BMF: Änderungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Nr. 3 und Abs. 3 UStG durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz
Bundesministerium der Finanzen 15. November 2013, IV D 2 - S 7300/12/10003 (DOK 2013/1047569) = SIS 13 30 62
I. Änderungen der §§ 15, 16 UStG durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz
1. Abzug der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG
a) § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG
Der Abzug der EUSt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG wurde durch Art. 10 Nr. 9 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz - AmtshilfeRLUmsG) vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1809) dahingehend geändert, dass bereits die entstandene EUSt für Gegenstände, die für das Unternehmen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG eingeführt worden sind, als Vorsteuer abgezogen werden kann. Die bis zum 29. Juni 2013 geltende Regelung sah vor, dass nur die entrichtete EUSt als Vorsteuer abzugsfähig war.
Die Änderung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG beruht auf dem EuGH-Urteil vom 29.3.2012, C-414/10 (BStBl 2013 II S. ... = SIS 12 11 62; das EuGH-Urteil wird zeitgleich im Bundessteuerblatt Teil II veröffentlicht.). Mit diesem Urteil hat der EuGH entschieden, dass das Recht auf Abzug der EUSt nicht davon abhängig gemacht werden kann, dass die Mehrwertsteuer zuvor tatsächlich gezahlt worden ist.
b) § 16 Abs. 2 UStG
Als Folgeänderung wurde § 16 Abs. 2 Satz 3 und 4 UStG gestrichen (Art. 10 Nr. 10 AmtshilfeRLUmsG). Für diese Vereinfachungsregelung, wonach die EUSt in Fällen des Zahlungsaufschubs bereits im Zeitpunkt des Entstehens als Vorsteuer abgezogen werden kann, besteht ab dem 30. Juni 2013 kein Bedarf mehr.
Eine EUSt-Schuld entsteht in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften für Zölle mit der Zollschuld (§§ 13 Abs. 2, § 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 201 ff. Zollkodex). Dies geschieht regelmäßig durch die ordnungsgemäße Überführung der angemeldeten Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr.
2. Abzug der Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG
Der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG ist durch Art. 10 Nr. 9 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb AmtshilfeRLUmsG deklaratorisch angepasst worden.
Ein Anspruch auf Abzug der Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für das Unternehmen besteht nur in den Fällen, in denen der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 UStG in Deutschland bewirkt wird, d.h. in diesen Fällen die Beförderung oder Versendung in Deutschland tatsächlich endet. Dies entspricht der EuGH- und BFH-Rechtsprechung (vgl. EuGH-Urteil vom 22.4.2010, C-536/08 und C-539/08, HFR 2010 S. 778 = SIS 10 09 41, und BFH-Urteile vom 1.9.2010, V R 39/08, BStBl 2011 II S. 658 = SIS 11 02 01, und vom 8.9.2010, XI R 40/08, BStBl 2011 II S. 661 = SIS 11 01 97, die mit BMF-Schreiben vom 7.7.2011, BStBl 2011 I S. 739 = SIS 11 22 53, Inhalt des Abschnitts 15.10 Abs. 2 UStAE geworden sind).
3. Erweiterung des § 15 Abs. 3 UStG um die Steuerbefreiungsvorschriften des § 4 Nr. 10 Buchstabe b und Nr. 11 UStG
In § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe b und Nr. 2 Buchstabe b UStG sind die Steuerbefreiungsvorschriften des § 4 Nr. 10 Buchstabe b (Verschaffung von Versicherungsschutz) und Nr. 11 UStG (Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler) aufgenommen worden (vgl. Art. 10 Nr. 9 Buchstabe b AmtshilfeRLUmsG). Mit dieser Erweiterung des Vorsteuerabzugsrechts ab dem 30. Juni 2013 wurde Art. 169 Buchstabe c MwStSystRL vollständig in das nationale Recht umgesetzt. Art. 169 Buchstabe c MwStSystRL räumt dem Unternehmer das Recht auf Vorsteuerabzug für die nach Art. 135 Abs. 1 Buchstabe a bis f MwStSystRL befreiten Versicherungs- und Finanzumsätze ein, wenn der Dienstleistungsempfänger außerhalb der Gemeinschaft ansässig ist oder diese Umsätze unmittelbar mit Gegenständen zusammenhängen, die zur Ausfuhr aus der Gemeinschaft bestimmt sind.
II. Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) vom 1.10.2010, BStBl I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 8.11.2013, IV D 3 - S 7170/12/10001 (2013/0980586), BStBl I S. ..., geändert worden ist, wie folgt geändert:
1. Gleichlautende Änderungen:
a) In Abschnitt 1.12 Abs. 4 Beispiel Satz 5, Abschnitt 3.13 Abs. 2 Beispiel 1 Satz 4, Abschnitt 4.4b.1 Beispiel Satz 8 und Abschnitt 15.2 Abs. 6 Nr. 5 wird jeweils das Wort "entrichtete" durch das Wort "entstandene" ersetzt.
b) In Abschnitt 3.14 Abs. 16 Beispiel Buchstabe a Satz 13 und Abschnitt 15.8 Abs. 4 Satz 3 wird jeweils das Wort "entrichteten" durch das Wort "entstandenen" ersetzt.
2. Abschnitt 7.1 Abs. 3 wird wie folgt geändert:
a) In Satz 1 Nr. 2 wird Satz 2 wie folgt gefasst:
"2Die Einfuhrumsatzsteuer ist entstanden."
b) Im Beispiel 2 Satz 5 wird das Wort "erhobene" durch das Wort "entstandene" ersetzt.
3. In Abschnitt 7.3 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 wird das Wort "Entrichtung" durch das Wort "Entstehung" ersetzt.
4. Abschnitt 15.8 wird wie folgt geändert:
a) Absatz 1 wie folgt gefasst:
"(1) 1Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG die entstandene Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abziehen, wenn die Gegenstände für sein Unternehmen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg eingeführt worden sind. 2Die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer ist durch zollamtlichen Beleg nachzuweisen (vgl. Abschnitt 15.11 Abs. 1 Nr. 2)."
b) In Absatz 7 Satz 1 wird das Wort "selbst" gestrichen.
5. Abschnitt 15.9 Abs. 5 wird wie folgt gefasst:
"(5) 1Auch bei den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Umsätzen ist der Abzug der Einfuhrumsatzsteuer davon abhängig, dass die Steuer entstanden ist. 2Der Abzug bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der einfuhrumsatzsteuerrechtlichen Abfertigung des Gegenstands. 3Das gilt auch, wenn der Gegenstand nach der Abfertigung in das Inland gelangt (z.B. wenn der Unternehmer den Gegenstand in den Fällen des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 UStG vom Freihafen aus an einen Abnehmer im Inland liefert oder der Abnehmer den Gegenstand in den Fällen des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 Buchstabe b UStG im Freihafen abholt) oder wenn der Unternehmer den Gegenstand nach einer zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelung ausnahmsweise nicht vom Freihafen, sondern vom Inland aus an den Abnehmer liefert (z.B. ab einem Lagerplatz im Inland)."
6. Abschnitt 15.11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 wird wie folgt gefasst:
"2. 1für die entstandene Einfuhrumsatzsteuer ein zollamtlicher Beleg (z.B. der Einfuhrabgabenbescheid) oder ein vom zuständigen Zollamt bescheinigter Ersatzbeleg (z.B. Ersatzbeleg für den Vorsteuerabzug nach amtlich vorgeschriebenem Muster). 2Bei Einfuhren, die über das IT-Verfahren ATLAS abgewickelt werden, bestehen keine Bedenken, den Nachweis elektronisch oder bei Bedarf durch einen Ausdruck des elektronisch übermittelten Bescheids über die Einfuhrabgaben zu führen (vgl. Artikel 52 der MwStVO). 3Bei Zweifeln über die Höhe der als Vorsteuer abgezogenen Einfuhrumsatzsteuer können die Finanzämter über das vom BZSt bereitgestellte Verfahren zur Online-Abfrage von im Verfahren ATLAS gespeicherten Einfuhrdaten entsprechende Auskünfte anfordern."
7. Abschnitt 15.13 Abs. 3 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
"1Buchstabe b des § 15 Abs. 3 Nr. 1 UStG betrifft Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Buchstaben a bis g, Nr. 10 oder Nr. 11 UStG steuerfrei sind."
8. Abschnitt 15.14 Abs. 3 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
"1Die Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Buchstaben a bis g, Nr. 10 oder Nr. 11 UStG steuerfrei wären, berechtigen dann zum Vorsteuerabzug, wenn der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b UStG)."
9. Abschnitt 16.1 wird wie folgt geändert:
a) In Absatz 1 wird die Absatznummerierung "(1)" gestrichen.
b) Absatz 2 wird gestrichen.
10. In Abschnitt 18.11 Abs. 1 Beispiel 2 wird Satz 4 wie folgt gefasst:
"4Für die Einfuhr der Gegenstände ist Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 250 € entstanden."
11. Abschnitt 22.1 Abs. 3 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
"1Die Mikroverfilmung kann auch auf zollamtliche Belege angewandt werden."
III. Anwendungsregelung
Die vorstehenden Änderungen unter Abschnitt II Nr. 1 bis 6 und 9 bis 11 sind auf Gegenstände anzuwenden, die nach dem 29. Juni 2013 im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg eingeführt werden (§ 27 Abs. 1 UStG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 AmtshilfeRLUmsG). Die Regelungen des BMF-Schreibens vom 8.2.2001, BStBl I S. 156, sind nicht mehr anzuwenden.
Die vorstehenden Änderungen unter Abschnitt II Nr. 7 und 8 sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 29. Juni 2013 ausgeführt werden (§ 27 Abs. 1 UStG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 AmtshilfeRLUmsG).
Für Zeiträume vor dem Inkrafttreten des AmtshilfeRLUmsG kann:
- der Unternehmer in offenen Fällen unter Berufung auf das EuGH-Urteil vom 29.3.2012, C-414/10 (BStBl 2013 II S. ... = SIS 12 11 62), den Abzug der entstandenen EUSt unmittelbar aus Art. 168 Buchstabe e MwStSystRL geltend machen;
- sich der Unternehmer in offenen Fällen für die Erweiterung des Vorsteuerabzugsrechts nach § 15 Abs. 3 UStG unmittelbar auf Art. 169 Buchstabe c MwStSystRL berufen.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
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