BFH: Verbilligte Parkraumüberlassung an Arbeitnehmer
- Überlässt ein Unternehmer nur seinen Angestellten gegen Kostenbeteiligung Parkraum, erbringt er damit eine entgeltliche Leistung.
- Die Besteuerung unentgeltlicher Leistungen erlaubt keinen Rückschluss auf die Besteuerung von Dienstleistungen, die der Unternehmer gegen verbilligtes Entgelt erbringt.
BFH-Urteil vom 14.1.2016, V R 63/14 (veröffentlicht am 9.3.2016)
MwStSystRL Art. 2 Abs. 1 Buchst. a, Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16, Art. 26 Abs. 1 Buchst. a, Art. 26 Abs. 1 Buchst. b
FGO § 126 Abs. 2, § 135 Abs. 2
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2, § 3 Abs. 9a
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 23.5.2014, 1 K 1723/13 U (EFG 2014 S. 1996 = SIS 14 26 66)
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine - in der Rechtsform einer Personengesellschaft betriebene - steuerpflichtige Partnerschaftsgesellschaft. In der näheren Umgebung ihres Unternehmensorts gab es nur wenige Parkplätze, auf denen zudem nicht länger als zwei Stunden geparkt werden durfte. Mitarbeiter der Klägerin, die von Auswärtsterminen (Gerichtsterminen oder Mandantengesprächen) zurückkehrten, hatten regelmäßig Schwierigkeiten, einen öffentlichen Parkplatz zu finden; zudem unterbrachen die Mitarbeiter ihre Arbeit mehrmals täglich, um sich um eine neue Parkberechtigung kümmern zu können. Zur Ermöglichung eines ungestörten Betriebsablaufs mietete die Klägerin in den Streitjahren 2009 und 2010 deshalb Plätze für das Abstellen von Fahrzeugen in einem Parkhaus am Unternehmensort für monatlich 55 € pro Stellplatz an, um diese ihren Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen. Die Mitarbeiter waren nur parkberechtigt, wenn sie sich - auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung - an den Parkraumkosten mit 27 € monatlich beteiligten. Diese Zahlungen behielt die Klägerin unmittelbar vom Gehalt des jeweiligen Mitarbeiters ein.
Zunächst versteuerte die Klägerin die Mitarbeiterzahlungen als Entgelt für steuerpflichtige Leistungen. Nach Bekanntwerden einer Verfügung der Oberfinanzdirektion Karlsruhe vom 28.1.2009 zur Anwendung "unentgeltlicher oder verbilligter Überlassung von Parkplätzen an Arbeitnehmer" (Umsatzsteuer-Rundschau 2009, 357) stellte sie die Umsatzversteuerung ein.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ging indes von steuerbaren und steuerpflichtigen (sonstigen) Leistungen an die Mitarbeiter aus. Für Zwecke der Bemessungsgrundlage berücksichtigte es die tatsächlichen Zahlungen der Mitarbeiter und änderte die Umsatzsteuerbescheide für 2009 und 2010.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1996 veröffentlichten Urteil führte das Finanzgericht (FG) aus, die Klägerin habe mit der Parkraumüberlassung sonstige Leistungen erbracht. Der Leistungscharakter sei nicht aufgrund eines überwiegenden betrieblichen Interesses der Klägerin an der Parkraumüberlassung entfallen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision, mit der sie Verletzung materiellen Rechts rügt.
Bei der Parkraumüberlassung an die Angestellten gegen verbilligtes Entgelt handele es sich um einen nichtsteuerbaren Vorgang. Die Überlassung erfolge "aufgrund des Dienstverhältnisses" und deshalb im - einen möglichen privaten Bedarf der Angestellten überlagernden - unternehmerischen Interesse der Klägerin (Gewährleistung eines ungestörten Betriebsablaufs).
Bei unterstellter Unentgeltlichkeit der Parkraumüberlassung wäre der Vorgang wegen des überwiegenden unternehmerischen Interesses nach Art. 26 Abs. 1 Buchst. a oder b der Richtlinie 2006/112/EG des Rechts über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) nicht steuerbar. Aus Wertungsgesichtspunkten könne der Vorgang nicht deshalb steuerbar werden, weil dafür ein (geringfügiges) Entgelt geleistet werde. Dadurch würde die Gleichstellung von entgeltlichen und unentgeltlichen Arbeitgeberleistungen verfehlt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG Düsseldorf vom 23.5.2014, 1 K 1723/13 U, die Einspruchsentscheidung vom 3.5.2013 und den Umsatzsteuerbescheid für 2010 vom 5.7.2012 aufzuheben sowie den Umsatzsteuerbescheid für 2009 vom 5.7.2012 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 3.952,38 € niedriger festgesetzt wird und regt hilfsweise an, die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit der Frage vorzulegen, "ob eine Arbeitgeberleistung, die nicht unternehmensfremden Zwecken dient, den Tatbestand einer Dienstleistung i.S. des Art. 2 Abs. 1 MwStSystRL erfüllt".
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat die Steuerbarkeit der Parkraumüberlassung durch die Klägerin an ihre Angestellten gegen verbilligtes Entgelt zutreffend bejaht.
1. Die Klägerin hat mit der verbilligten Parkraumüberlassung an ihre Angestellten entgeltliche Leistungen erbracht.
a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Dieser Leistungstatbestand ist weit auszulegen. Erforderlich ist lediglich eine beliebige Vorteilsgewährung, die zu einem Verbrauch führen kann; der Vorteil muss dabei einem identifizierbaren Leistungsempfänger eingeräumt werden (EuGH-Urteil Landboden-Agrardienste vom 18.12.1997 C-384/95, EU:C:1997:627, Rz 23; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27.2.2008 XI R 50/07, BFHE 221, 410, BStBl II 2009, 426, unter II.1., m.w.N.).
b) Die Klägerin hat ihren Angestellten gegen Kostenbeteiligung und damit entgeltlich Parkraum überlassen. Unerheblich ist, dass die Klägerin diese Leistungen (überwiegend) zu unternehmerischen Zwecken erbracht hat.
c) Anders als die Klägerin ausführt, erlaubt die Besteuerung unentgeltlicher Leistungen keinen Rückschluss auf die Besteuerung gegen verbilligtes Entgelt erbrachter Dienstleistungen. Nach dem EuGH-Urteil Fillibeck vom 16.10.1997 C-258/95 (EU:C:1997:491, Rz 29 f.) kommt es für die Steuerbarkeit einer unentgeltlichen Leistung darauf an, ob sie dem privaten Bedarf des Arbeitnehmers und damit unternehmensfremden Zwecken dient oder ob die Erfordernisse des Unternehmens es gebieten, diese Leistung nicht als zu unternehmensfremden Zwecken erbracht erscheinen zu lassen, so dass sie dem überwiegenden Interesse des Arbeitgebers (und damit unternehmenseigenen Interessen) dient. Diese in Art. 16 und Art. 26 Abs. 1 MwStSystRL angelegte Differenzierung kommt ausschließlich bei unentgeltlichen Leistungen zur Anwendung. Eine vergleichbare Unterscheidung ist in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c MwStSystRL für entgeltliche Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen nicht angelegt.
Einer Vorlage an den EuGH bedarf es nicht. Wer Parkraum gegen Entgelt - auch an das eigene Personal - überlässt, verschafft unzweifelhaft einen verbrauchsfähigen Vorteil i.S. des Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL.
d) Auch die übrigen Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch.
aa) Entgegen der Auffassung der Klägerin beziehen sich die Ausführungen in Abschn. 1.8 Abs. 4 Nr. 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) ausschließlich auf unentgeltliche Leistungen, nicht hingegen auf Sachleistungen, die der Arbeitgeber an seine Arbeitnehmer gegen ein verbilligtes Entgelt erbringt. Nach Abschn. 1.8 Abs. 1 Satz 3 UStAE sind u.a. sonstige Leistungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbar, die der Unternehmer an seine Arbeitnehmer aufgrund des Dienstverhältnisses gegen verbilligtes Entgelt ausführt. In Abschn. 1.8 Abs. 2 bis 4 UStAE werden sodann die Voraussetzungen beschrieben, unter denen (ausschließlich) unentgeltliche (Arbeitgeber-)Leistungen den entgeltlichen Leistungen gleichzustellen sind (§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 und § 3 Abs. 9a UStG).
bb) Entgegen den Ausführungen der Klägerin geht die Rechtsprechung davon aus, dass entgeltliche Leistungen auch dann vorliegen, wenn sie - wie im Streitfall - verbilligt erbracht werden (z.B. BFH-Urteile vom 15.11.2007 V R 15/06, BFHE 219, 437, BStBl II 2009, 423, Rz 19 f., und vom 27.2.2008 XI R 50/07, BFHE 221, 410, BStBl II 2009, 426, Rz 9).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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