BFH: Umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von Warenlieferungen im paneuropäischen Versand über die Internetplattform Amazon
Liefert ein Verkäufer Waren über die Internetseite der Amazon Services Europe s.a.r.l. (Amazon) im Rahmen des Modells "Verkauf durch Händler, Versand durch Amazon" (auch "fulfillment by amazon" bzw. "Paneuropäischer Versand durch Amazon"), ist Leistungsempfänger der Warenlieferung des Verkäufers nicht Amazon, sondern der Endkunde, dem die Verfügungsmacht am Gegenstand der Lieferung verschafft wird.
UStG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 6, § 3c
BFH-Beschluss vom 29.4.2020, XI B 113/19 (veröffentlicht am 28.5.2020)
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 11.10.2019, 1 K 2693/17 U
I. Die Beteiligten streiten über die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Warenlieferungen, die in den Streitjahren (2014 bis 2016 sowie Januar bis Juni 2017) über die Internetseite der Amazon Services Europe s.a.r.l. (Amazon) mit Sitz im Großherzogtum Luxemburg (Luxemburg) im Rahmen des Modells "Verkauf durch Händler, Versand durch Amazon" (auch "fulfillment by amazon" oder "Paneuropäischer Versand durch Amazon" genannt) abgewickelt worden sind.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine B.V. mit Sitz im Königreich der Niederlande (Niederlande, NL), handelt mit Nahrungsergänzungsmitteln, Lebensmitteln für Diäten und Medizinprodukten. Sie verkauft ihre Produkte im Online-Handel innerhalb der Europäischen Union (EU). Dazu besitzt sie ein niederländisches Lager in X.
Der Verkauf an deutsche Kunden erfolgt teilweise über eine eigene Internetseite der Klägerin; die Waren werden dann direkt aus dem niederländischen Lager an die Kunden versandt.
Zum überwiegenden Teil erfolgt der Warenverkauf jedoch über die Internetseiten von Amazon entsprechend dem "Amazon Services Europe Business Solutions Vertrag". Dabei wurden die Waren im Streitzeitraum auf drei verschiedene Weisen angeboten:
- Verkauf und Versand durch die Klägerin
- Verkauf durch die Klägerin, Versand durch Amazon
- Verkauf und Versand durch einen dritten Unternehmer.
Wurde die Option "Verkauf durch die Klägerin, Versand durch Amazon" gewählt, wurde den Kunden als Impressum und "Info" zum Verkäufer der Firmenname der Klägerin, deren niederländische Rechtsform, deren Handelsregister-Nummer, deren niederländische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sowie deren niederländische Adresse angezeigt.
Die Klägerin schildert den Ablauf der Warenlieferungen im Rahmen der Option "Verkauf durch die Klägerin, Versand durch Amazon" wie folgt: Sie, die Klägerin, sende ihre Waren aus den Niederlanden an diverse Logistikzentren von Amazon in der EU, wobei die Waren für deutsche Privatkunden überwiegend in deutsche Logistikzentren geliefert würden. Bei den Logistikzentren in Deutschland handele es sich um Tochterunternehmen von Amazon. Diese lagerten die Ware für Amazon ein und stellten diese zum Verkauf an die Endkunden bereit. Ihr, der Klägerin, sei teilweise nicht bekannt, in welchem Logistikzentrum sich die Ware befinde, weil Amazon die angelieferten Waren eigenständig auf andere Logistikzentren verteilen könne. Die Waren würden über Amazon direkt an die Privatkunden verkauft. Die Waren würden von Amazon für den Katalog fotografiert und Kundenanfragen über den Kundenservice von Amazon beantwortet. Amazon habe sich vertraglich ausdrücklich vorbehalten, die Bewerbung der Produkte in eigener Gestaltung vorzunehmen und ggf. auch den Verkaufspreis teilweise zu gestalten. Der Verkauf finde ausschließlich über die Internetseiten von Amazon und deren Verkaufsprogramm statt, wie auch der Versand der Waren ohne Einwirkung der Klägerin an den Endabnehmer und Privatkunden nach den Vorstellungen und dem Versandstatus des Amazon-Programms erfolge. Entscheidungen über den Verkauf und den Abnehmer treffe ausschließlich Amazon, auch der Versand erfolge ausschließlich über die Amazon Logistik-Kette. Die jeweiligen Kunden würden der Klägerin zunächst nicht mitgeteilt. Etwaige Rücksendungen unterlägen ebenfalls den Programmbindungen von Amazon. Die retournierten Waren würden von Amazon zurückgenommen. Amazon entscheide eigenständig, wie mit den von dem Kunden beanstandeten Waren zu verfahren sei. Teilweise würden die Waren zurückgenommen und entweder zu verbilligten Preisen wieder in das Amazon-Programm aufgenommen oder (in geringem Umfang) mit Versandaufschlägen an die Klägerin zurückgesandt. In einer Vielzahl von Fällen gestatte Amazon den Kunden, die Waren zu behalten, und erstatte gleichwohl den Verkaufspreis. Nach der vertraglichen Vereinbarung über das Inkasso durch Amazon sei nicht nur die Einziehung des Kaufpreises, sondern auch die Einziehung von Umsatzsteuern vorgesehen, über die die Klägerin von Amazon jedoch keine gesonderte Abrechnung erhalte.
Die Klägerin reichte zunächst keine Umsatzsteuererklärungen bei dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) ein, weil sie der Auffassung war, dass sie mit ihren Lieferungen über die Internetplattform von Amazon steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an Amazon ausführe. Leistungsempfänger ihrer Warenlieferungen seien nicht die Endkunden, sondern sei Amazon mit Sitz in Luxemburg.
Später reichte die Klägerin Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2014 bis 2016 ein, in denen sie steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an Amazon erklärte. Das FA folgte diesen Steuererklärungen nicht, sondern unterwarf in den Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden vom 30.01.2017 (für 2014), 24.03.2017 (für 2015) und 19.06.2017 (für 2016) diese Umsätze der deutschen Umsatzsteuer zum ermäßigten Steuersatz. Ebenso verfuhr das FA in den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheiden vom 09.08.2017 bzw. 11.08.2017 für die Monate Januar bis Juni 2017. Die Einsprüche der Klägerin blieben erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 04.10.2017). Das FA ging davon aus, dass die Klägerin auch insoweit Lieferungen an deutsche Endkunden ausgeführt habe, als sie am Paneuropäischen Versand im Rahmen der Option "Verkauf durch die Klägerin, Versand durch Amazon" bzw. "fulfillment by amazon" (Auftragsabwicklung durch Amazon) teilgenommen habe. Sie habe die Ware nicht an Amazon verkauft, so dass Amazon auch keine Vertragspartei des Kaufvertrags mit dem Endkunden werde. Darauf weise Amazon in den sehr umfangreichen Bedingungen hin. Amazon erbringe an die Verkäufer (d.h. die Händler) als Leistungsempfänger elektronische Dienstleistungen. Die hierfür von Amazon erhobenen Gebühren unterlägen der Umsatzsteuer. Der Ort der sonstigen Leistungen von Amazon an die Klägerin liege in den Niederlanden und die Umsatzsteuer für die sonstige Leistung von Amazon werde von der Klägerin als Leistungsempfängerin geschuldet. Mit der Einlagerung der Waren in die Logistikzentren von Amazon führe die Klägerin ein innergemeinschaftliches Verbringen aus. Die nach der Einlagerung getätigten Lieferungen an die inländischen Kunden seien steuerbar und im Rahmen der Versandhandelsregelung in Deutschland steuerpflichtig.
Den Vorbehalt der Nachprüfung ließ das FA bestehen, da die Höhe der Umsätze der Klägerin weiter aufklärungsbedürftig sei.
Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf wies die Klage mit Urteil vom 11.10.2019 – 1 K 2693/17 U ab. Es entschied, die Klägerin habe unter Einschaltung von Amazon als sog. Fulfillment-Dienstleister Lieferungen an deutsche Endkunden ausgeführt. Soweit die Ware von der Klägerin zuvor in ein deutsches Logistikzentrum verbracht worden sei, sei die Lieferung an deutsche Kunden steuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 6 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Leistungsempfänger sei der Endkunde. Der Kaufvertrag des Endkunden komme mit der Klägerin zustande. Auch die übermittelte Rechnung weise die Klägerin als Verkäuferin aus. Soweit die Klägerin (zunächst) keine Kenntnis vom Zeitpunkt des Zustandekommens des Kaufvertrages und vom jeweiligen Vertragspartner habe, habe sie Amazon bevollmächtigt, mit Wirkung für und gegen sie Kaufverträge abzuschließen. Hierbei liege es in der Natur der Sache, dass der Vollmachtgeber unmittelbar keine Kenntnis von den tatsächlich mit Wirkung für und gegen ihn geschlossenen Rechtsgeschäften habe. Im Rahmen der monatlichen Abrechnungen könne die Klägerin jedoch die Details der Kaufverträge in ihrem bei Amazon online geführten Abrechnungsbereich abrufen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Amazon Services Europe Business Solutions Vertrag. Dieser sei nicht als schuldrechtlicher Kaufvertrag der Klägerin mit Amazon über die von der Klägerin in die Logistikzentren von Amazon verbrachten Waren anzusehen, sondern es handele sich um einen umfangreichen Dienstleistungsvertrag, aufgrund dessen Amazon im Namen der Klägerin Kaufverträge für diese abschließe, während der Versand der Waren und das Inkasso durch Amazon in eigenem Namen, aber im Auftrag der Klägerin erfolge. Die Leistungen von Amazon bestünden in der Einlagerung der Ware, der Versendung an die jeweilige Kundenadresse und ggf. in der Entgegennahme von Kunden-Rücksendungen. Der Umstand, dass die Klägerin nach dem Verbringen der Ware in ein Logistikzentrum von Amazon keinen unmittelbaren Einfluss mehr auf die Ware habe, führe nicht dazu, dass Amazon als Leistungsempfänger von Warenlieferungen anzusehen sei. Schuldrechtlicher Vertragspartner der Klägerin sei stets der Endkunde, der lediglich über den Vertriebskanal, der von Amazon bereitgestellt werde, die Ware von der Klägerin erwerbe. Dies überlagere die fehlende unmittelbare Einwirkung auf die Ware, zumal von Amazon stets deutlich gemacht werde, dass Amazon die Dienstleistungen für den Auftraggeber erbringe. Entsprechend werde auch auf den Internetseiten von Amazon ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Verkauf durch die Klägerin und nur der Versand durch Amazon erfolge.
Soweit die Klägerin Ware aus den Niederlanden in ein deutsches Logistikzentrum von Amazon verbracht habe, habe sie damit ein innergemeinschaftliches Verbringen verwirklicht. Dieses innergemeinschaftliche Verbringen in den Niederlanden sei dort gemäß der dem deutschen § 6a Abs. 2 UStG vergleichbaren Vorschrift steuerfrei. In der Bundesrepublik Deutschland --Deutschland-- (§ 3d Satz 1 UStG) finde ein innergemeinschaftlicher Erwerb (§ 1a UStG) statt, bei dem die Klägerin allerdings zum Vorsteuerabzug berechtigt sei (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 UStG). Dies sei für die Klägerin auch erkennbar gewesen, da unter F.15 des Amazon Services Europe Business Solutions Vertrages darauf hingewiesen werde.
Nichts anderes ergebe sich im Ergebnis, soweit Waren der Klägerin in ein Amazon Logistikzentrum in einem anderen Mitgliedstaat der EU verbracht worden seien. Denn die Lieferungen aus den anderen Mitgliedstaaten nach Deutschland seien aufgrund der Versandhandelsregelung des § 3c Abs. 1 Satz 1 UStG ebenfalls in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig. Das Verbringen der Ware aus den Niederlanden in die anderen Mitgliedstaaten der EU habe zunächst zu einem innergemeinschaftlichen Verbringen in den Niederlanden mit sich daran anschließenden innergemeinschaftlichen Erwerben in den anderen Mitgliedstaaten der EU geführt. Die Lieferungen der Waren an die deutschen Endkunden seien jedoch nicht in den anderen Mitgliedstaaten der EU steuerbar und steuerpflichtig, sondern gemäß § 3c UStG in Deutschland. Die privaten Abnehmer der Klägerin gehörten zu dem in § 3c Abs. 2 UStG genannten Personenkreis.
Da die Klägerin keine Angaben zur Aufteilung der Umsätze gemacht, sondern nur den Gesamtumsatz beziffert habe, sei angesichts der Höhe der Gesamtumsätze trotz der gegenteiligen Behauptung der Klägerin, davon auszugehen, dass die Lieferschwellen überschritten wurden. Der Transport sei auch nicht durch die Abnehmer veranlasst worden, sondern sei nach dem Amazon Services Europe Business Solutions Vertrag im Auftrag der Klägerin durch Amazon erfolgt.
Auch die Höhe der Steuerfestsetzung sei nicht zu beanstanden.
Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision beantragt die Klägerin, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sowie zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.
II. Soweit die Klägerin Zulassungsgründe benannt hat, ist die Beschwerde unzulässig, da es an Darlegungen i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) fehlt. Die Rechtssache hat außerdem nicht offensichtlich eine grundsätzliche Bedeutung, da die Entscheidung des FG in Einklang mit der Auffassung in der Literatur steht und das vom FG gefundene Ergebnis sowohl durch den mit Wirkung zum 01.01.2021 eingefügten Art. 14a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) als auch durch § 25e UStG bestätigt wird.
1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht hinreichend dargelegt.
a) Wird die Beschwerde mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet, hat der Beschwerdeführer zur Erfüllung der Darlegungsanforderungen eine hinreichend bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Hierzu ist schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darzulegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26.09.2017 - XI B 65/17, BFH/NV 2018, 240, Rz 12 f., m.w.N.). Insbesondere sind Ausführungen dazu erforderlich, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (vgl. BFH-Beschluss vom 01.03.2016 - XI B 51/15, BFH/NV 2016, 957, Rz 8, m.w.N.). Allein der Vortrag, dass zu einer bestimmten Rechtsfrage noch keine Entscheidung des BFH vorliegt, rechtfertigt noch nicht die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. BFH-Beschluss vom 12.06.2019 - XI B 71/18, BFH/NV 2019, 1329, Rz 6, m.w.N.).
b) Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Beschwerde nicht. Die --weitgehend im Stile einer Revisionsbegründung-- abgefasste Beschwerdebegründung enthält bereits keine abstrakte Rechtsfrage, sondern Ausführungen dazu, warum die Klägerin meint, dass sie Lieferungen an Amazon und nicht an die deutschen Endkunden ausgeführt habe. Außerdem geht die Klägerin nicht auf --zu dem Problemkreis bereits vorliegende-- Rechtsprechung (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 26.7.2018 - I ZR 20/17, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 2018, 1059, Rz 3, 20; s. dazu auch Schlussanträge des Generalanwalts M. Campos Sánchez-Bordona vom 28.11.2019 in der Rechtssache C-567/18 Coty Germany GmbH gegen Amazon Services Europe Sàrl, Amazon FC Graben GmbH, Amazon Europe Core Sàrl, Amazon EU Sàrl, EU:C:2019:1031, Rz 56 f., 60 f.) und Literatur (z.B. Denker/Trinks, Umsatz-Steuerberater --UStB-- 2017, 54, 55 f.; Hammerl/Fietz, Neue Wirtschafts-Briefe 2017, 1753 ff.) ein.
c) Die Klägerin hält im Kern die Rechtsauffassung des FG für falsch und stellt die materielle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage. Dies vermag die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht zu rechtfertigen (vgl. allgemein BFH-Beschlüsse vom 12.10.2018 - XI B 65/18, BFH/NV 2019, 129, Rz 16; vom 13.03.2019 - XI B 97/18, BFH/NV 2019, 711, Rz 9, s. auch unten unter II.3.b).
d) Die Rechtssache hat auch nicht offensichtlich eine grundsätzliche Bedeutung.
aa) Zwar kann nach der Rechtsprechung des BFH von Darlegungen zur grundsätzlichen Bedeutung abgesehen werden, wenn die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache offenkundig ist (vgl. BFH-Beschluss vom 09.05.1988 - IV B 35/87, BFHE 153, 378, BStBl II 1988, 725, Rz 11; vom 19.10.1993 - VII B 154/93, BFH/NV 1994, 835, Rz 9; vom 14.06.1996 - X B 197/95, BFH/NV 1996, 840, Rz 2; vom 02.11.2004 - X B 59/04, BFH/NV 2005, 209, Rz 19; vom 29.08.2007 - IV B 51/06, juris, Rz 1; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 116 Rz 27). Offenkundigkeit wird angenommen, wenn eine Rechtsfrage seit längerer Zeit in der Literatur kontrovers diskutiert, vom BFH noch nicht geklärt und für eine Vielzahl von Steuerpflichtigen von Bedeutung ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17.06.1997 - VIII B 72/96, BFH/NV 1997, 882, Rz 5; vom 15.05.2007 - IX B 166/06, juris, Rz 7; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 116 FGO Rz 174). Aber auch bei offenkundiger grundsätzlicher Bedeutung ist zu fordern, dass der Beschwerdeführer die Rechtsfrage bezeichnet, die der Klärung bedarf (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30.11.1994 - IX B 94/94, juris, Rz 2; vom 01.03.2007 - VI B 92/06, BFH/NV 2007, 1172, Rz 3).
bb) Hieran fehlt es jedoch im Streitfall. Die Klägerin hat bereits keine abstrakte Rechtsfrage aufgeworfen. Außerdem wird eine solche abstrakte Rechtsfrage in der Literatur nicht kontrovers diskutiert.
2. Da das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) ein Unterfall des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung ist, kommt die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts aus denselben Gründen nicht in Frage (vgl. allgemein BFH-Beschlüsse vom 11.12.2014 - XI B 49/14, BFH/NV 2015, 363, Rz 12; vom 24.07.2017 - XI B 37/17, BFH/NV 2017, 1635, Rz 16).
3. Ihr Begehren, die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, hat die Klägerin ebenfalls nicht hinreichend begründet.
a) Falls das Vorbringen der Klägerin dahin zu verstehen sein sollte, dass sie vom Vorliegen einer Divergenz ausgeht, hat die Klägerin keine tragenden abstrakten Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und aus einer behaupteten Divergenzentscheidung andererseits herausgearbeitet und einander so gegenüber gestellt, dass die behauptete Abweichung erkennbar wird (vgl. zu diesem Erfordernis BFH-Beschlüsse vom 05.07.2018 - XI B 17/18, BFH/NV 2018, 1139, Rz 19 f.; vom 13.03.2019 - XI B 89/18, BFH/NV 2019, 945, Rz 23).
b) Soweit der Begründung die Behauptung zu entnehmen sein könnte, es liege ein schwerwiegender Rechtsanwendungsfehler des FG vor, hat die Klägerin auch dies nicht hinreichend dargelegt.
aa) In der Beschwerdebegründung muss bei Geltendmachung dieses Zulassungsgrundes substantiiert dargelegt werden, weshalb die Vorentscheidung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist (vgl. BFH-Beschluss vom 14.08.2018 - XI B 2/18, BFH/NV 2019, 1, Rz 18, m.w.N.). Darzulegen sind insbesondere der schwerwiegende Fehler, seine Offensichtlichkeit, seine Entscheidungserheblichkeit sowie seine Korrekturmöglichkeit im Revisionsverfahren (vgl. BFH-Beschlüsse vom 20.02.2018 - XI B 129/17, BFH/NV 2018, 641, Rz 12; vom 26.04.2018 - XI B 117/17, BFH/NV 2018, 953, Rz 59).
bb) Daran fehlt es hier. Mit den Angriffen der Klägerin gegen die Würdigung der Sach- und Rechtslage durch das FG wird kein zur Zulassung der Revision führender besonders schwerer und offensichtlicher Fehler der Vorentscheidung geltend gemacht (vgl. allgemein BFH-Beschlüsse vom 14.04.2016 - XI B 97/15, BFH/NV 2016, 1304, Rz 25; in BFH/NV 2018, 240, Rz 29).
cc) Die Vorentscheidung ist außerdem zutreffend. Sie stimmt in ihrer zivilrechtlichen Beurteilung mit der unter II.1.b zitierten Rechtsprechung des BGH und in ihrer umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung mit der Auffassung in der Literatur überein.
dd) Für die Beurteilung des FG spricht außerdem der mit Wirkung zum 01.01.2021 eingefügte Art. 14a MwStSystRL.
Nach Art. 14a Abs. 2 MwStSystRL i.d.F. der Richtlinie (EU) 2017/2455 des Rates vom 05.12.2017 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG und der Richtlinie 2009/132/EG in Bezug auf bestimmte mehrwertsteuerliche Pflichten für die Erbringung von Dienstleistungen und für Fernverkäufe von Gegenständen (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 348 vom 29.12.2017, S. 7; s. dazu z.B. auch Kemper, Umsatzsteuer-Rundschau 2020, 56, 59) werden ab 01.01.2021 Steuerpflichtige, die die innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen durch einen nicht in der Gemeinschaft ansässigen Steuerpflichtigen an eine nicht steuerpflichtige Person durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle, beispielsweise eines Marktplatzes, einer Plattform, eines Portals oder Ähnlichem, unterstützen, so behandelt, als ob sie diese Gegenstände selbst erhalten und geliefert hätten. Zur Begründung der Einführung dieser fiktiven Lieferkommission ist im 7. Erwägungsgrund angeführt, dass ein Großteil der Fernverkäufe von Gegenständen, die sowohl von einem Mitgliedstaat in einen anderen als auch aus Drittgebieten oder Drittländern in die Gemeinschaft erfolgen, durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle, beispielsweise eines Marktplatzes, einer Plattform, eines Portals oder Ähnlichem unterstützt wird, wobei häufig auf Warenlager-Regelungen zurückgegriffen wird. Die Mitgliedstaaten könnten bestimmen, dass eine andere Person als der Steuerschuldner der Mehrwertsteuer in solchen Fällen gesamtschuldnerisch für die Zahlung der Mehrwertsteuer haften muss. Dies habe sich jedoch als unzureichend erwiesen, um eine wirksame und effiziente Erhebung der Mehrwertsteuer sicherzustellen. Zur Erreichung dieses Ziels und zur Verringerung des Verwaltungsaufwands für Verkäufer, Steuerverwaltungen und Erwerber sei es daher erforderlich, die Steuerpflichtigen, die Fernverkäufe von Gegenständen durch die Nutzung einer solchen elektronischen Schnittstelle unterstützen, bei der Erhebung der Mehrwertsteuer auf diese Verkäufe einzubeziehen, indem vorgesehen wird, dass sie als die Personen gelten, die diese Verkäufe getätigt haben.
Dies bestätigt, dass auch aus Sicht des Richtliniengebers der Marktplatz-Betreiber nicht generell die Lieferung an den Endkunden ausführt.
ee) Aus denselben Gründen spricht für die Beurteilung des FG auch § 25e UStG i.d.F. des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018 (BGBl I 2018, 2338). Damit werden seit 01.01.2019 zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen die Betreiber eines elektronischen Marktplatzes für die nicht entrichtete Umsatzsteuer aus der Lieferung eines Unternehmers, die auf dem von ihm bereitgestellten Marktplatz rechtlich begründet worden ist, unter den in § 25e UStG genannten weiteren Voraussetzungen in Haftung genommen (vgl. BTDrucks 19/4455, S. 27, 61 ff.).
4. Der Beschluss ergeht nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ohne weitere Begründung.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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