Skip to main content
  • SIS-Datenbank Steuerrecht

    Kann Ihre Steuerrechts-Datenbank,
    was unsere SIS-Datenbank kann?

    • » Online und/oder Offline mit monatlicher Update-DVD
    • » Über 130.000 Urteile und Erlasse, durchgehend mit Leitsätzen
    • » Vollelektronische Handbücher ESt/LSt, KSt, GewSt, USt, AO

    » Einen Monat kostenlos testen

BFH: Vorsteuerabzug aus Insolvenzverwalterleistungen bei steuerpflichtigen und steuerfreien Ausgangsleistungen (Unternehmenseinstellung)

Hat der Insolvenzschuldner seine unternehmerische Tätigkeit eingestellt, ist über den Abzug der Vorsteuer für die Leistung des Insolvenzverwalters nach der früheren unternehmerischen Tätigkeit des Insolvenzschuldners zu ent­scheiden (Anschluss an das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 23.11.2023 ‑ V R 3/22, BFHE 282, 180, BStBl II 2024, 501 = SIS 24 03 57).

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1, § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 15 Abs. 3, § 15 Abs. 4
MwStSystRL Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c, Art. 9, Art. 168 Buchst. a, Art. 169
FGO § 118 Abs. 2, § 126a, § 135 Abs. 2
InsO § 1 Satz 1, § 38, § 55 Abs. 1 Nr. 1, §§ 217 ff.

BFH-Beschluss vom 23.10.2024, XI R 8/22 (veröffentlicht am 27.3.2025)

Vorinstanz: FG Münster vom 20.1.2022, 5 K 1179/19 U = SIS 22 02 58

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der … (Insolvenzschuldnerin). Gegenstand des Unternehmens der Insolvenzschuld­nerin war die Vorbereitung und Durchführung von Bauvorhaben als Bauherrin für eigene oder fremde Rechnung sowie die Betreuung von fremden Bauvor­haben für fremde Rechnung.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenz­schuldnerin wurde der Kläger, der zuvor bereits auch als vorläufiger Insol­venzverwalter eingesetzt war, mit Beschluss des Amtsgerichts X vom … zum Insolvenzverwalter bestellt.

Bereits während des Insolvenzeröffnungsverfahrens wurden der jeweilige Stand der Bauvorhaben, die die Insolvenzschuldnerin wegen fehlender finan­zieller Mittel nicht weiterführen konnte, aufgenommen, Arbeiten abgerechnet und Abwicklungsvereinbarungen mit den Auftraggebern beziehungsweise Erwerbern der Immobilien geschlossen.

Der Kläger stellte der Insolvenzschuldnerin für seine Leistungen unter dem 01.03.2018  89.260,15 € zuzüglich 16.959,43 € Umsatzsteuer in Rechnung. Der Rechnungsbetrag konnte mangels ausreichender Masse nur anteilig in Hö­he von 74.351,35 € bedient werden. Im Rahmen der Umsatzsteuer-Voranmel­dung für das erste Quartal 2018 vom 12.04.2018 machte der Kläger als Insol­venzverwalter für die Insolvenzschuldnerin aus der von ihm gestellten Rech­nung, begrenzt auf den tatsächlich von der Masse gezahlten Betrag, einen Vorsteuerbetrag von 11.871,22 € geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) gewährte den begehrten Vorsteuerabzug nur anteilig in Höhe von 1,43 %. Nach Auffassung des FA sei der Vorsteuerbetrag in einen abziehbaren und einen nicht abziehbaren Teil aufzuteilen, da im Rahmen des Insolvenzverfahrens steuerfreie Umsätze in Höhe von 939.560 € und steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 43.546 € aus­geführt worden seien. Es setzte mit Umsatzsteuer-Änderungsbescheid vom 31.08.2018 die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für das erste Quartal 2018 auf ‑ 169,75 € fest. Den hiergegen vom Kläger eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 11.03.2019 als unbegründet zurück.

Mit seiner Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Die Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2018 (Streitjahr) gab er mit seiner Rechtsauffassung ent­sprechenden Angaben ab. Das FA setzte die Umsatzsteuer für das Streitjahr hiervon abweichend (zuletzt mit Umsatzsteuer-Änderungsbescheid vom 11.07.2019, der nach § 68 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑ zum Gegenstand des Verfahrens wurde) auf ‑ 525,90 € fest.

Die Beteiligten haben im Verlauf des finanzgerichtlichen Verfahrens eine tat­sächliche Verständigung dahingehend getroffen, dass die zur Tabelle angemel­deten Forderungen anteilig zu 45 % mit von der Insolvenzschuldnerin ausge­führten steuerpflichtigen Umsätzen in direktem und unmittelbarem Zusam­menhang stehen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der der Kläger zuletzt einen Vor­steuerbetrag von 11.871,22 € nur noch in Höhe von 45 % (5.342,05 €) gel­tend machte, mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2022, 530 veröffentlichten Urteil statt. Nach Ansicht des FG habe die Insolvenz­schuldnerin die einheitliche Leistung des Klägers für ihr Unternehmen und da­mit für ihre wirtschaftliche Tätigkeit bezogen. Es bestehe ein für den Vorsteu­erabzug maßgeblicher direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der einheitlichen Leistung des Klägers und den im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin angemeldeten Forderungen der Insol­venzgläubiger. Der vom Kläger bis zur mündlichen Verhandlung insgesamt geltend gemachte Vorsteuerbetrag von 11.871,22 € sei mit 45 % anteilig in Höhe von 5.342,05 € abzugsfähig, da die vom Kläger erbrachte Leistung nach Maßgabe der von den Beteiligten insoweit getroffenen tatsächlichen Verständi­gung auch für steuerfreie Umsätze verwendet worden sei.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Auffassung des FG sei von einer Unternehmensfortführung durch den Kläger während des Insolvenzverfahrens auszugehen. Sämtliche Handlungen hätten darauf abgezielt, das vorhandene Vermögen der Insolvenzschuldnerin zu ver­werten und den Erlös nach Abzug der Kosten zur gemeinschaftlichen Befriedi­gung an die Gläubiger zu verteilen. Das Unternehmen der Insolvenzschuldne­rin habe zwar nicht fortgeführt werden sollen, um es zu erhalten, die Bauvor­haben seien aber noch abgewickelt worden. Die den ausgeführten Umsätzen zugrundeliegenden Beweggründe, wie hier die Stärkung der Masse, könnten nicht maßgeblich sein. Für die Unternehmensfortführung sei einzig die Tatsa­che ausschlaggebend, dass Umsätze ausgeführt worden seien. Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 02.12.2015 ‑ V R 15/15 (BFHE 252, 472, BStBl II 2016, 486) entschieden habe, steuerfreie Verwertungs­handlungen des Insolvenzverwalters seien in Bezug auf den Vorsteuerabzug nicht zu berücksichtigen, führe dies dazu, dass der Vorsteuerabzug bei Ver­wertungshandlungen anders zu beurteilen sei als ohne solche Handlungen. Vorsteuerbeträge seien bei Unternehmensfortführung nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen und nach § 15 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) aufzuteilen. Nur soweit kein direkter und unmittelbarer Zusammen­hang zu den Ausgangsumsätzen hergestellt werden könne, die Vorsteuerbe­träge zu den allgemeinen Aufwendungen des Unternehmers gehörten und di­rekt und unmittelbar mit seiner wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zusammen­hingen, seien diese nach dem Gesamtumsatzschlüssel aufzuteilen. Selbst für den Fall, dass die Voraussetzungen einer Unternehmensfortführung nicht ge­geben seien, müssten die Vorsteuerbeträge in Höhe von 11.871,22 € nach all­gemeinen Grundsätzen des § 15 Abs. 4 UStG im Verhältnis der gesamten Um­sätze des Besteuerungszeitraums 2018 aufgeteilt werden.

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage ab­zuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der Kläger tritt der Revision entgegen und bringt im Wesentlichen vor, die vom FA vertretene Ansicht, dass auch in den reinen Abwicklungstätigkeiten des Insolvenzverwalters eine Fortführung des Unternehmens liege, sei unzu­treffend. Anderenfalls wäre jede Unternehmensinsolvenz mit einer Unterneh­mensfortführung verbunden. Auch aus dem Fortbestand der Unternehmerei­genschaft der Insolvenzschuldnerin könne die Fortführung des Unternehmens nicht abgeleitet werden. Es sei gerechtfertigt, im Falle der bloßen Abwicklung und Verwertung keine Unternehmensfortführung anzunehmen und hinsichtlich der Vorsteuerabzugsberechtigung auf die Qualität der zur Insolvenztabelle an­gemeldeten, besser noch auf die vom Insolvenzverwalter anerkannten Forde­rungen abzustellen. Hinsichtlich der Vorsteuerabzugsberechtigung könne je­denfalls nicht auf die nach der Insolvenzeröffnung erzielten Umsätze abgestellt werden. Die Vorsteuerbeträge seien auch nicht nach allgemeinen Grundsätzen des § 15 Abs. 4 UStG im Verhältnis der gesamten Umsätze des Besteuerungs­zeitraumes 2018 aufzuteilen, soweit nicht von einer Unternehmensfortführung ausgegangen werden könne. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, sei nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich sei. Bei einer reinen Abwicklungstätigkeit des Insolvenzverwalters lasse sich jedoch eine wirtschaftliche Zuordnung nach den zur Insolvenztabelle angemeldeten Forde­rungen vornehmen. Diese Zuordnung sei gegenüber der nach dem Gesetz nur subsidiär zulässigen Anknüpfung an erzielte Umsätze vorrangig.

II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a FGO. Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforder­lich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Das FG hat zutreffend angenommen, dass der Kläger als Insolvenzverwalter das Unternehmen der Insolvenzschuldnerin nicht fortgeführt hat, und auf die­ser Grundlage zu Recht den Vorsteuerabzug aus der Rechnung über die Leis­tung des Klägers anteilig mit 45 % in Höhe von 5.342,05 € gewährt.

1. Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG als Vor­steuer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistun­gen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen.

a) Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Dies beruht unionsrechtlich auf Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehr­wertsteuersystem (MwStSystRL). Danach ist der Steuerpflichtige, der "Gegen­stände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze ver­wendet", zum Vorsteuerabzug berechtigt. Hierfür muss ein direkter und unmit­telbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung bestehen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 23.11.2023 ‑ V R 3/22, BFHE 282, 180, BStBl II 2024, 501, Rz 9). Bei richtlinienkonformer Auslegung setzt § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG somit voraus, dass der Unternehmer Leis­tungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 9 MwStSystRL) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c MwStSystRL) verwendet oder zu verwenden beabsichtigt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 23.11.2023 ‑ V R 3/22, BFHE 282, 180, BStBl II 2024, 501, Rz 9; vom 18.10.2023 ‑ XI R 21/23 (XI R 30/19), BFHE 283, 110, Rz 19; vom 06.12.2023 ‑ XI R 33/21, BFHE 283, 159, Rz 31). Die Ausgangsleistungen des Unternehmers müssen zudem steuerpflichtig oder in § 15 Abs. 3 UStG (Art. 169 MwStSystRL) benannt sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 02.12.2015 ‑ V R 15/15, BFHE 252, 472, BStBl II 2016, 486, Rz 14; vom 09.02.2012 ‑ V R 40/10, BFHE 236, 258, BStBl II 2012, 844, Rz 19 f.; vom 23.11.2023 ‑ V R 3/22, BFHE 282, 180, BStBl II 2024, 501, Rz 9).

b) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Ge­genstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, ist gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Um­sätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abzieh­baren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln (§ 15 Abs. 4 Satz 2 UStG). Es ist dabei zunächst Sache des Unternehmers, welche Schätzungsmethode er wählt; Finanzbehörden und Finanzgerichte können aber nachprüfen, ob die Schätzung sachgerecht ist (vgl. BFH-Urteile vom 05.09.2013 ‑ XI R 4/10, BFHE 243, 60, BStBl II 2014, 95, Rz 29; vom 03.08.2017 ‑ V R 62/16, BFHE 259, 380, BStBl II 2021, 109, Rz 28; vom 11.11.2020 ‑ XI R 7/20, BFHE 271, 273, BStBl II 2022, 746, Rz 10; vom 09.11.2022 ‑ XI R 31/19, BFHE 279, 227, Rz 12). Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG ist eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 11.11.2020 ‑ XI R 7/20, BFHE 271, 273, BStBl II 2022, 746, Rz 10).

c) Im Insolvenzverfahren eines Schuldners, der seine unternehmerische (wirt­schaftliche) Tätigkeit bereits vor der Insolvenzeröffnung eingestellt hat, ist es nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, sachgerecht, über den Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Insolvenzverwalters auf der Grundlage der früheren Unternehmenstätigkeit zu entscheiden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 02.12.2015 ‑ V R 15/15, BFHE 252, 472, BStBl II 2016, 486, Leit­satz 1; vom 23.11.2023 ‑ V R 3/22, BFHE 282, 180, BStBl II 2024, 501, Rz 10). Der für den Vorsteuerabzug maßgebliche direkte und unmittelbare Zu­sammenhang besteht zwischen der einheitlichen Leistung des Insolvenzver­walters und den im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen der Insol­venzgläubiger (§ 38 der Insolvenzordnung ‑‑InsO‑‑), die auf die frühere Um­satztätigkeit zurückzuführen sind, so dass es auf die einzelnen Verwertungs­handlungen des Insolvenzverwalters nicht ankommt (vgl. BFH-Urteile vom 15.04.2015 ‑ V R 44/14, BFHE 250, 263, BStBl II 2015, 679, Rz 15 ff.; vom 02.12.2015 ‑ V R 15/15, BFHE 252, 472, BStBl II 2016, 486, Rz 17; vom 23.11.2023 ‑ V R 3/22, BFHE 282, 180, BStBl II 2024, 501, Rz 10). Eine Be­rücksichtigung der Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters kommt mithin nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteile vom 15.04.2015 ‑ V R 44/14, BFHE 250, 263, BStBl II 2015, 679, Rz 17; vom 21.10.2015 ‑ XI R 28/14, BFHE 252, 460, BStBl II 2016, 550, Rz 36).

d) Anders kann es aber sein, wenn eine Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter vorliegt und der Insolvenzverwalter keine wesentlichen Verwertungshandlungen vornimmt; dann kann es sachgerecht sein, die ab­ziehbare Vorsteuer nach dem Gesamtumsatz des Insolvenzschuldners wäh­rend der Zeit der Insolvenzverwaltung nach Maßgabe der steuerpflichtigen, steuerfreien und nichtwirtschaftlichen Tätigkeit zu bestimmen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 23.10.2024 ‑ XI R 20/22, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, bei Verwertungshandlungen in Höhe von 0,07 % der Gesamteinnahmen im Zeitraum des Insolvenzverfahrens).

2. Auf dieser Grundlage hat das FG den Vorsteuerabzug für die vom Kläger als Insolvenzverwalter erbrachten Leistungen zutreffend anteilig mit 45 % in Höhe von 5.342,05 € bejaht.

a) Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Streitfall der für den Vor­steuerabzug maßgebliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen der einheitlichen Leistung des Klägers als Insolvenzverwalter und den im In­solvenzverfahren angemeldeten Forderungen der Insolvenzgläubiger besteht.

aa) Der Kläger hat nach den mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen nicht angegriffenen und den Senat insoweit im Sinne des § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG die Insolvenzmasse der Insolvenzschuldnerin verwaltet, verwertet und verteilt, um die Insolvenzgläubiger zu befriedigen. Das FG hat weiter bindend festgestellt, dass der Kläger während des Insol­venzverfahrens für die Insolvenzschuldnerin Abrechnungen vorgenommen, Forderungen eingezogen und ihr gesamtes Vermögen verwertet hat.

bb) Ausgehend davon hat das FG zutreffend angenommen, dass die einheitli­che Leistung des Klägers als Insolvenzverwalter nicht mit den nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durchgeführten Verwertungshandlungen des Klägers in einem für den Vorsteuerabzug maßgeblichen direkten und unmittelbaren Zusammenhang steht. Entgegen der Auffassung des FA sind für den Vorsteu­erabzug aus der einheitlichen Leistung des Klägers als Insolvenzverwalter die nach Verfahrenseröffnung ausgeführten (steuerfreien) Verwertungsumsätze vorliegend nicht zu berücksichtigen. Eine Unternehmensfortführung liegt nicht vor.

(1) Die Fortführung der bisherigen Unternehmenstätigkeit bezieht sich auf den "Erhalt des Unternehmens" (vgl. § 1 Satz 1, §§ 217 ff. InsO), aber nicht auf eine lediglich im Hinblick auf Abwicklungstätigkeiten fortbestehende Unter­nehmenstätigkeit (vgl. BFH-Urteile vom 21.04.1993 ‑ XI R 50/90, BFHE 171, 129, BStBl II 1993, 696, unter II.1.; vom 19.11.2009 ‑ V R 16/08, BFHE 227, 275, BStBl II 2010, 319, unter II.2.a aa; vom 23.11.2023 ‑ V R 3/22, BFHE 282, 180, BStBl II 2024, 501, Rz 15). Eine Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter kommt danach nur in Betracht, wenn ‑‑wovon das FG zutreffend ausgegangen ist‑‑ die einheitliche Leistung des Insolvenzverwalters nicht der Befriedigung der Insolvenzgläubiger als Hauptziel des Insolvenzver­fahrens mittels Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse des Gemeinschuldners dient, sondern vorrangig darauf abzielt, das Unterneh­men des Insolvenzschuldners zu erhalten (vgl. zur nicht auf die Fortführung des Unternehmens gerichteten "Ausproduktion" Urteil des FG Münster vom 04.05.2020 ‑ 5 K 546/17 U, EFG 2020, 1361, Rz 35; zur vorübergehenden Vermietung als "ergänzende Verwertungsmaßnahme" BFH-Urteil vom 23.11.2023 ‑ V R 3/22, BFHE 282, 180, BStBl II 2024, 501, Rz 16; zur Unter­nehmensfortführung dagegen BFH-Urteil vom 23.10.2024 ‑ XI R 20/22, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt). Von der Fortführung des Unternehmens ist insbesondere dann auszugehen, wenn ‑‑anders als im Streitfall‑‑ nach § 1 Satz 1 Halbsatz 2 InsO in einem Insolvenzplan eine abweichende Rege­lung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 23.11.2023 ‑ V R 3/22, BFHE 282, 180, BStBl II 2024, 501, Rz 17 zur Konkursordnung). Entgegen dem Revisionsvorbringen des FA kann eine Unternehmensfortführung während der Dauer des Insolvenzverfah­rens danach nicht schon darin gesehen werden, dass der Insolvenzverwalter das vorhandene Vermögen mit dem Ziel, den Erlös nach Abzug der Kosten zur gemeinschaftlichen Befriedigung an die Insolvenzgläubiger zu verteilen, ver­wertet.

(2) Auf der Grundlage der den erkennenden Senat im Sinne des § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger das Unternehmen der Insolvenzschuldnerin nicht fortgeführt. Das FG hat hierzu revisionsrechtlich bindend festgestellt, dass sämtliche Handlungen darauf abzielten, das vorhan­dene Vermögen der Schuldnerin zu verwerten und den Erlös (nach Abzug der Kosten) zur gemeinschaftlichen Befriedigung an die Gläubiger zu verteilen. Der Kläger habe bereits zu Beginn des Insolvenzverfahrens den Insolvenzgläubi­gern mitgeteilt, dass eine Fortführung des Unternehmens nicht möglich sei. Davon sei er später auch nicht abgewichen. Die vorhandenen Bauvorhaben seien nicht weiterbetrieben worden, sondern zusammen mit den Auftragge­bern beziehungsweise Grundstückseigentümern abgewickelt worden. Die Leis­tung des Klägers zielte danach nicht darauf ab, das Unternehmen der Insol­venzschuldnerin fortzuführen, um es zu erhalten.

cc) Der erkennende Senat folgt im Übrigen nicht der Ansicht des FA, dass für die Unternehmensfortführung einzig die Tatsache ausschlaggebend sei, dass der Insolvenzverwalter Umsätze ausgeführt habe, ohne dass es auf die zu­grundeliegenden Beweggründe, wie die Stärkung der Masse, ankomme. Es führt entgegen der Auffassung des FA zu keiner Ungleichbehandlung, wenn steuerfreie Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters anders als bei Unternehmen, die sich nicht in der Insolvenz befinden, in Bezug auf die Vor­steueraufteilung und den Vorsteuerabzug nicht zu berücksichtigen sind. Auf Konkurrenzunternehmen, die sich nicht in Insolvenz befinden, ist schon des­halb nicht abzustellen, da diese mit den umsatzsteuerbelasteten Verfahrens­kosten einer Insolvenz nicht belastet sind (vgl. noch zum Konkursverfahren BFH-Urteil vom 23.11.2023 ‑ V R 3/22, BFHE 282, 180, BStBl II 2024, 501, Rz 17). Dies gilt auch für in Liquidation befindliche Unternehmen.

b) Die Insolvenzschuldnerin hat die im Insolvenzverfahren angemeldeten For­derungen der Insolvenzgläubiger auch für ihr Unternehmen und damit für ihre wirtschaftliche Tätigkeit verwendet. Die angemeldeten Forderungen sind aus­schließlich im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der Insolvenz­schuldnerin entstanden. Dies steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

c) Das FG hat außerdem zutreffend dahingehend erkannt, dass der vom Kläger als Insolvenzverwalter insgesamt geltend gemachte Vorsteuerbetrag nach Maßgabe der von den Beteiligten insoweit getroffenen tatsächlichen Verständi­gung gemäß § 15 Abs. 4 UStG anteilig in Höhe von 45 % abzugsfähig ist. Dies entspricht der tatsächlichen Verständigung der Beteiligten.

Soweit das FA dagegen meint, dass selbst für den Fall, dass die Voraussetzun­gen einer Unternehmensfortführung nicht gegeben seien, die im Streit stehen­den Vorsteuerbeträge nach den allgemeinen Grundsätzen des § 15 Abs. 4 UStG nach dem Verhältnis der gesamten Umsätze des streitigen Besteue­rungszeitraums aufgeteilt werden müssten, ist dem aufgrund der Rechtspre­chung des BFH nicht zu folgen (s. dazu unter II.1.c).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

  • „Vielen Dank für die stets freundliche und konstruktive Betreuung durch Ihr Haus“

    Horst Flick, Groß- und Konzernbetriebsprüfer in Hessen

  • „Irgendwann innerhalb dieser 20 Jahre habe ich es einmal mit einem anderen Anbieter versucht. Das war aber gleich wieder vorbei. Nachher wusste ich SIS erst richtig zu schätzen.“

    Brigitte Scheibenzuber, Steuerberaterin, 84137 Vilsbiburg

  • „Ihre Datenbank ist eigentlich schier unerschöpflich und ich arbeite sehr gern damit. Ein großes Lob für die leichte Handhabung, die vielfachen Suchmöglichkeiten und überhaupt.“

    Ingrid Nigmann, Kanzlei Dipl.-Kfm. Georg-Rainer Rätze, 39112 Magdeburg

  • „Wir benutzen mit größter Zufriedenheit Ihre Datenbank, sie stellt wirklich eine enorme Erleichterung im täglichen Arbeitsleben dar.“

    Schneider, Siebert & Kulle, Partnerschaftsgesellschaft, 60486 Frankfurt

  • „Ich möchte nicht versäumen, Sie für die ‘SteuerMail’ zu loben. Die Aktualität und die Auswahl der Themen ist wirklich sehr gut.“

    Frank Zoller, Rechtsanwalt und Steuerberater, 75179 Pforzheim

  • „Sie haben offensichtlich die Bedürfnisse des steuerberatenden Berufs bei seiner Arbeit richtig eingeschätzt. Die Zuordnung der verschiedenen Dokumente zur jeweiligen Rechts-Vorschrift ist schlichtweg genial. Auch der Hinweis auf weitere Kommentare und Aufsätze ist außerordentlich wertvoll.“

    Willi Besenhart, Steuerberater, 81739 München

  • "Es macht wirklich Spaß mit Ihrer Datenbank zu arbeiten."

    Robert Kochs, Steuerberater, 52074 Aachen

  • "Ich bin sehr zufrieden. Die Datenbank ist äußerst hilfreich, Preis-Leistungsverhältnis stimmt."

    Erika Dersch, Steuerberaterin, 82431 Kochel am See

  • "Bin von Anfang an begeisterter Anwender und möchte SIS nicht mehr missen."

    Harald Dörr, Steuerberater, 63571 Gelnhausen

  • "Die SIS-Datenbank ist hervorragend; m.E. besser als die von den Finanzbehörden in BW verwendete Steuerrechtsdatenbank."

    Wolfgang Friedinger, 89077 Ulm

  • "Sehr gut ist die SteuerMail mit den Anlagen und die Internetseite mit den aktuellen Themen!"

    Karin Pede, IHR-ZIEL.DE GmbH, 91320 Ebermannstadt

  • "Mit Ihrer SIS-Datenbank bin ich seit Jahren sehr glücklich, hat mir schon sehr viel geholfen und der Preis ist nach wie vor sehr zivil für diese feine Geschichte."

    G. Grisebach, Steuerberaterin

  • "Auf vieles kann man verzichten - auf SIS niemals! Herzlichen Glückwunsch zur aktuellen SIS-Datenbank, vielen Dank für Ihren äußerst aktuellen Informations-Service"

    Friedrich Heidenberger, Steuerberater, 90530 Wendelstein

  • "Ihre Datenbank ist konkurrenzlos benutzerfreundlich."

    Godehard Wedemeyer, 47807 Krefeld

  • "Ich bin sehr zufrieden - rundum ein Lob von meiner Seite. Ich nutze die SIS-Datenbank schon seit vielen Jahren und finde sie sehr, sehr gut."

    Reinhard Geiges, Finanzbeamter, 70173 Stuttgart

  • "Herzlichen Dank für die schnelle Antwort. Das funktioniert, wie alles bei Ihnen, wunderbar. An dieser Stelle mal ein großes Lob an das gesamte Team. Ich bin wirklich froh, dass es Sie gibt."

    Uwe Lewin, Geschäftsführer Exacta Steuerberatungs GmbH, 07546 Gera

  • Bedienkomfort
  • Handbuecher
  • Google für Steuerprofis
  • Kanzleialltag
  • SIS & Agenda
  • So übersichtlich kann eine Datenbank sein.

    » MEHR

  • Jetzt das Geld für teuere Handbücher sparen!

    In der SIS-Datenbank sind sie bereits drin!

    » MEHR

  • Kennen Sie das "Google" für Steuerprofis?

    » MEHR

  • Alles, was den Kanzleialltag leichter macht.

    » MEHR

  • Zusatz-Vorteile mit Agenda-Software

    » MEHR