BFH: Steuerbefreiung von in einem Krankenhaus erbrachten medizinischen Leistungen
- § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ist auch auf Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin anzuwenden, die ein Arzt in einem Krankenhaus durchführt.
- Zur Frage, ob Heil- und Krankenhausbehandlungsleistungen, die ein Arzt erbringt, der die unternehmerbezogenen Anforderungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG nicht erfüllt, nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei sein können.
UStG § 4 Nr. 14 Buchst. a und b
MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c
BFH-Urteil vom 19.12.2024, V R 10/22 (veröffentlicht am 17.4.2025)
Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG vom 17.5.2022, 4 K 119/18 = SIS 22 13 73
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, deren Firma im Jahr 2009 (Streitjahr) das Wort "Klinik" enthielt. Sie bot Behandlungen im Bereich der ästhetisch-plastischen Chirurgie an. Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Klägerin war der Arzt Dr. A.
Im Streitjahr wurde die Klägerin in unterschiedlicher Weise tätig. Zum einen wurde eine Sprechstunde in Räumlichkeiten eines Krankenhauses durchgeführt, wo auch die Operation und der stationäre Aufenthalt erfolgten. Der Patient erhielt eine Rechnung der Klägerin. Diese wiederum erteilte dem Krankenhaus eine Gutschrift über das Nutzungsentgelt für die von ihr bezogenen Leistungen (zum Beispiel Aufenthalt, Anästhesie, ärztlicher Bereitschaftsdienst, Nachbehandlungen). Zum anderen wurde eine Sprechstunde in einem Krankenhaus durchgeführt, während die Operation und der stationäre Aufenthalt im Rahmen einer eigenen Krankenhauskonzession der Klägerin in einem anderen Krankenhaus erfolgten. Der Patient erhielt eine Rechnung der Klägerin, die Klägerin wiederum erhielt eine Rechnung des anderen Krankenhauses für den Aufenthalt des Patienten sowie eine Rechnung des Anästhesisten über dessen Leistungen. Schließlich wurde eine Sprechstunde in einem Krankenhaus durchgeführt, in dem auch die Operation und der stationäre Aufenthalt erfolgten, und stellte die Klägerin dem Patienten eine Rechnung, während sie selbst eine Rechnung des Krankenhauses für den Aufenthalt des Patienten und eine Rechnung des Anästhesisten erhielt.
In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr, die nach § 168 der Abgabenordnung einer Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichstand, erklärte die Klägerin ausschließlich steuerfreie Umsätze. Anlässlich einer Außenprüfung für andere Jahre erließ der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) im Jahr 2013 einen Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr, mit dem er ‑‑unter Berücksichtigung von Vorsteuerbeträgen‑‑ Umsatzsteuer in Höhe von 6.024,82 € festsetzte, da nur ein Teil der erbrachten Leistungen medizinisch indiziert gewesen sei.
Während des hiergegen gerichteten Einspruchsverfahrens verständigten sich die Klägerin und das FA im Oktober 2017 im Rahmen eines einen früheren Besteuerungszeitraum betreffenden Klageverfahrens dahingehend, dass ein bestimmter Anteil der Umsätze der Klägerin medizinisch indiziert gewesen sei und hierauf bestimmte Vorsteuerbeträge entfielen. Beide hielten "für die Zukunft" ein bestimmtes, im Einzelnen festgelegtes Vorgehen zur Schätzung des medizinisch indizierten Anteils der Umsätze und entsprechender Vorsteuerbeträge grundsätzlich für sachgerecht, wobei dies ab dem Besteuerungszeitraum 2009 "unter dem Vorbehalt einer Prüfung des Sachverhalts anhand der geänderten Rechtslage" stehe.
Daraufhin teilte das FA der Klägerin mit, dass zwar auf Basis dieser tatsächlichen Verständigung die Umsatzsteuer für das Streitjahr auf 3.012,28 € herabzusetzen wäre. Indes fielen die Umsätze der Klägerin nicht unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes in der durch das Jahressteuergesetz 2009 (BGBl I 2008, 2794) geänderten und im Streitjahr geltenden Fassung (UStG), da die Klägerin als GmbH Schuldnerin der ärztlichen Leistungen sei und nicht ihr Alleingesellschafter und Geschäftsführer als Arzt. Ebenso sei eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG zu versagen, da die Klägerin die dort genannten Voraussetzungen nicht erfülle. Demgemäß versagte das FA in seiner Einspruchsentscheidung die Steuerbefreiung für sämtliche Umsätze der Klägerin und setzte ‑‑unter Berücksichtigung von Vorsteuerbeträgen‑‑ die Umsatzsteuer für das Streitjahr auf 17.212,67 € herauf.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage, mit der sie die Festsetzung der Umsatzsteuer für das Streitjahr auf 3.012,28 € begehrte. In einem anlässlich des Klageverfahrens durchgeführten Erörterungstermin erklärten die Beteiligten, an der tatsächlichen Verständigung über den Anteil der medizinisch indizierten Leistungen und der hierauf entfallenden Vorsteuerbeträge auch für das Streitjahr festhalten zu wollen. Der Klage gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 1497 veröffentlichten Urteil statt. Die streitigen Leistungen der Klägerin seien nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei, soweit sie medizinisch indiziert gewesen seien. Der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin, der die Leistungen durchgeführt habe, sei als Arzt hinreichend qualifiziert. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme einer Heilbehandlung seien in dem Umfang anzunehmen, in dem die Beteiligten im Rahmen ihrer "tatsächlichen Verständigung" hierüber Einvernehmen erzielt hätten. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG werde bei unionsrechtskonformer Auslegung nicht durch § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG, dessen Voraussetzungen "nach Aktenlage" nicht vollständig dargetan sein dürften, verdrängt, wenn ‑‑wie im Streitfall‑‑ medizinisch indizierte Heilbehandlungen von einem Arzt durchgeführt würden. Auf den Ort der Heilbehandlungsleistung komme es insoweit nicht an. Im Streitfall habe die Klägerin gegenüber ihren Patienten sämtliche Leistungen selbst erbracht und sich im Innenverhältnis auf Grundlage entsprechender Vereinbarungen der Infrastruktur (Räumlichkeiten, ärztlicher Bereitschaftsdienst, ambulante Nachbetreuungen) der jeweiligen Krankenhäuser bedient. Zwar sprächen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass solche Leistungsbündel als Krankenhausbehandlungen im Sinne von § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG anzusehen seien. Gleichwohl sei aber eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG nicht ausgeschlossen. Im Übrigen könne dahingestellt bleiben, ob das FA im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren einen Verböserungshinweis erteilt habe, da die Klägerin materiell-rechtliche Einwendungen nicht nur gegen die Verböserung, sondern auch gegen die ursprünglich angefochtene Festsetzung erhoben habe.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG gewährt, da diese Vorschrift nicht neben § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG, der allein für die Leistungen der Klägerin in Betracht komme, anzuwenden sei. Indes seien dessen Voraussetzungen ebenso wenig wie diejenigen seiner unionsrechtlichen Grundlage im Streitfall erfüllt. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ergebe sich nicht, dass Heilbehandlungen in einem von einem Arzt betriebenen Krankenhaus regelmäßig nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei seien. Die bisherigen Entscheidungen des EuGH und des Bundesfinanzhofs (BFH) beträfen Steuerpflichtige, die ‑‑anders als die Klägerin‑‑ jeweils keine in § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG genannten Einrichtungen gewesen seien. Der EuGH habe im Übrigen in seinem Urteil I vom 07.04.2022 ‑ C‑228/20, EU:C:2022:275 eine Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) als unionsrechtliche Grundlage von § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG nicht in Betracht gezogen. Die Auslegung des FG reduziere den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG auf die Befreiung der mit Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen eng verbundenen Umsätze, da Krankenhausbehandlungen und medizinisch indizierte ärztliche Heilbehandlungen bereits nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei wären. Das FG hätte nach der im Streitjahr geltenden Rechtslage ermitteln und entscheiden müssen, ob Leistungen eines Krankenhauses im Fall der Klägerin vorlagen.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie stützt die Auffassung des FG, wonach beide Befreiungsvorschriften nebeneinander anwendbar seien. Die Steuerbefreiung der hier in Rede stehenden, nach der tatsächlichen Verständigung medizinisch indizierten Leistungen ergebe sich jedenfalls aus § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG, da sie, die Klägerin, die Heilbehandlungen nicht als Krankenhaus ausführe, sondern in fremden Krankenhäusern erbringe.
II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Zwar hat das FG zutreffend entschieden, dass Leistungen eines Arztes in einem Krankenhaus nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG steuerfrei sein können und dem nicht entgegensteht, dass die ärztlichen Heilbehandlungsleistungen durch eine GmbH erbracht worden sind. Beschränken sich aber die Leistungen ‑‑wie im Fall der Klägerin‑‑ nicht auf die Erbringung einer ärztlichen Heilbehandlungsleistung, sondern umfassen sie zudem auch den stationären Krankenhausaufenthalt, ist § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG hierauf bezogen zu prüfen, was das FG rechtsfehlerhaft versäumt hat. Die Prüfung, ob diese Leistungen steuerfrei sind, kann in einem Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden.
1. Nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG sind steuerfrei "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt (...) durchgeführt werden". Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL. Danach sind "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden", steuerfrei.
2. In Bezug auf die Abgrenzung von § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG zu § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG, der "Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen" befreit und der unionsrechtlich auf dem insoweit wortlautgleichen Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL beruht, hat der EuGH bereits entschieden, dass Heilbehandlungsleistungen, die von einem Facharzt für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik erbracht werden, unter die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL vorgesehene Befreiung von der Mehrwertsteuer fallen können, wenn sie nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen der Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL erfüllen (EuGH-Urteil Peters vom 18.09.2019 ‑ C‑700/17, EU:C:2019:753, erste Antwort). Auf den Ort, an dem diese Leistungen erbracht werden, kommt es nicht an (EuGH-Urteile Peters vom 18.09.2019 ‑ C‑700/17, EU:C:2019:753, Rz 29 und X vom 05.03.2020 ‑ C‑48/19, EU:C:2020:169, Rz 21).
Dem hat sich der BFH angeschlossen und entschieden, dass die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG für medizinische Analysen eines Facharztes für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik bei unionsrechtskonformer Auslegung nicht durch § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. bb UStG verdrängt wird (BFH-Urteil vom 18.12.2019 ‑ XI R 23/19 (XI R 23/15), BFHE 267, 571, BStBl II 2023, 984, 1. Leitsatz; BFH-Beschluss vom 07.07.2022 ‑ V R 10/20, BFHE 276, 445, Rz 16; vgl. auch BFH-Urteile vom 21.04.2021 ‑ XI R 12/19, BFHE 273, 334, Rz 26 und 30 sowie vom 18.10.2023 ‑ XI R 18/20, BFH/NV 2024, 927, Rz 32 bis 35), und damit seine frühere, dem entgegenstehende Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 15.03.2007 ‑ V R 55/03, BFHE 217, 48, BStBl II 2008, 31 und vom 24.08.2017 ‑ V R 25/16, BFHE 259, 171, BStBl II 2023, 982) aufgegeben (BFH-Beschluss vom 07.07.2022 ‑ V R 10/20, BFHE 276, 445, Rz 16).
3. Demgemäß ist § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG auch auf Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin anzuwenden, die ein Arzt ‑‑gleich in welcher Rechtsform er tätig ist (EuGH-Urteil Kügler vom 10.09.2002 ‑ C‑141/00, EU:C:2002:473, erste Antwort; BFH-Urteil vom 18.10.2023 ‑ XI R 18/20, BFH/NV 2024, 927, Rz 34 f.; vgl. auch BFH-Urteil vom 22.04.2004 ‑ V R 1/98, BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849, unter II.1.a)‑‑ in einem Krankenhaus durchführt. Insbesondere wird § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG nicht durch § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG verdrängt, wenn ein Arzt eigenständige Heilbehandlungsleistungen als Subunternehmer eines Krankenhausbetreibers in einem Krankenhaus erbringt, selbst wenn er nicht die ‑‑unternehmerbezogenen‑‑ Anforderungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG erfüllt (vgl. BFH-Urteil vom 18.10.2023 ‑ XI R 18/20, BFH/NV 2024, 927, Rz 33 bis 35), oder wenn ein Belegarzt in einem Krankenhaus selbständig tätig ist und eigenständige Heilbehandlungsleistungen erbringt (BFH-Urteile vom 23.01.2019 ‑ XI R 15/16, BFHE 263, 543, Rz 45 und vom 18.08.2011 ‑ V R 27/10, BFHE 235, 58, Rz 28).
4. Im Streitfall hat das FG zwar diesen Grundsätzen entsprechend entschieden, dass die ärztlichen Heilbehandlungsleistungen, welche die Klägerin unter Einsatz ihres Geschäftsführers ‑‑eines Arztes‑‑ erbracht hat, entgegen der Rechtsauffassung des FA auch dann nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei sein können, wenn diese in den Räumlichkeiten eines Krankenhauses erbracht wurden. Gleichwohl ist die Entscheidung des FG aufzuheben, da es nicht bedacht hat, dass sich die Leistungen der Klägerin nach Maßgabe seiner Feststellungen nicht auf die Erbringung ärztlicher Heilbehandlungsleistungen beschränkten, sondern ‑‑wie bei von einem Krankenhaus erbrachten Leistungen‑‑ auch den stationären Krankenhausaufenthalt umfassten. Damit hat das FG seiner Prüfung nur den Heilbehandlungsanteil, nicht aber auch den ‑‑zudem von der Klägerin mit diesem einheitlich abgerechneten‑‑ Krankenhausbehandlungsteil zugrunde gelegt. Die demgegenüber erforderliche, aber unterbliebene Prüfung der Gesamtheit der von der Klägerin erbrachten Leistungen kann in einem Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden.
5. Seiner Entscheidung im zweiten Rechtsgang wird das FG Folgendes zugrunde zu legen haben:
a) Das FG hat vorrangig zu entscheiden, ob es sich bei den Leistungen der Klägerin um eine einheitliche Leistung oder um mehrere selbständig erbrachte Leistungen handelt. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des BFH ist bei einem Umsatz, der ein Bündel von Einzelleistungen und Handlungen umfasst, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob zwei oder mehrere getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. Dabei sind unter Berücksichtigung der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers die charakteristischen Merkmale des Umsatzes zu ermitteln. Insoweit darf einerseits eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespalten werden. Andererseits sind mehrere formal getrennt erbrachte Einzelumsätze als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind. Dabei liegt zum einen eine einheitliche Leistung vor, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist insbesondere dann Neben- und nicht Hauptleistung, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Zum anderen kann sich eine einheitliche Leistung daraus ergeben, dass zwei oder mehrere Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. EuGH-Urteil Frenetikexito vom 04.03.2021 ‑ C‑581/19, EU:C:2021:167, Rz 37 bis 42; BFH-Urteile vom 14.02.2019 ‑ V R 22/17, BFHE 264, 83, BStBl II 2019, 350, Rz 15 ff.; vom 16.03.2023 ‑ V R 17/21, BFH/NV 2023, 965, Rz 18 und vom 18.01.2024 ‑ V R 4/22, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2024, 1033, Rz 15).
b) Liegt danach eine einheitliche Leistung vor, wird das FG Folgendes zu beachten haben:
aa) Die einheitliche Leistung unterliegt hinsichtlich der Mehrwertsteuer derselben Regelung (EuGH-Urteil Finanzamt X vom 04.05.2023 ‑ C‑516/21, EU:C:2023:372, Rz 36), so dass eine Aufteilung in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Teil grundsätzlich nicht in Betracht kommt (vgl. BFH-Urteil vom 18.01.2024 ‑ V R 4/22, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2024, 1033, Rz 26), zumal es vorliegend an einer gesetzlichen Anordnung in Bezug auf eine teilweise Steuerfreiheit fehlt, wie sie sich noch aus dem bis zum 31.12.2008 geltenden § 4 Nr. 14 Satz 3 UStG ergab, wonach die Umsätze eines Arztes aus dem Betrieb eines Krankenhauses mit Ausnahme der ärztlichen Leistungen nur unter den für Krankenhäusern vorgesehenen Bedingungen steuerfrei waren und somit trotz Annahme einer einheitlichen Leistung ‑‑jedenfalls auf Grundlage des nationalen Rechts‑‑ eine teilweise Steuerfreiheit für den Heilbehandlungsanteil in Betracht kam.
bb) In Bezug auf eine mögliche Steuerfreiheit einer einheitlichen Leistung ist wie folgt zu unterscheiden:
(1) Ergibt sich die einheitliche Leistung aus der Annahme einer Haupt- mit einer Nebenleistung, liegt eine Steuerfreiheit vor, wenn die Hauptleistung steuerfrei ist, da im Rahmen einer solchen wirtschaftlich einheitlichen Leistung die Nebenleistung das umsatzsteuerrechtliche Schicksal der Hauptleistung teilt (vgl. EuGH-Urteile Mailat vom 19.12.2018 ‑ C‑17/18, EU:C:2018:1038, Rz 41 und Finanzamt X vom 04.05.2023 ‑ C‑516/21, EU:C:2023:372, Rz 31; BFH-Urteile vom 06.09.2007 ‑ V R 14/06, BFH/NV 2008, 624, unter II.3.; vom 24.01.2008 ‑ V R 12/05, BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60, unter II.2.; vom 04.07.2013 ‑ V R 8/10, BFHE 242, 271, BStBl II 2015, 969, Rz 32; vom 21.06.2017 ‑ V R 3/17, BFHE 259, 140, BStBl II 2018, 372, Rz 30; vom 05.09.2019 ‑ V R 57/17, BFHE 266, 430, BStBl II 2020, 356, Rz 41; BFH-Beschluss vom 17.08.2023 ‑ V R 7/23 (V R 22/20), BFHE 282, 52, Rz 17 und 20).
(2) Handelt es sich um einen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre, kommt ‑‑ebenso wie bei einer Steuersatzermäßigung‑‑ keine Steuerfreiheit in Betracht, wenn bei einer derart komplexen Leistung zwei oder mehrere Leistungsbestandteile gleichwertige Elemente dieser Leistung darstellen, die nicht einheitlich die Voraussetzungen entweder einer Steuerbefreiung oder einer einheitlichen Steuersatzermäßigung erfüllen (vgl. zur Steuersatzermäßigung EuGH-Urteil Baštová vom 10.11.2016 ‑ C‑432/15, EU:C:2016:855, Rz 75 und BFH-Urteile vom 10.01.2013 ‑ V R 31/10, BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352, Rz 43; vom 13.06.2018 ‑ XI R 2/16, BFHE 262, 187, BStBl II 2018, 678, Rz 12; vom 14.02.2019 ‑ V R 22/17, BFHE 264, 83, BStBl II 2019, 350, Rz 30 sowie zur Steuerfreiheit EuGH-Urteil Deutsche Bank vom 19.07.2012 ‑ C‑44/11, EU:C:2012:484, Rz 27 f. und Rz 43). Im Übrigen richtet sich die Steuerfreiheit einer komplexen einheitlichen Leistung, die auch Teile umfasst, die nicht unter den Befreiungstatbestand fallen, nach den charakteristischen und dabei den dominierenden Bestandteilen (EuGH-Urteil Město Žamberk vom 21.02.2013 ‑ C‑18/12, EU:C:2013:95, Rz 29 und Rz 33).
(3) Im Streitfall kann für gleichwertige Leistungsbestandteile im Rahmen eines untrennbaren wirtschaftlichen Vorgangs, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre, sprechen, dass eine zwingend stationär zu erbringende Heilbehandlungsleistung in Bezug auf die damit im Zusammenhang stehende Krankenhausunterbringung durch zwei Leistungselemente geprägt wird und der Unterbringung dabei eine eigenständige und nicht nur der Heilbehandlung dienende Funktion zukommt. Liegt aufgrund eines derartigen Vorgangs nur eine Leistung vor, wäre diese dann insgesamt steuerpflichtig.
c) Sollten demgegenüber mehrere selbständige Leistungen gegeben sein, bei denen es sich zum einen um eine Heilbehandlung und zum anderen um eine Krankenhausbehandlung handelt, wäre nur die zuerst genannte Leistung nach den bisherigen Feststellungen des FG gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei. In Bezug auf eine eigenständige Krankenhausbehandlungsleistung hätte das FG insbesondere noch die unternehmerbezogenen Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG zu prüfen.
d) Im Übrigen hat das FG zutreffend dahinstehen lassen, ob das FA einen Verböserungshinweis erteilt hat, da die Klägerin materiell-rechtliche Einwendungen nicht nur gegen die Verböserung, sondern auch gegen die ursprünglich angefochtene Festsetzung erhoben hat. Wenn nach dem Prozessbegehren des Steuerpflichtigen eine Zurücknahme des Rechtsmittels nicht in Betracht kommt, er vielmehr vor dem FG materiell-rechtliche Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung erhebt und die Herabsetzung der Steuer beantragt, hat das FG diesen Verfahrensfehler des FA nicht zu beachten, sondern über den weitergehenden Klageantrag zu entscheiden (BFH-Urteil vom 31.01.2024 ‑ V R 24/21, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2024, 742, Rz 26).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
-
„Vielen Dank für die stets freundliche und konstruktive Betreuung durch Ihr Haus“
Horst Flick, Groß- und Konzernbetriebsprüfer in Hessen
-
„Irgendwann innerhalb dieser 20 Jahre habe ich es einmal mit einem anderen Anbieter versucht. Das war aber gleich wieder vorbei. Nachher wusste ich SIS erst richtig zu schätzen.“
Brigitte Scheibenzuber, Steuerberaterin, 84137 Vilsbiburg
-
„Ihre Datenbank ist eigentlich schier unerschöpflich und ich arbeite sehr gern damit. Ein großes Lob für die leichte Handhabung, die vielfachen Suchmöglichkeiten und überhaupt.“
Ingrid Nigmann, Kanzlei Dipl.-Kfm. Georg-Rainer Rätze, 39112 Magdeburg
-
„Wir benutzen mit größter Zufriedenheit Ihre Datenbank, sie stellt wirklich eine enorme Erleichterung im täglichen Arbeitsleben dar.“
Schneider, Siebert & Kulle, Partnerschaftsgesellschaft, 60486 Frankfurt
-
„Ich möchte nicht versäumen, Sie für die ‘SteuerMail’ zu loben. Die Aktualität und die Auswahl der Themen ist wirklich sehr gut.“
Frank Zoller, Rechtsanwalt und Steuerberater, 75179 Pforzheim
-
„Sie haben offensichtlich die Bedürfnisse des steuerberatenden Berufs bei seiner Arbeit richtig eingeschätzt. Die Zuordnung der verschiedenen Dokumente zur jeweiligen Rechts-Vorschrift ist schlichtweg genial. Auch der Hinweis auf weitere Kommentare und Aufsätze ist außerordentlich wertvoll.“
Willi Besenhart, Steuerberater, 81739 München
-
"Es macht wirklich Spaß mit Ihrer Datenbank zu arbeiten."
Robert Kochs, Steuerberater, 52074 Aachen
-
"Ich bin sehr zufrieden. Die Datenbank ist äußerst hilfreich, Preis-Leistungsverhältnis stimmt."
Erika Dersch, Steuerberaterin, 82431 Kochel am See
-
"Bin von Anfang an begeisterter Anwender und möchte SIS nicht mehr missen."
Harald Dörr, Steuerberater, 63571 Gelnhausen
-
"Die SIS-Datenbank ist hervorragend; m.E. besser als die von den Finanzbehörden in BW verwendete Steuerrechtsdatenbank."
Wolfgang Friedinger, 89077 Ulm
-
"Sehr gut ist die SteuerMail mit den Anlagen und die Internetseite mit den aktuellen Themen!"
Karin Pede, IHR-ZIEL.DE GmbH, 91320 Ebermannstadt
-
"Mit Ihrer SIS-Datenbank bin ich seit Jahren sehr glücklich, hat mir schon sehr viel geholfen und der Preis ist nach wie vor sehr zivil für diese feine Geschichte."
G. Grisebach, Steuerberaterin
-
"Auf vieles kann man verzichten - auf SIS niemals! Herzlichen Glückwunsch zur aktuellen SIS-Datenbank, vielen Dank für Ihren äußerst aktuellen Informations-Service"
Friedrich Heidenberger, Steuerberater, 90530 Wendelstein
-
"Ihre Datenbank ist konkurrenzlos benutzerfreundlich."
Godehard Wedemeyer, 47807 Krefeld
-
"Ich bin sehr zufrieden - rundum ein Lob von meiner Seite. Ich nutze die SIS-Datenbank schon seit vielen Jahren und finde sie sehr, sehr gut."
Reinhard Geiges, Finanzbeamter, 70173 Stuttgart
-
"Herzlichen Dank für die schnelle Antwort. Das funktioniert, wie alles bei Ihnen, wunderbar. An dieser Stelle mal ein großes Lob an das gesamte Team. Ich bin wirklich froh, dass es Sie gibt."
Uwe Lewin, Geschäftsführer Exacta Steuerberatungs GmbH, 07546 Gera