtet und dafür Zahlungen zugunsten der Insolvenzmasse der S erhalten, so dass er davon Kenntnis gehabt habe. Die Forderung des FA könne außerdem nicht als insolvenzfreies Vermögen (§ 35 Abs. 1, § 36 InsO) angesehen werden, da die Klägerin als Kapitalgesellschaft über ein solches nicht verfüge.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit an das FG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Vorentscheidung.
Zu § 17 UStG bringt sie vor, Adressat einer Vorsteuerberichtigung sei bei einem vom Organträger geltend gemachten Vorsteuerabzug der Organträger. Forderungen gegenüber der S seien spätestens mit Insolvenzeröffnung uneinbringlich geworden. Der Anspruch des FA könne sich nach § 37 Abs. 2 AO nur gegen den Beigeladenen richten, da die Zahlung der T an die Lieferanten rechtsgrundlos erfolgt sei. Der Hinweis des FA darauf, dass sich die wiederaufgelebten Lieferantenforderungen gegen S richten, lasse außer Betracht, dass dafür der interne Ausgleichsanspruch der T weggefallen sei (Passiv-Passiv-Tausch).
In Bezug auf § 55 InsO bringt die Klägerin vor, es fehle ein Bezug zur Insolvenzmasse. Soweit das FA ein Unterlassen des früheren Insolvenzverwalters der S geltend mache, sei dieses nur schädlich, soweit eine Amtspflicht zum Tätigwerden bestanden habe. Dies sei hier zu verneinen, da Zahlungen der T angefochten worden seien. Insolvenzanfechtungen des Insolvenzverwalters der S seien daher nicht erfolgversprechend gewesen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er macht geltend, die Organschaft habe bereits am ….2011 (dem Tag der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens) geendet. Selbst unter Berücksichtigung der Revisionserwiderung treffe die Auffassung des FA zu. Im Zeitpunkt der Anfechtung habe die Organschaft nicht mehr bestanden. Dass T die angefochtenen Zahlungen geleistet habe, sei für die Vorsteuerberichtigungspflicht der Klägerin nicht relevant. Die Rechtsfolge, dass die Forderungen gegen die S wieder aufleben, ergebe sich aus den §§ 134, 144 InsO. Die Forderungen der Lieferanten gegen S seien zur Tabelle der S anzumelden. Für die Vorsteuerberichtigung könne nichts anderes gelten. Es treffe zwar zu, dass der Insolvenzverwalter der S die Zahlungen nicht habe anfechten können. Allerdings stelle die Anfechtung nur die Situation vor Insolvenzanfechtung (nämlich das Bestehen von Verbindlichkeiten gegenüber S und Rückfluss der Vermögenswerte an T) wieder her. Es liege auch kein Passiv-Passiv-Tausch vor. Der Ausgleichssaldo sei auf das Ende der Organschaft zu berechnen und habe sich durch die erfolgreichen Anfechtungen verändert. Der Beigeladene folge der Auffassung des FA.
Im Laufe des Revisionsverfahrens hat das FA aufgrund einer Umsatzsteuer-Nachschau am 19.03.2020 einen Änderungsbescheid wegen Umsatzsteuer 2014 erlassen, der nach Mitteilung des FA den Streitgegenstand nicht berührt.
II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
Das FG hat zwar zu Recht angenommen, dass das Entstehen von Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO voraussetzt, dass Verbindlichkeiten durch Handlungen des Insolvenzverwalters der Klägerin oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Das FG hat aber nicht geprüft, ob die zweite Alternative des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO dadurch verwirklicht worden ist, dass die Klägerin als Organgesellschaft gegen den Beigeladenen einen Anspruch im Rahmen des zivilrechtlichen Gesamtschuldnerausgleichs erworben hat, der bei der Insolvenzmasse der T eine Masseverbindlichkeit ist, weil er durch Handlungen des Beigeladenen entstanden ist. Dazu sind vom FG weitere Feststellungen zu treffen.
1. Die vom FG offen gelassene Frage, ob im Streitfall die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 17 UStG vorliegen, ist, was das FG bei seiner Entscheidungsfindung noch nicht berücksichtigen konnte, nach der Rechtsprechung des BFH zu bejahen.
a) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert, hat nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag und nach § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG der Unternehmer, an den der Umsatz ausgeführt wurde, den Vorsteuerabzug zu berichtigen. Dies gilt nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Erst wenn das Entgelt nachträglich vereinnahmt wird, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG).
b) Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs beruht unionsrechtlich nicht auf Art. 90, sondern auf Art. 185 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ‑‑MwStSystRL‑‑ (vgl. BFH-Urteile vom 15.12.2016 ‑ V R 26/16, BFHE 256, 571, BStBl II 2017, 735, Rz 12; vom 29.03.2017 ‑ XI R 5/16, BFHE 257, 465, BStBl II 2017, 738, Rz 18; BFH-Beschluss vom 13.11.2018 ‑ V B 60/18, BFH/NV 2019, 134, Rz 4). Soweit es um den Vorsteuerabzug geht, ist dieser zu berichtigen, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, geändert haben (Art. 185 Abs. 1 MwStSystRL). In Fällen, in denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung geleistet wird, können die Mitgliedstaaten eine Berichtigung verlangen (Art. 185 Abs. 2 Unterabs. 2 MwStSystRL). Davon hat die Bundesrepublik Deutschland durch § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG Gebrauch gemacht.
c) Zahlt ein Gläubiger des Insolvenzschuldners Beträge, die er vor Insolvenzeröffnung vom Insolvenzschuldner vereinnahmt hat, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens infolge einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung in die Insolvenzmasse zurück, ist der Vorsteuerabzug gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen (vgl. BFH-Urteile vom 15.12.2016 ‑ V R 26/16, BFHE 256, 571, BStBl II 2017, 735, Rz 14; vom 29.03.2017 ‑ XI R 5/16, BFHE 257, 465, BStBl II 2017, 738, Rz 20; BFH-Beschluss vom 27.09.2017 ‑ XI R 18/16, BFH/NV 2018, 244, Rz 23). Dies gilt ‑‑was das FG noch nicht berücksichtigen konnte‑‑ auch dann, wenn der leistende Unternehmer ein bereits vereinnahmtes Entgelt, das ein Dritter entrichtet hat, an einen Dritten zurückzahlt, weil dessen Insolvenzverwalter die Zahlung erfolgreich angefochten hat, und zwar auch dann, wenn im Zeitpunkt der Rückzahlung über das Vermögen des Leistungsempfängers das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf das zur amtlichen Veröffentlichung bestimmte BFH-Urteil vom 24.08.2023 ‑ V R 29/21 (Rz 11 ff.), dem er sich anschließt.
d) Der Umstand, dass zwischen S und T ursprünglich eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft bestand, ändert an der zivilrechtlichen Selbständigkeit der Organgesellschaft und dem Umstand, dass sich die (wieder aufgelebten) Zahlungsansprüche der Dritten zivilrechtlich gegen S als Vertragspartnerin und nicht gegen T richten, nichts (vgl. BFH-Urteil vom 24.05.2023 ‑ XI R 45/20, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2023, 2282, Rz 34 und 47, m.w.N.).
e) Aufgrund des Insolvenzverfahrens der S sind die wieder aufgelebten zivilrechtlichen Zahlungsansprüche der Leistenden gegen S auch uneinbringlich (vgl. BFH-Urteil vom 24.09.2014 ‑ V R 48/13, BFHE 247, 460, BStBl II 2015, 506, Rz 27; BFH-Beschluss vom 27.09.2017 ‑ XI R 18/16, BFH/NV 2018, 244, Rz 23).
2. Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass die von einem Insolvenzverwalter eines Dritten vorgenommene Insolvenzanfechtung, die eine Vorsteuerberichtigung beim Leistungsempfänger zur Folge hat, nicht dazu führt, dass im Verfahren des Leistungsempfängers der aus der Vorsteuerberichtigung resultierende Steueranspruch im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch eine Handlung des Insolvenzverwalters begründet worden wäre. Im Hinblick auf die insolvenzrechtliche Trennung der Verfahren über die personenverschiedenen Insolvenzschuldner wäre unerheblich, wenn in beiden Verfahren dieselbe Person als Insolvenzverwalter eingesetzt worden wäre. Der Senat verweist auch insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf das BFH-Urteil vom 24.08.2023 ‑ V R 29/21 (Rz 19 ff.), dem er sich anschließt.
3. Nicht geprüft hat das FG allerdings, ob der streitige Steueranspruch des FA gegen die Klägerin eine Masseverbindlichkeit ist, die in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet worden ist, weil S aufgrund der Insolvenzanfechtungen des Beigeladenen möglicherweise ein Ausgleichsanspruch gegen T im Rahmen des internen Gesamtschuldnerausgleichs zwischen ihr und T zustehen könnte. Dieser Anspruch könnte zu der von der Klägerin verwalteten Masse der S gehören (und eine Masseverbindlichkeit der T sein, weil er gegebenenfalls durch die Insolvenzanfechtung als Handlung des Beigeladenen als Insolvenzverwalter der T entstanden ist). Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.
a) Masseverbindlichkeiten sind nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO auch die Verbindlichkeiten, die in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören.
aa) Den "in anderer Weise" durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse begründeten Verbindlichkeiten sind Abgabenforderungen zuzuordnen, soweit sie die Insolvenzmasse betreffen. Dafür kommt es nicht darauf an, ob der Abgabentatbestand durch ein Verhalten des Insolvenzverwalters oder durch andere Tatsachen erfüllt ist; vielmehr genügt, dass die Abgabenforderung selbst einen Bezug zur Insolvenzmasse aufweist und erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurde (vgl. BVerwG-Urteil vom 16.12.2009 ‑ 8 C 9.09, NJW 2010, 2152, Rz 14). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Steuer für einen Gegenstand anfällt, der zur Insolvenzmasse gehört und von ihr genutzt wird (vgl. BFH-Urteil vom 29.08.2007 ‑ IX R 4/07, BFHE 218, 435, BStBl II 2010, 145, unter III.2.b.dd). Eine aktive Maßnahme des Verwalters ist dafür nicht erforderlich (vgl. BFH-Urteile vom 07.07.2020 ‑ X R 13/19, BFHE 270, 24, BStBl II 2021, 174, Rz 38; vom 14.12.2022 ‑ X R 9/20, BFHE 279, 491, Rz 40).
bb) Der Begriff der "Insolvenzmasse" ist in § 35 Abs. 1 InsO dahingehend bestimmt, dass das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen erfasst, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (vgl. BFH-Urteile vom 07.04.2005 ‑ V R 5/04, BFHE 210, 156, BStBl II 2005, 848, unter II.2.b; vom 13.04.2011 ‑ II R 49/09, BFHE 234, 97, BStBl II 2011, 944, Rz 14). Er umfasst das Vermögen des Schuldners im Sinne der Aktiva, nicht seine Verbindlichkeiten (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 12.01.2017 ‑ IX ZR 87/16, Betriebs-Berater 2017, 528, Rz 21; BFH-Urteil vom 24.08.2023 ‑ V R 29/21, Rz 25). "Vermögen" einer Person sind deren Sachen und geldwerten Rechte und Güter (vgl. BFH-Urteil vom 13.04.2011 ‑ II R 49/09, BFHE 234, 97, BStBl II 2011, 944, Rz 19; s.a. zu Einkünften und Gewinnen BFH-Urteile vom 10.07.2019 ‑ X R 31/16, BFHE 265, 300, BStBl II 2022, 488, Rz 53 ff.; vom 07.07.2020 ‑ X R 13/19, BFHE 270, 24, BStBl II 2021, 174, Rz 28 ff.).
b) Ausgehend davon liegt, wovon das FG zutreffend implizit ausgegangen ist, keine durch Steuerbescheid gegenüber der Klägerin festzusetzende Masseverbindlichkeit vor, wenn die Masse der S durch die Anfechtung des Insolvenzverwalters der T kein Aktivvermögen erworben hat. Der Senat verweist auch insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf das BFH-Urteil vom 24.08.2023 ‑ V R 29/21 (Rz 19 ff.).
c) Allerdings hat das FG nicht geprüft, ob S durch die Anfechtung Ansprüche gegen T erworben hat, die zur Masse gehören.
aa) Im Streitfall lag eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft vor, bei der T als Steuerschuldner und S als haftende Organgesellschaft ‑‑obwohl es an der Gleichstufigkeit der Schuld fehlt‑‑ als Gesamtschuldner behandelt werden und ein eventueller Innenausgleich nach bürgerlichem Recht entsprechend § 426 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vorgenommen wird (vgl. BGH-Urteile vom 19.01.2012 ‑ IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221, Rz 27, 28 und 29 und vom 29.01.2013 ‑ II ZR 91/11, DStR 2013, 478, Rz 10, zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft; vom 22.10.1992 ‑ IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50, Rz 15 ff., zur gewerbesteuerrechtlichen Organschaft; vom 01.12.2003 ‑ II ZR 202/01, DStR 2004, 468, Rz 6, zu Umsatzsteuer und Gewerbesteuer bei Ergebnisabführungsvertrag). Im Innenverhältnis zwischen S und T ist daran anzuknüpfen, ob und in welchem Umfang die Steuerschuld aus der wirtschaftlichen Tätigkeit der S oder der T herrührt; derjenige Beteiligte am Organkreis, aus dessen Umsätzen die Umsatzsteuerbeträge herrühren, hat im Innenverhältnis auch die Steuerlast zu tragen (vgl. BGH-Urteile vom 29.01.2013 ‑ II ZR 91/11, DStR 2013, 478, Rz 11, zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft und vom 22.10.1992 ‑ IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50, Rz 21, zur gewerbesteuerrechtlichen Organschaft; BFH-Urteil vom 23.09.2009 ‑ VII R 43/08, BFHE 226, 391, BStBl II 2010, 215, unter II.3.b aa; BFH-Beschluss vom 20.02.2018 ‑ XI B 129/17, BFH/NV 2018, 641).
bb) Dies bedeutet im Umkehrschluss auch, dass ein bereits durchgeführter Gesamtschuldnerausgleich möglicherweise erneut durchgeführt oder rückgängig gemacht werden muss, wenn sich die Umstände nachträglich ändern, um zwischen Organgesellschaft und Organträger eine zutreffende interne Lastenverteilung (wieder) herzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 24.05.2023 ‑ XI R 45/20, DStR 2023, 2282, Rz 36, 47).
cc) Ein eventueller Ausgleichsanspruch der S gegen T, der gegebenenfalls zu der von der Klägerin verwalteten Insolvenzmasse der S gehören würde und damit Aktivvermögen im Sinne der §§ 35, 55 InsO wäre, könnte eine Masseverbindlichkeit der T sein, da der Anspruch im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch Handlungen des Beigeladenen als Insolvenzverwalter der T (den Rückzahlungen aufgrund von dessen Insolvenzanfechtungen) begründet worden sein könnte. Erst durch die Rückzahlungen wurde der Anspruch des FA im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG (siehe oben II.1.) begründet (vgl. BFH-Urteile vom 29.03.2017 ‑ XI R 5/16, BFHE 257, 465, BStBl II 2017, 738, Rz 26; vom 15.12.2016 ‑ V R 26/16, BFHE 256, 571, BStBl II 2017, 735, Rz 24 f.). Dies gilt in gleicher Weise für einen sich aus den Rückzahlungen gegebenenfalls ergebenden Ausgleichsanspruch der S gegen T.
4. Die Sache ist nicht spruchreif.
Das FG hat keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, ob aufgrund der erfolgreichen Insolvenzanfechtungen des Beigeladenen der von der Klägerin verwalteten Masse der S gegen die Masse der T analog § 426 BGB Ausgleichsansprüche zustehen. Die notwendigen weiteren tatsächlichen Feststellungen muss das FG im zweiten Rechtsgang nachholen.
5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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