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BFH zur Umsatzbesteuerung der Wärmeabgabe aus einer Biogas-Anlage

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Auslegung von Art. 16 und Art. 74 MwStSystRL zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. Handelt es sich um die "Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuer­pflichtigen aus seinem Unternehmen ... als unentgeltliche Zuwendung" i.S. von Art. 16 MwStSystRL, wenn ein Steuerpflichtiger Wärme aus seinem Unter­nehmen unentgeltlich an einen anderen Steuerpflichtigen für dessen wirt­schaftliche Tätigkeit abgibt (hier: Zuwendung von Wärme aus dem Blockheiz­kraftwerk eines Stromlieferanten an ein landwirtschaftliches Unternehmen zum Beheizen von Spargelfeldern)? Kommt es hierfür darauf an, ob der steuer­pflichtige Empfänger die Wärme für Zwecke verwendet, die ihn zum Vorsteu­erabzug berechtigen?
  2. Schränkt der Tatbestand der Entnahme (Art. 16 MwStSystRL) den Selbst­kostenpreis i.S. des Art. 74 MwStSystRL in der Weise ein, dass bei seiner Be­rechnung nur vorsteuerbelastete Kosten einzubeziehen sind?
  3. Gehören zum Selbstkostenpreis nur die unmittelbaren Herstellungs- oder Erzeugungskosten oder auch nur mittelbar zurechenbare Kosten wie z.B. Finanzierungsaufwendungen?

UStG § 3 Abs. 1b, § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1
MwStSystRL Art. 16, Art. 74, Art. 302, Art. 289

BFH-Beschluss vom 22.11.2022, XI R 17/20 (veröffentlicht am 30.3.2023)

Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 19.9.2019, 11 K 195/17 = SIS 20 12 47

I. Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt eine Biogasanlage zur Erzeugung von Biogas aus Biomasse. Das erzeugte Biogas wurde im Jahr 2008 (Streitjahr) zur dezentralen Strom- und Wärmeproduktion in einem angeschlossenen Blockheizkraftwerk (BHKW) genutzt, indem es ei­nem Verbrennungsmotor zugeführt wurde, der einen Generator antrieb.

Der so produzierte Strom wurde überwiegend in das allgemeine Stromnetz eingespeist und von dem Stromnetzbetreiber vergütet.

Die durch diesen Prozess ebenfalls erzeugte Wärme diente zu einem Teil dem Produktionsprozess. Den überwiegenden Teil der Wärme überließ die Klägerin im Streitjahr mit Vertrag vom 29.11.2007 dem Unternehmer A "kostenlos" zur Trocknung von Holz in Containern und mit Vertrag vom 29.07.2008 der B GbR (B), die mit der Wärme ihre Spargelfelder beheizte. In beiden Verträgen ist geregelt, dass die Höhe der Vergütung je nach wirtschaftlicher Lage des Wär­meabnehmers individuell vereinbart und in den Verträgen nicht festgelegt werde.

Im Streitjahr erhielt die Klägerin für die Lieferung von 6 714 247 kWh Strom vom Stromnetzbetreiber neben der sogenannten ‑‑sog.‑‑ Mindest-Einspeise­vergütung nach § 8 Abs. 1 des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Ener­gien (Erneuerbare-Energien-Gesetz) in der Fassung ‑‑i.d.F.‑‑ vom 07.11.2006 ‑‑EEG‑‑ (BGBl I 2006, 2550) in Höhe von 1.054.337,85 € einen Erhöhungsbe­trag nach § 8 Abs. 3 EEG (sog. Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)-Bonus), weil es sich bei dem von ihr erzeugten Strom um solchen im Sinne ‑‑i.S.‑‑ von § 3 Abs. 4 des Gesetzes für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz) i.d.F. vom 19.03.2002 ‑‑KWKG‑‑ (BGBl I 2002, 1092) handelte. Auch dieser KWK-Bonus in Höhe von 85.070,66 € wurde entsprechend der Umsatzsteuererklärung der Klägerin vom Beklagten, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) in die Bemessungsgrundlage der steuerpflichtigen Umsätze einbezo­gen.

Da die Klägerin den Wärmeabnehmern kein Entgelt in Rechnung stellte, ging der Prüfer im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung von einer unentgeltlichen Entnahme der Wärme i.S. von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) an A und B aus. Mangels eines Ein­kaufspreises für Wärme berechnete er die Bemessungsgrundlage für diese Entnahme gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nach den Selbstkosten. Von den in der Gewinn- und Verlustrechnung aufgeführten Gesamtkosten in Höhe von 1.104.453,35 € entfielen nach der Berechnung des Prüfers auf die abge­gebene Wärme 384.791,55 € (= 34,84 %), so dass er ‑‑ausgehend von dieser Bemessungsgrundlage‑‑ insoweit Umsatzsteuer in Höhe von 73.110,29 € an­setzte.

Das FA folgte dem Ergebnis der Prüfung mit Umsatzsteuerbescheid für 2008 vom 17.11.2011. Den dagegen eingelegten Einspruch wies es mit Einspruchs­entscheidung vom 01.08.2012 als unbegründet zurück.

Mit ihrer ursprünglichen Klage machte die Klägerin u.a. geltend, der KWK-Bonus sei ein Entgelt von dritter Seite. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage der Klägerin im ersten Rechtsgang statt. Auf die Revision des FA hob der Bun­desfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 31.05.2017 ‑ XI R 2/14 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ‑‑BFHE‑‑ 258, 191, Bundessteuerblatt ‑‑BStBl‑‑ II 2017, 1024) das Urteil des FG auf und wies die Sache an das FG zurück. Der sog. KWK-Bonus, den der Stromnetzbetreiber an die Klägerin ge­zahlt habe, sei nicht Entgelt für die "kostenlosen" Wärmeabgaben der Kläge­rin. Es handele sich bei der Vergütung des Stromnetzbetreibers vielmehr um ein Entgelt für den von der Klägerin an ihn gelieferten Strom. Die Sache sei nicht spruchreif, da nicht entschieden werden könne, in welcher Höhe die un­entgeltlichen Wertabgaben der Klägerin versteuert werden müssen. Dies richte sich nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG gemäß den Grundsätzen der BFH-Ur­teile vom 12.12.2012 ‑ XI R 3/10 (BFHE 239, 377, BStBl II 2014, 809) und vom 16.11.2016 ‑ V R 1/15 (BFHE 255, 354, BStBl II 2022, 777). Die dazu er­forderlichen Feststellungen habe das FG nachzuholen.

Im zweiten Rechtsgang wendete sich die Klägerin u.a. im Hinblick auf die Be­messungsgrundlage für die Wärmelieferungen gegen die Berechnung des FA, das diese Wertabgabe gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nach den Selbst­kosten ermittelte. Das FG gab der Klage im zweiten Rechtsgang teilweise statt. Es reduzierte die festgesetzte Umsatzsteuer. Die Umsatzsteuer für die unent­geltlichen Wertabgaben bemesse sich gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nach den Selbstkosten, die nach der sog. Marktwertmethode zu berechnen seien. Es sei auf die Marktwerte für Strom und Wärme am konkreten Ort der Klägerin abzustellen.

Mit der Revision rügen die Klägerin und das FA die Verletzung materiellen Rechts.

II. Der Senat setzt das Verfahren aus und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die im Tenor genannten Fragen gemäß Art. 267 Abs. 3 des Ver­trags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zur Vorabent­scheidung vor.

1. Rechtlicher Rahmen

a) Unionsrecht

Art. 16 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) ordnet an:

Einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichgestellt ist die Entnah­me eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf oder für den Bedarf seines Personals oder als un­entgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

Jedoch werden einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt nicht gleich­gestellt Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und für Warenmuster für die Zwecke des Unternehmens.

Art. 74 MwStSystRL bestimmt:

Bei den in den Artikeln 16 und 18 genannten Umsätzen in Form der Entnahme oder der Zuordnung eines Gegenstands des Unternehmens durch einen Steu­erpflichtigen oder beim Besitz von Gegenständen durch einen Steuerpflichtigen oder seine Rechtsnachfolger im Fall der Aufgabe seiner steuerbaren wirtschaft­lichen Tätigkeit ist die Steuerbemessungsgrundlage der Einkaufspreis für diese oder gleichartige Gegenstände oder mangels eines Einkaufspreises der Selbst­kostenpreis, und zwar jeweils zu den Preisen, die zum Zeitpunkt der Bewir­kung dieser Umsätze festgestellt werden.

Art. 289 MwStSystRL regelt:

Steuerpflichtige, die eine Steuerbefreiung in Anspruch nehmen, haben kein Recht auf Vorsteuerabzug gemäß den Artikeln 167 bis 171 und 173 bis 177 und dürfen die Mehrwertsteuer in ihren Rechnungen nicht ausweisen.

Art. 302 MwStSystRL ordnet an:Nimmt ein Pauschallandwirt einen Pauschalausgleich in Anspruch, hat er in Be­zug auf die dieser Pauschalregelung unterliegenden Tätigkeiten kein Recht auf Vorsteuerabzug.

b) Nationales Recht

§ 3 Abs. 1b UStG bestimmt:

Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt
1. die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Un­ternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen;
2. die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
3. jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unterneh­mens. Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

§ 10 Abs. 4 UStG regelt:

Der Umsatz wird bemessen
1. bei dem Verbringen eines Gegenstands im Sinne des § 1a Abs. 2 und des § 3 Abs. 1a sowie bei Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b nach dem Ein­kaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes;
...

§ 8 EEG

(1) Für Strom, der in Anlagen mit einer Leistung bis einschließlich 20 Megawatt gewonnen wird, die ausschließlich Biomasse im Sinne der nach Absatz 7 erlassenen Rechtsverordnung einsetzen, beträgt die Vergütung ...
(3) Die Mindestvergütungen nach Absatz 1 Satz 1 erhöhen sich um jeweils 2,0 Cent pro Kilowattstunde, soweit es sich um Strom im Sinne von § 3 Abs. 4 des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes handelt und dem Netzbetreiber ein ent­sprechender Nachweis ... vorgelegt wird. Anstelle des Nachweises nach Satz 1 können für serienmäßig hergestellte KWK-Anlagen mit einer Leistung von bis zu 2 Megawatt geeignete Unterlagen des Herstellers vorgelegt werden, aus denen die thermische und elektrische Leistung sowie die Stromkennzahl her­vorgehen.

§ 3 Abs. 4 KWKG

(4) KWK-Strom ist das rechnerische Produkt aus Nutzwärme und Stromkenn­zahl der KWK-Anlage. Bei Anlagen, die nicht über Vorrichtungen zur Abwär­meabfuhr verfügen, ist die gesamte Netto-Stromerzeugung KWK-Strom.

2. Zur ersten Vorlagefrage

a) Gegenstand der Vorlagefrage in Abgrenzung zu anderen Fallgestal­tungen

Die erste Vorlagefrage betrifft die Auslegung von Art. 16 MwStSystRL. Diese Bestimmung entspricht der früheren Regelung in Art. 5 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‑ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche Bemessungsgrundlage (Richtlinie 77/388/EWG), so dass der Senat davon ausgeht, dass die zu Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG ergangene EuGH-Rechtsprechung auch für die Ausle­gung von Art. 16 MwStSystRL zu berücksichtigen ist.

Art. 16 Satz 1 MwStSystRL stellt die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen in vier Fällen einer Lieferung gegen Entgelt gleich. Diese Fälle lassen sich unter dem Oberbegriff der Entnahme zu­sammenfassen. Dabei geht es um "die Entnahme ... für seinen privaten Bedarf [Fall 1] oder [die Entnahme] für den Bedarf seines Personals [Fall 2] oder [die Entnahme] als unentgeltliche Zuwendung [Fall 3] oder [die Entnahme] allge­mein für unternehmensfremde Zwecke [Fall 4]".

Im Streitfall hat die Klägerin eine Anlage mit Recht auf Vorsteuerabzug errich­tet, die Strom produziert, den die Klägerin als Steuerpflichtige gegen Entgelt steuerpflichtig liefert. Zumindest aufgrund einer vollumfänglichen Unterneh­menszuordnung stand ihr das volle Recht auf Vorsteuerabzug aus den Errich­tungs- und Betriebskosten zu. Die insoweit eintretenden Rechtsfolgen sind un­streitig.

Fraglich ist demgegenüber, welche Rechtsfolgen in Bezug auf die zusätzlich mit der Anlage erzeugte Wärme eintreten. Diese Wärme kann unterschiedlich verwendet werden. So kann der Steuerpflichtige, der den Strom steuerpflichtig gegen Entgelt liefert und für die Anlage den vollen Vorsteuerabzug geltend gemacht hat, die Wärme ungenutzt entweichen lassen (Fall A), als natürliche Person (Einzelunternehmer) nutzen, um seine Wohnung zu heizen (Fall B), für private Wohnzwecke an sein Personal für dessen Bedarf kostenlos abgeben (Fall C), als Einrichtung des öffentlichen Rechts für eigene Hoheitszwecke, wie zum Beispiel ‑‑z.B.‑‑ das Beheizen von Amtsstuben und damit für die in Art. 13 Abs. 1 Unterabsatz ‑‑Unterabs.‑‑ 1 MwStSystRL genannten Hoheitstä­tigkeiten verwenden (Fall D), für private Wohnzwecke von Anwohnern in sei­ner Nähe an diese kostenlos abgeben (Fall E) oder an einen anderen Steuer­pflichtigen für dessen wirtschaftliche Tätigkeit kostenlos abgeben, wobei hier auch noch danach zu differenzieren sein könnte, ob der Empfänger den Ge­genstand im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit für Zwecke verwendet, die ihn gemäß Art. 168 MwStSystRL oder gemäß Art. 169 MwStSystRL zum Vorsteuerabzug berechtigten (Fall F).

Die steuerrechtliche Beurteilung der meisten dieser Fälle ist unproblematisch. So fehlt es im Fall A am Vorgang einer Entnahme, so dass Art. 16 Satz 1 MwStSystRL bereits deshalb nicht anzuwenden ist. Demgegenüber liegen in den Fällen B und C die Voraussetzungen von Art. 16 Satz 1 Fall 1 und 2 MwStSystRL vor, die jedenfalls bei einer vollständigen Unternehmenszuord­nung nicht zu einer Einschränkung des Vorsteuerabzugs führen. Im Fall D ist auf der Grundlage des EuGH-Urteils Vereniging Noordelijke Land‑ en Tuinbouw Organisatie vom 12.02.2009 ‑ C‑515/07 (EU:C:2009:88) die Annahme einer Entnahme für unternehmensfremde Zwecke nach Art. 16 Satz 1 Fall 4 MwStSystRL zu verneinen, was dann wohl zu einer Einschränkung des Vor­steuerabzugs aus den Errichtungs- und Betriebskosten der Anlage führt. Für den Fall E bejaht der BFH den Tatbestand der unentgeltlichen Zuwendungen gemäß Art. 16 Satz 1 Fall 3 MwStSystRL mit vollem Vorsteuerabzug, da es hier sonst zu einem unversteuerten Endverbrauch kommt (BFH-Urteil vom 25.11.2021 ‑ V R 45/20, BFHE 275, 392, Rz 18).

Zweifelhaft ist demgegenüber die Beurteilung im Fall F, der dem hier zu beur­teilenden Streitfall entspricht. Es stellt sich die Frage, ob auch hier eine Ent­nahme "als unentgeltliche Zuwendung" i.S. von Art. 16 Satz 1 Fall 3 MwStSystRL zu bejahen ist.

b) Bisherige Rechtsprechung des EuGH zu Art. 16 MwStSystRL

Der EuGH hat sich in der Vergangenheit bereits mehrfach zu einzelnen Tatbe­ständen des Art. 16 MwStSystRL (Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG) geäußert.

So liegt eine Entnahme vor, wenn eine Erdölgesellschaft Gegenstände an ei­nen Treibstoffkäufer gegen Gutscheine abgibt, die der Treibstoffkäufer nach Maßgabe der gekauften Menge gegen Zahlung des vollen Endverkaufspreises des Treibstoffs an der Tankstelle im Rahmen einer Werbeaktion erhalten hat (EuGH-Urteil Kuwait Petroleum vom 27.04.1999 ‑ C‑48/97, EU:C:1999:203, zweite Antwort zu Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG). Dies bezieht sich auf die Entnahme in Form der unentgeltlichen Zuwendung nach Art. 16 Satz 1 Fall 3 MwStSystRL, wie sich aus Rz 24 dieses Urteils ergibt. Dabei hat der EuGH in Rz 22 dieses Urteils die Entnahme insbesondere damit begründet, dass eine Entnahme auch bei einer Weitergabe für Zwecke des Unternehmens vorliegen kann.

Im Zusammenhang mit Warenmustern i.S. von Art. 16 Satz 2 MwStSystRL ‑‑und dabei wohl mit Blick auf Art. 16 Satz 1 Fall 1 und 2 MwStSystRL‑‑ hat der EuGH entschieden, dass der Steuerpflichtige, der für seinen privaten Be­darf oder den seines Personals einen Gegenstand entnimmt, und der Endver­braucher, der einen Gegenstand gleicher Art erwirbt, gleichbehandelt werden und dass die Besteuerung der Entnahme dazu dient, einen unversteuerten Endverbrauch zu verhindern (EuGH-Urteil EMI Group vom 30.09.2010 ‑ C‑581/08, EU:C:2010:559, Rz 17 f. zu Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG).

Schließlich hat der EuGH die Entnahme verneint, wenn der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zugunsten einer Gemeinde unentgelt­lich Arbeiten zum Ausbau einer Gemeindestraße durchführt, die von der Öf­fentlichkeit wie auch von ihm genutzt wird (EuGH-Urteil Mitteldeutsche Hartstein-Industrie vom 16.09.2020 ‑ C‑528/19, EU:C:2020:712, dritte Ant­wort zu Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG). Unter Hinweis auf seine Ur­teile Kuwait Petroleum (EU:C:1999:203) und EMI Group (EU:C:2010:559) verneint der EuGH eine Zuordnung zu unternehmensfremden Zwecken (i.S. von Art. 16 Satz 1 Fall 4 MwStSystRL), da die Arbeiten für die Bedürfnisse des Steuerpflichtigen durchgeführt wurden, was aber eine Entnahme nach anderen Tatbeständen nicht ausschließt (Rz 64). Weiter stehe zwar die Nutzung der ausgebauten Straße für den öffentlichen Verkehr einer Entnahme nicht entge­gen. Die Arbeiten zum Ausbau dieser Straße seien jedoch ausgeführt worden, um den Bedürfnissen des Steuerpflichtigen zur Aufnahme des Schwerlastver­kehrs nachzukommen (Rz 65). Es liege kein unversteuerter Endverbrauch vor (Rz 66), wobei der EuGH hierzu auf den "tatsächlichen Endverbrauch" ver­weist, aus dem sich eine vorrangige Nutzung durch den Steuerpflichtigen ge­genüber der "irrelevanten" Nutzung für den öffentlichen Verkehr ergebe (Rz 67 und Rz 37).

c) Mögliche Beantwortung der ersten Vorlagefrage

aa) Bejahung der Entnahme bei Wortlautauslegung

Nach Maßgabe des Wortlauts von Art. 16 Satz 1 Fall 3 MwStSystRL ist im Streitfall die unentgeltliche Zuwendung zu bejahen. Die Klägerin hat mit der Wärme einen Gegenstand i.S. von Art. 15 Abs. 1 MwStSystRL, den sie im Rahmen ihres Unternehmens hergestellt hat, aus ihrem Unternehmen ent­nommen. Da sie für die Anlage, mit der die Wärme hergestellt wurde, im Hin­blick auf die steuerpflichtigen Stromlieferungen gegen Entgelt zum Vorsteuer­abzug berechtigt war, erzeugte die Klägerin auch die Wärme mit Recht auf Vorsteuerabzug.

Es liegen weiter die Anforderungen vor, die an den Tatbestand der Zuwendung zu stellen sind. Als Zuwendung ist die Übertragung des Zuwendungsgegen­stands auf eine andere Person unter den Bedingungen anzusehen, die an­sonsten zu einer Lieferung (Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL) führen. Dies trifft auf die Zurverfügungstellung von Wärme zur Nutzung durch den Empfänger zu.

Diese Zuwendung war auch unentgeltlich, da die Übertragung der Wärme auf A und B entgegen den vertraglichen Vereinbarungen ohne Zahlung erfolgte und die hiergegen gerichteten Einwendungen der Klägerin nicht durchgreifen.

bb) Bedeutung des Endverbrauchs

Zweifelhaft ist, ob der Tatbestand der Entnahme als unentgeltliche Zuwendung über den Wortlaut von Art. 16 Satz 1 Fall 3 MwStSystRL hinaus durch eine zu­sätzliche Voraussetzung einzuschränken ist. Denn auch dieser Tatbestand der Entnahme könnte dazu dienen, einen unversteuerten Endverbrauch zu verhin­dern (s. oben II.2.b). Der Tatbestand der Entnahme als unentgeltliche Zuwen­dung würde dann einen unversteuerten Endverbrauch voraussetzen. Eine der­artige Einschränkung könnte aus dem EuGH-Urteil Mitteldeutsche Hartstein-Industrie (EU:C:2020:712) abzuleiten sein. Für eine derartige Einschränkung könnte zudem eine Gleichbehandlung mit Art. 16 Satz 1 Fall 1 und 2 MwStSystRL sprechen.

Allerdings wäre bei einer derart einschränkenden Auslegung auch die Frage zu beantworten, ob der unversteuerte Endverbrauch bereits dann zu verneinen ist, wenn der Zuwendungsempfänger, bei dem es sich um einen Steuerpflich­tigen handelt, den Zuwendungsgegenstand für Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeit verwendet, oder ob es zusätzlich darauf ankommt, dass er den Zu­wendungsgegenstand für Zwecke einer wirtschaftlichen Tätigkeit verwendet, die ihn nach Art. 168 MwStSystRL oder nach Art. 169 MwStSystRL zum Vor­steuerabzug berechtigt. Letzteres könnte sich daraus rechtfertigen, dass an­sonsten der Zuwendungsgegenstand, der den Zuwendenden (hier: die Kläge­rin) zum Vorsteuerabzug berechtigt hat, beim Zuwendungsempfänger (hier: A und B) für Zwecke verwendet werden kann, die nicht zum Vorsteuerabzug be­rechtigten.

Bei der Beurteilung der ersten Vorlagefrage geht der Senat davon aus, dass sich eine den Wortlaut (durch ein Zusatzerfordernis) einschränkende Ausle­gung dem EuGH-Urteil Mitteldeutsche Hartstein-Industrie (EU:C:2020:712) nicht eindeutig entnehmen lässt. Denn die sich aus diesem Urteil ergebende Ablehnung von Art. 16 Satz 1 Fall 3 MwStSystRL könnte auch darauf beruhen, dass der Ausbau der Gemeindestraße zur Aufnahme des Schwerlastverkehrs des Steuerpflichtigen als Eigenzuwendung des Steuerpflichtigen an sich selbst anzusehen war, so dass es bereits am Tatbestand der Zuwendung an eine an­dere Person fehlte.

Gegen eine den Wortlaut einschränkende Auslegung könnte zudem sprechen, dass der EuGH in seinem Urteil Kuwait Petroleum (EU:C:1999:203) die unent­geltliche Zuwendung bejaht hat, obwohl die Zuwendung beim Zuwendenden seiner wirtschaftlichen Tätigkeit diente (EuGH-Urteil Kuwait Petroleum, EU:C:1999:203, Rz 22). Dies könnte zu einer spiegelbildlichen Betrachtung beim Zuwendungsempfänger dergestalt führen, dass eine unentgeltliche Zu­wendung auch dann vorliegt, wenn er den Zuwendungsgegenstand für seine wirtschaftliche Tätigkeit verwendet. Zudem hat der EuGH entschieden, dass "nicht nach dem steuerlichen Status des Empfängers von Warenmuster differenziert wird" (EuGH-Urteils EMI Group, EU:C:2010:559, Rz 52).

Schließlich ist zu beachten, dass der Entnahme als unentgeltliche Zuwendung nach Art. 16 Satz 1 Fall 3 MwStSystRL nach dem Willen des Unionsgesetzge­bers eine gegenüber der Privatentnahme gemäß Art. 16 Satz 1 Fall 1 und 2 MwStSystRL eigenständige Funktion zukommen soll. Dies lässt es zweifelhaft erscheinen, ob die unentgeltliche Zuwendung denselben Beschränkungen wie die Privatentnahme unterliegen soll, da bei Anwendung des Kriteriums eines unversteuerten Endverbrauchs für Art. 16 Satz 1 Fall 3 MwStSystRL möglich­erweise kein eigenständiger Anwendungsbereich verbleibt.

cc) Betrachtung der Rechtsfolgen

Zu betrachten sind auch die Rechtsfolgen, die sich aus der Bejahung oder Ver­neinung einer den Wortlaut einschränkenden Auslegung ergeben.

(1) Einschränkende Auslegung

Ist der Tatbestand der unentgeltlichen Zuwendung i.S. von Art. 16 Satz 1 Fall 3 MwStSystRL aufgrund des Kriteriums eines unversteuerten Endver­brauchs zu verneinen, hat der Zuwendende zu beurteilen, ob ein derartiger Endverbrauch beim Empfänger vorliegt. Damit trägt der Zuwendende das Risi­ko einer hierauf bezogenen Fehlbeurteilung. Der Streitfall verdeutlicht dies. So sollte die Klägerin für die Zurverfügungstellung der Wärme zum einen ein Ent­gelt erhalten, während die Wärme zum anderen durch die Empfänger A und B für bestimmte Zwecke der von A und B jeweils ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit verwendet werden sollte. Der erste Teil dieser Vereinbarung wurde bereits nicht durchgeführt, da für die Wärmeübertragung in beiden Fällen keine Zahlungen geleistet wurden. Ebenso kommt ‑‑zumindest abstrakt‑‑ die Mög­lichkeit in Betracht, dass die Empfänger (hier: A und B) die unentgeltliche Leistung (hier: Wärme) entgegen den vertraglichen Vereinbarungen für andere Zwecke als die ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit verwenden könnten. Damit trägt die Klägerin das grundsätzliche Risiko, dass der Einzelunternehmer A und die Gesellschafter der B die Wärme vertragswidrig für z.B. private Wohnzwecke verwenden. Käme es für die Anwendung des Art. 16 Satz 1 Fall 3 MwStSystRL auf eine Empfängerverwendung (gegebenenfalls mit Recht auf Vorsteuerab­zug) an, müsste der Zuwendende insoweit das Risiko von Fehlbeurteilungen tragen.

Dies könnte es rechtfertigen, für den Tatbestand der unentgeltlichen Zuwen­dung entsprechend dem Wortlaut des Art. 16 Satz 1 Fall 3 MwStSystRL nur auf die Zuwendung und deren Entgeltlichkeit abzustellen, ohne diesen Tatbestand durch das Erfordernis eines unversteuerten Endverbrauchs einzuschränken.

(2) Wortlautgetreue Anwendung

Zu betrachten sind auch die Rechtsfolgen, die sich bei einer wortlautgetreuen Anwendung ergeben. Dabei könnte es im Hinblick auf den Neutralitätsgrund­satz (vgl. z.B. EuGH-Urteil Malburg vom 13.03.2014‑‑ C‑204/13, EU:C:2014:147, Rz 41) als unzutreffend angesehen werden, die Entnahme als unentgeltliche Zuwendung zu bejahen, wenn der steuerpflichtige Zuwen­dungsempfänger den Zuwendungsgegenstand für Zwecke einer wirtschaftli­chen Tätigkeit verwendet, die ihn zum Vorsteuerabzug berechtigt. Die Abgabe der Wärme wird trotzdem mit Umsatzsteuer belastet, ohne dass der Leis­tungsempfänger diese als Vorsteuer abziehen könnte. Insoweit könnte ein Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz vorliegen, wenn der Entnahmebe­steuerung beim Zuwendenden kein Recht auf Vorsteuerabzug beim Zuwen­dungsempfänger gegenübersteht.

Allerdings erscheint eine derartige Verneinung des Vorsteuerabzugs zweifel­haft. Denn Art. 16 Satz 1 MwStSystRL stellt die Entnahme einer Lieferung ge­gen Entgelt gleich. Verwendet der steuerpflichtige Zuwendungsempfänger den durch Zuwendung nach Art. 16 Satz 1 Fall 3 MwStSystRL als an ihn geliefert geltenden Gegenstand für die in Art. 168 MwStSystRL oder in Art. 169 MwStSystRL genannten Zwecke, liegen die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs vor. Im Hinblick auf das zusätzliche Erfordernis einer Rech­nung nach Art. 178 Buchst. a MwStSystRL könnte der Zuwendende als nach Art. 226 MwStSystRL befugt angesehen werden, über die Entnahme eine Rechnung zu erteilen. Diese würde insbesondere als Steuerbemessungsrund­lage (Art. 226 Nr. 8 MwStSystRL) den Entnahmewert nach Art. 74 MwStSystRL und den darauf entfallenden Steuerbetrag (Art. 226 Nr. 10 MwStSystRL) an­geben. Eine Zahlungsaufforderung gehört nicht zu den Rechnungsangaben. Ein Vorsteuerabzug kann daher im Fall einer Entnahme als unentgeltliche Zuwen­dung anzusehen sein, ohne dass es hierfür zu einer Zahlung durch den Zuwendungsempfänger an den Zuwendenden kommen muss. Denn im Fall der von vornherein bestehenden Unentgeltlichkeit fehlt es an der von Art. 90 MwStSystRL vorausgesetzten "Nichtbezahlung ... nach der Bewirkung des Umsatzes". Zahlt der Zuwendungsempfänger demgegenüber den für die Entnahme geschuldeten Steuerbetrag, ändert sich hierdurch nichts, da eine derartige Steuerzahlung nicht als Entgelt anzusehen ist.

Zur Bejahung des Vorsteuerabzugs wäre es schließlich erforderlich, in der für die Entnahme geschuldeten Steuer eine i.S. von Art. 168 Buchst. a MwStSystRL geschuldete oder entrichtete Steuer zu sehen (vgl. hierzu EuGH-Urteil Zipvit vom 13.01.2022 ‑ C‑156/20, EU:C:2022:2, Rz 37).

d) Entscheidungserheblichkeit der ersten Vorlagefrage

§ 3 Abs. 1b UStG beruht auf Art. 16 MwStSystRL und entspricht dieser Vorga­be (vgl. BFH-Urteile vom 16.10.2013 ‑ XI R 39/12, BFHE 243, 77, BStBl II 2014, 1024, Rz 27; vom 21.05.2014 ‑ V R 20/13, BFHE 246, 226, BStBl II 2014, 1029). Nach beiden Regelungen wird eine unentgeltliche Zuwendung ei­ner Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichgestellt, wenn dieser Ge­genstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 UStG; Art. 16 Satz 1 MwStSystRL). Im Streitfall handelt es sich bei den Wärmelieferungen an A und B um unentgeltliche Zuwendungen in diesem Sinne, da der Betrieb des BHKW mit Biogasanlage die Klägerin zum vollen Vorsteuerabzug berechtigte.

Tatsächliche Feststellungen dazu, ob A und B zum vollen Vorsteuerabzug be­rechtigt sind, hat das FG nicht getroffen. Es kann nicht ausgeschlossen wer­den, dass A und B Kleinunternehmer sind oder die Pauschalregelung für land- und forstwirtschaftliche Erzeuger in Anspruch nehmen.

3. Zur zweiten Vorlagefrage

a) Bedeutung des Steuertatbestands für die Bemessungsgrundlage

Art. 74 MwStSystRL dient der Verwirklichung des in Art. 16 Satz 1 MwStSystRL genannten Entnahmetatbestandes, da sich aus Art. 74 MwStSystRL die Be­messungsgrundlage für diese Entnahme ergibt. Dies rechtfertigt es aus der Sicht des Senats, die mit Art. 16 MwStSystRL verfolgten Zielsetzungen auch bei der Auslegung von Art. 74 MwStSystRL zu berücksichtigen.

b) Zielsetzungen der Entnahmebesteuerung

Zum Entnahmetatbestand hat der EuGH bereits entschieden, dass "ein Steu­erpflichtiger, der einen Gegenstand aus seinem Unternehmen entnimmt, und ein gewöhnlicher Verbraucher, der einen Gegenstand gleicher Art kauft, gleich behandelt werden. Deswegen lässt es [Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG] nicht zu, dass ein Steuerpflichtiger, der beim Kauf eines seinem Unternehmen zugeordneten Gegenstands die Mehrwertsteuer abziehen konn­te, der Zahlung der Mehrwertsteuer entgeht, wenn er diesen Gegenstand aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf entnimmt, und so gegenüber einem gewöhnlichen Verbraucher, der beim Erwerb des Gegenstands Mehr­wertsteuer zahlt, einen ungerechtfertigten Vorteil erlangt" (EuGH-Urteil Fischer und Brandenstein vom 17.05.2001 ‑ C‑322/99 und C‑323/99, EU:C:2001:280, Rz 56). Daher wäre eine Auslegung des Entnahmetatbestandes dahingehend, "dass im Fall der Entnahme eines Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen dieser Gegenstand und die in ihn eingebauten Teile umfas­send zu besteuern sind, obwohl der Gegenstand ursprünglich ohne die Mög­lichkeit zum Vorsteuerabzug erworben wurde und allein die nachträglich er­worbenen "Bestandteile" zum Vorsteuerabzug berechtigt haben, ... mit dem von dieser Bestimmung verfolgten Ziel der Gleichbehandlung nicht zu verein­baren" (EuGH-Urteil Fischer und Brandenstein, EU:C:2001:280, Rz 75).

c) Bedeutung des Steuertatbestands für die Bemessungsgrundlage

Ist die mit der Schaffung des Entnahmetatbestandes verfolgte Zielsetzung, "dass der Steuerpflichtige gegenüber einem gewöhnlichen Verbraucher keinen ungerechtfertigten Vorteil erlangt" (EuGH-Urteil Fischer und Brandenstein, EU:C:2001:280, Rz 76; s.a. EuGH-Urteil Mateusiak vom 16.06.2016 ‑ C‑229/15, EU:C:2016:454, Rz 39), auf Art. 74 MwStSystRL zu übertragen, könnte hieraus folgen, dass bei der Ermittlung des Selbstkostenpreises nur die Selbstkosten zu berücksichtigen sind, die steuerbelastet sind, da auch ge­wöhnliche Verbraucher, die einen Gegenstand herstellen, nur insoweit mit Mehrwertsteuer belastet werden. Diese Auslegung führt dazu, dass der Steu­erpflichtige, der einen Gegenstand herstellt, gegenüber dem gewöhnlichen Verbraucher, der einen Gegenstand herstellt, keinen ungerechtfertigten Vorteil erlangt, wenn bei ihm nicht vorsteuerbelastete Aufwendungen (wie z.B. die Kosten eines nach Art. 135 MwStSystRL steuerfreien Kredits) nicht in die Er­mittlung des Selbstkostenpreises einzubeziehen sind.

Zu berücksichtigen ist aber auch der nach Art. 74 MwStSystRL vorrangig an­zuwendende Einkaufspreis. Hier könnte eine Aufteilung dieses Preises in einen steuerbelasteten Preisbestandteil und einen Preisbestandteil ohne Steuerbelas­tung abzulehnen sein. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die Finanz­verwaltung davon ausgeht, dass nicht vorsteuerbelastete Kosten mit in die Selbstkostenberechnung aufzunehmen sind (so Abschn. 10.6 Abs. 1 Satz 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses). Im Schrifttum wird dies kritisiert (Stapperfend in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 10 Rz 467; Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 10 Rz 447, und Wäger in Wäger, UStG, 2. Aufl., § 10 Rz 153). Der BFH hat diese Frage bislang offen gelassen (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 275, 392, Rz 34 f.; vom 15.03.2022 ‑ V R 34/20, BFHE 276, 369, Rz 26).

d) Entscheidungserheblichkeit der zweiten Vorlagefrage

Auch die zweite Frage ist entscheidungserheblich. Zwar ist die Besteuerungs­grundlage für Gegenstände oder gleichartige Gegenstände nach Art. 74 MwStSystRL nur dann der "Selbstkostenpreis", wenn es keinen Einkaufspreis für gleichartige Gegenstände gibt (vgl. EuGH-Urteile Property Development Company vom 23.04.2015 ‑ C‑16/14, EU:C:2015:265, Rz 37; Het Oudeland Beheer vom 28.04.2016 ‑ C‑128/14, EU:C:2016:306, Rz 48). Dies ist nach der Rechtsprechung des BFH vorliegend der Fall, weil A und B nicht an ein Wär­menetz angeschlossen sind, das einen Bezug von Wärme von Dritten gegen Entgelt ermöglicht hätte (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 239, 377, BStBl II 2014, 809, Rz 39; in BFHE 276, 369, Rz 16). Folglich ist der Selbstkostenpreis des Art. 74 MwStSystRL für die Entscheidung im Streitfall maßgeblich. Sind in den Selbstkostenpreis nur vorsteuerbelastete Aufwendungen einzubeziehen, mindert dies die Steuerbemessungsgrundlage für die Wärmeentnahme und führt damit zu einer teilweisen Klagestattgabe.

4. Zur dritten Vorlagefrage

a) Gegenstand der dritten Vorlagefrage

Mit der dritten Vorlagefrage soll geklärt werden, ob zum Selbstkostenpreis nur die unmittelbaren Herstellungs- oder Erzeugungskosten oder auch nur mittel­bar zurechenbare Kosten (wie z.B. Finanzierungsaufwendungen) gehören.

Die insoweit bestehenden Zweifel ergeben sich aus den auf Fremdkapitalzinsen bezogenen Ausführungen des EuGH im Urteil Property Development Company (EU:C:2015:265, Rz 40). Danach ist es unerheblich, ob der (gegenüber dem Selbstkostenpreis vorrangig anzuwendende) Einkaufspreis gleichartiger Ge­bäude Fremdkapitalzinsen umfasst, die gegebenenfalls bei der Errichtung die­ser Gebäude gezahlt wurden. Denn anders als beim Kriterium des Selbstkos­tenpreises könne sich die Steuerbehörde beim Kriterium des Einkaufspreises gleichartiger Gegenstände auf die Marktpreise dieser Art von Gegenständen im Zeitpunkt der Zuordnung des fraglichen Gebäudes stützen, ohne im Einzelnen prüfen zu müssen, welche Wertfaktoren zu diesen Preisen geführt haben.

Dies deutet darauf hin, dass beim Selbstkostenpreis zu prüfen ist, welche Wertfaktoren zu ihm geführt haben. Für die Bestimmung des Selbstkosten­preises könnte daher, anders als für den Einkaufspreis, erheblich sein, ob z.B. Fremdkapitalzinsen vorliegen, die dann zu erfassen sein könnten. Hiergegen sprechen aber die Schwierigkeiten, die sich ergeben, wenn nur mittelbar zure­chenbare Kosten (wie z.B. Verwaltungsgemeinkosten) zu den Selbstkosten gehören würden. Das aus Sicht des Senats anzustrebende Ziel einer einfachen Wertbemessung von Entnahmen spricht daher gegen eine Einbeziehung derar­tiger Kosten, wie etwa von Finanzierungsaufwendungen.

b) Entscheidungserheblichkeit der dritten Vorlagefrage

Die dritte Vorlagefrage ist ebenso wie die zweite Vorlagefrage entscheidungs­erheblich. Sind Finanzierungsaufwendungen nicht Teil des Selbstkostenpreises, vermindert dies die Steuerbemessungslage der Wärmeentnahme und führt somit zu einer für die Klägerin niedrigeren Steuerlast sowie zu einer teilweisen Klagestattgabe.

5. Rechtsgrundlage der Anrufung und Nebenentscheidung

Rechtsgrundlage für die Anrufung des EuGH ist Art. 267 Abs. 3 AEUV. Die Aus­setzung des Revisionsverfahrens beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 FGO.

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