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BFH: Änderung eines Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bei irrtümlich doppelter Erklärung von Einnahmen als Arbeitslohn und als Betriebseinnahmen

Werden Einnahmen eines angestellten Chefarztes aus der Erbringung wahl­ärztlicher Leistungen im Rahmen der Einkommensteuererklärung irrtümlich sowohl bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit als auch bei den Einkünf­ten aus nichtselbständiger Arbeit erklärt, weil weder der Chefarzt noch sein Steuerberater erkannt haben und nach den Umständen des Streitfalls auch nicht erkennen mussten, dass diese Einnahmen bereits dem Lohnsteuerabzug unterlegen haben, liegt kein "grobes Verschulden" i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO vor.

AO § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 174 Abs. 1 Satz 1
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 19 Abs. 1 Satz 1

BFH-Urteil vom 18.4.2023, VIII R 9/20 (veröffentlicht am 15.6.2023)

Vorinstanz: FG Münster vom 15.2.2019, 14 K 2122/16 E = SIS 19 22 14

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und werden in den Streitjahren (2009 bis 2012) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger war seit Mai 2007 als Chefarzt in der chirurgischen Abteilung eines Krankenhauses angestellt. Für seine Tätigkeit erhielt er eine feste monatliche Vergütung. Außerdem wurde ihm in seinem Dienstvertrag das Liquidations­recht für von ihm erbrachte wahlärztliche Leistungen eingeräumt. Im Gegen­zug war der Kläger verpflichtet, einen Teil der hierfür anfallenden Gebühren an das Krankenhaus zu leisten. Einen weiteren Teil hatte er in einen Pool zu zah­len, aus dem die nachgeordneten Ärzte der Abteilung vergütet wurden.

In den Streitjahren erbrachte der Kläger wahlärztliche Leistungen sowohl in Form von Behandlungen gegenüber stationär untergebrachten Patienten als auch in Form ambulanter Sprechstunden. Für Letztere hatte ihm das Kranken­haus eine Nebentätigkeitserlaubnis erteilt. Die Abrechnung sämtlicher Wahl­leistungen erfolgte über ein von dem Kläger beauftragtes privates Dienstleis­tungsunternehmen. Die Rechnungsbeträge aus den Privatliquidationen wurden einem privaten Bankkonto des Klägers gutgeschrieben.

Die Einnahmen des Klägers aus den stationär erbrachten Wahlleistungen be­handelte das Krankenhaus als Bezüge aus dem Dienstverhältnis und unterwarf diese daher dem Lohnsteuerabzug. Die Einnahmen aus der ambulanten wahl­ärztlichen Tätigkeit des Klägers berücksichtigte es dabei nicht, weil es insoweit von außerhalb des Dienstverhältnisses erbrachten Leistungen des Klägers aus­ging. Eine Mitteilung des Krankenhauses, welche der Einnahmen aus den wahlärztlichen Leistungen dem Lohnsteuerabzug unterlegen hatten, erhielt der Kläger nicht. Die als lohnsteuerpflichtig eingestuften Einnahmen wurden in den Gehaltsmitteilungen des Klägers neben zahlreichen weiteren Angaben und ohne weitere Konkretisierung in der Zeile "Mitversteuerung" ausgewiesen.

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre erklärten die steuer­lich vertretenen Kläger die Vergütungen aus sämtlichen wahlärztlichen Leis­tungen in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung als Einnahmen des Klägers bei seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit. Der Beklagte und Revisionsbe­klagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) veranlagte die Kläger erklärungsgemäß. Die Ein­kommensteuerbescheide für die Streitjahre wurden bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 19.12.2014 beantragten die Kläger eine Änderung der Be­scheide für die Streitjahre gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) mit der Begründung, es sei ihnen erst nachträglich bekannt geworden, dass die Einnahmen aus den stationär erbrachten Wahlleistungen vom Krankenhaus dem Lohnsteuerabzug unterworfen worden seien. Aufgrund der Übernahme der aus den jeweiligen Lohnsteuerbescheinigungen ersichtlichen Bruttolohnbeträge in ihre Einkommensteuererklärungen seien diese Ein­nahmen unerkannt auch als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erklärt und im Ergebnis doppelt besteuert worden. Diese doppelte Versteuerung der Einnahmen sei rückgängig zu machen.

Das FA lehnte den Änderungsantrag der Kläger mit Bescheid vom 14.01.2015 ab.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Das FG begründete die Klageabweisung in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 629 veröffentlichten Urteil u.a. da­mit, dass die Kläger hinsichtlich der unrichtigen Angabe der Einkünfte im Rah­men ihrer Einkommensteuererklärungen ein grobes Verschulden i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO treffe. Die Kläger hätten ohne weiteres erkennen können und müssen, dass der von dem Arbeitgeber des Klägers in den Lohnsteuerbeschei­nigungen ausgewiesene Bruttoarbeitslohn und das in den monatlichen Ge­haltsmitteilungen ausgewiesene steuerpflichtige Brutto das vereinbarte Fest­gehalt nebst Zulagen deutlich überstiegen habe. Jedenfalls aber liege ein den Klägern zuzurechnendes grobes Verschulden ihres steuerlichen Beraters vor, da dieser die Angaben der Kläger nicht ohne Rücksprache und Prüfung der steuerlichen Rechtslage hätte übernehmen dürfen.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Entgegen der Ansicht des FG treffe sie kein grobes Verschulden an der doppel­ten Erklärung der Einnahmen aus den stationär erbrachten Wahlleistungen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit des Klägers. Das Krankenhaus habe im Jahr 2006 seine Abrechnungspraxis umgestellt und die Einnahmen aus den stationär erbrach­ten Wahlleistungen als Bestandteil des Bruttoarbeitslohns dem Lohnsteuer­abzug unterworfen. Mangels einer entsprechenden Mitteilung hierüber sei der Kläger davon ausgegangen, dass diese Leistungen ‑‑ebenso wie die ambulant durchgeführten wahlärztlichen Maßnahmen‑‑ zu Einkünften aus selbständiger Arbeit führten. Anhand der im Dienstvertrag getroffenen Regelungen sei nicht eindeutig erkennbar gewesen, welcher Einkunftsart die Einnahmen aus den Privatliquidationen zuzurechnen seien. Den Klägern sei auch kein grobes Ver­schulden ihres steuerlichen Beraters zuzurechnen. Dieser habe bei der Erstel­lung der Einkommensteuererklärungen davon ausgehen dürfen, dass die An­gaben des Klägers zu seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und zur Höhe seiner Einnahmen aus selbständiger Arbeit zutreffend seien. Dem steuer­lichen Berater hätten weder der Dienstvertrag des Klägers noch die Gehalts­abrechnungen seines Arbeitgebers vorgelegen. Die doppelte Erfassung der Einkünfte habe sich dem Berater nicht aufdrängen müssen.

Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG Münster vom 15.02.2019 ‑ 14 K 2122/16 E aufzuheben und das FA unter Aufhebung des Bescheids vom 14.01.2015 in Gestalt der Ein­spruchsentscheidung vom 07.06.2016 zu verpflichten, die Einkommensteuer­festsetzungen für 2009 bis 2012 zu ändern und die Einkommensteuer auf der Grundlage der im Änderungsantrag vom 19.12.2014 aufgeführten Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit festzusetzen.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision der Kläger ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanz­gerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zu Unrecht die von den Klägern be­gehrte Änderung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO abgelehnt. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Der Senat kann auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen nicht beurtei­len, in welcher konkreten Höhe in den einzelnen Streitjahren die Einnahmen aus der stationären wahlärztlichen Tätigkeit in den Einkommensteuerbeschei­den doppelt berücksichtigt wurden.

1. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu än­dern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Ver­schulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

a) Im Streitfall ist dem FA, auf dessen Kenntnis es bei der Anwendung des § 173 AO ankommt, eine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nachträglich bekannt geworden. Denn das FA hat erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre Kenntnis davon erlangt, dass die Kläger die Einnahmen aus der Erbringung von Wahlleistungen gegen­über stationär untergebrachten Patienten in ihren Steuererklärungen sowohl bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit als auch bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers und damit doppelt erfasst haben. Diese Tatsache führt zu einer niedrigeren Steuer i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, weil diese Einnahmen nicht doppelt hätten besteuert werden dürfen.

b) Eine Änderung der Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO scheidet entgegen der Auffassung des FG nicht deshalb aus, weil die fehlerhaft doppelt erfolgte Angabe der Einkünfte in den Steuererklärungen den Klägern als grobes Ver­schulden zur Last fällt.

aa) Als grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO hat der Steuer­pflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Eine im Streitfall al­lein in Betracht kommende grobe Fahrlässigkeit liegt nach ständiger Recht­sprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vor, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (BFH-Urteil vom 15.07.2010 ‑ III R 32/08, BFH/NV 2010, 2237, m.w.N.). Allein der Man­gel an Kenntnissen eines steuerrechtlich nicht vorgebildeten Steuerpflichtigen ist grundsätzlich nicht geeignet, den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit zu be­gründen, es sei denn, der Steuerpflichtige geht einer Zweifelsfrage nicht nach, die sich ihm hätte aufdrängen müssen (BFH-Beschluss vom 31.01.2005 ‑ VIII B 18/02, BFH/NV 2005, 1212). Ob ein Beteiligter in diesem Sinne grob fahrlässig gehandelt hat, ist im Wesentlichen Tatfrage und in erster Linie vom FG zu beurteilen (vgl. BFH-Beschluss vom 17.02.2010 ‑ IX B 199/09, BFH/NV 2010, 1079). Dessen Würdigung kann aber im Revisionsverfahren insbesondere daraufhin überprüft werden, ob sie auf ei­ner rechtsfehlerhaften Auslegung des Begriffs des "groben Verschuldens" be­ruht (BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1212, unter a [Rz 3]; BFH-Urteil vom 03.12.2009 ‑ VI R 58/07, BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531, unter II.2.c [Rz 17]). Das ist hier der Fall.

bb) Im Streitfall hat das FG den Begriff des "groben Verschuldens" i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO unzutreffend ausgelegt, weil es an die Voraussetzun­gen, unter denen die doppelte Erklärung der Einnahmen aus den stationären Wahlleistungen als entschuldbar anzusehen ist, zu hohe Anforderungen gestellt hat. Die von ihm festgestellten und herangezogenen Tatsachen tragen seinen Schluss, die Kläger treffe ein grobes Verschulden i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, daher nicht.

aaa) Das FG hat seine Würdigung für das Vorliegen eines groben Verschuldens der Kläger u.a. darauf gestützt, dass es nach der zwischen dem Kläger und dem Krankenhausträger getroffenen vertraglichen Vereinbarung nahegelegen habe, die Einnahmen aus der Erbringung von Wahlleistungen gegenüber stati­onär untergebrachten Patienten dem Dienstverhältnis zuzuordnen, da die Er­bringung und Vergütung dieser Leistungen im Dienstvertrag geregelt worden seien, während der Arbeitgeber dem Kläger für die Erbringung der ambulanten Wahlleistungen eine Nebentätigkeitserlaubnis erteilt habe. Die Annahme des FG, dem Kläger habe sich die doppelte steuerliche Erfassung seiner Einnahmen aus den stationären Wahlleistungen bei Angabe der Einnahmen aus sämtlichen Wahlleistungen in der Gewinnermittlung aufdrängen müssen, weil diese bei zutreffender Auslegung der dienstvertraglichen Regelungen nur bei den Ein­künften aus nichtselbständiger Arbeit hätten erfasst werden dürfen, berück­sichtigt indes nicht hinreichend, dass die Frage, ob wahlärztliche Leistungen innerhalb oder außerhalb des Dienstverhältnisses erbracht werden, nach der Rechtsprechung des BFH nur aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 05.10.2005 ‑ VI R 152/01, BFHE 211, 249, BStBl II 2006, 94). Für die hier­nach erforderliche Gesamtwürdigung ist u.a. bedeutsam, ob die Tätigkeit zur Erbringung der wahlärztlichen Leistungen zu den gegenüber dem Kranken­hausträger vertraglich geschuldeten Dienstaufgaben gehört, ob der Arzt nach dem Dienstvertrag ‑‑mit Ausnahme der rein ärztlichen Tätigkeit‑‑ den Weisun­gen des Krankenhausträgers unterliegt und hinsichtlich der Erbringung der wahlärztlichen Leistungen in den geschäftlichen Organismus des Kranken­hauses eingebunden ist und inwieweit Unternehmerinitiative und Unterneh­merrisiko vorliegen bzw. fehlen (vgl. BFH-Beschluss vom 11.08.2009 ‑ VI B 46/08, BFH/NV 2009, 1814). Ausgehend hiervon mag die Zuordnung der Einnahmen aus den stationär erbrachten Wahlleistungen des Klägers zu seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit im Rahmen der Einkom­mensteuererklärungen der Streitjahre rechtlich fehlerhaft gewesen sein. Beruht eine fehlerhafte Steuererklärung jedoch, wie das FG angenommen hat, (auch) auf einem Rechtsirrtum, ist dies dem Steuerpflichtigen in der Regel nicht als grobes Verschulden anzulasten. Auf einen die grobe Fahrlässigkeit ausschließenden, entschuldbaren Rechtsirrtum kann sich der Steuerpflichtige nach der Rechtsprechung des BFH regelmäßig nur dann nicht berufen, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage bewusst nicht beantwortet (vgl. BFH-Urteile vom 28.04.2020 ‑ VI R 24/17, BFH/NV 2020, 1249; vom 10.02.2015 ‑ IX R 18/14, BFHE 249, 195, BStBl II 2017, 7, und vom 18.03.2014 ‑ X R 8/11, BFH/NV 2014, 1347). Ein solcher Fall liegt hier unstreitig nicht vor.

Entgegen der Auffassung des FG ist es dem Kläger auch nicht als grob schuld­haft vorzuwerfen, dass er es unterließ, die Lohnsteuerbescheinigungen und die monatlichen Gehaltsabrechnungen daraufhin abzugleichen, ob abweichend von seinen im Dienstvertrag vereinbarten Vergütungsbestandteilen auch Einnah­men aus der stationären wahlärztlichen Tätigkeit von seinem Arbeitgeber dem Lohnsteuerabzug unterworfen worden waren. Zwar hätte dem Kläger, wie das FG zu Recht ausgeführt hat, auffallen müssen, dass in den monatlichen Ge­haltsabrechnungen unter dem Titel "Bruttounwirksam" mit der Bezeichnung "Mitversteuerung" weitere Beträge aufgeführt waren. Das FG hätte bei der Ge­wichtung und Abwägung des dem Kläger insoweit zur Last fallenden Verschul­dens aber auch berücksichtigen müssen, dass der Kläger keine Mitteilung er­halten hatte, als das Krankenhaus dazu übergegangen war, die Einnahmen aus den stationär erbrachten Wahlleistungen ‑‑anders als die Einnahmen aus der ambulanten Tätigkeit‑‑ dem Lohnsteuerabzug zu unterwerfen. Da der Klä­ger zu diesem Zeitpunkt noch nicht zum Chefarzt seiner Abteilung berufen worden war, musste sich ihm auch nicht aufgrund einer Änderung seiner Ge­haltsabrechnungen aufdrängen, dass das Krankenhaus einen Teil seiner Ein­nahmen aus den wahlärztlichen Leistungen in die Anmeldung der Lohnsteuer einbezogen hatte. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger sämtliche Vergütungen aus den Privatliquidationen der Streitjahre unverändert auf seinem privaten Bankkonto vereinnahmte, stellt sich sein Verhalten, ohne nähere Prüfung seiner Gehaltsabrechnungen davon auszugehen, es handele sich bei diesen Vergütungen um von ihm noch zu versteuernde Einnahmen, zwar als nachlässig, nicht aber als eine die Grenze zur groben Fahrlässigkeit überschreitende Sorgfaltspflichtverletzung dar.

bbb) Das FG hat auch zu Unrecht angenommen, dass ein den Klägern zuzu­rechnendes grobes Verschulden ihrer steuerlichen Berater vorliegt.

Zwar ist das FG in rechtlicher Hinsicht zutreffend davon ausgegangen, dass an einen steuerlichen Berater, dessen sich der Steuerpflichtige zur Ausarbeitung der Steuererklärung bedient, erhöhte Sorgfaltsanforderungen zu stellen sind (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 17.11.2005 ‑ III R 44/04, BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, und in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Insbesondere ist ein steuerlicher Berater verpflichtet, den für die Abgabe der Steuererklärung maß­geblichen Sachverhalt zu ermitteln und im Falle von Unklarheiten bei seinem Mandanten nachzufragen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 16.05.2013 ‑ III R 12/12, BFHE 241, 226, BStBl II 2016, 512, und in BFH/NV 2020, 1249). Allerdings hat das FG im Streitfall ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters bei Anfertigung der Einkommensteuererklärungen zu Unrecht daraus abgeleitet, dass dieser die Angaben der Kläger zu den Einnahmen aus der wahlärztlichen Tätigkeit ohne zumindest einmalige rechtliche Überprüfung für die Gewinner­mittlung übernommen hat. Denn der Steuerberater ist gerade nach Prüfung der steuerlichen Rechtslage zu der Auffassung gelangt, dass die Einnahmen des Klägers aus der Erbringung wahlärztlicher Leistungen zu Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören. Es liegt daher kein grobes Verschulden darin, dass er angesichts der Angabe der gesamten Einnahmen aus der wahlärztli­chen Tätigkeit durch die Kläger als Betriebseinnahmen und der Auszahlung der Vergütungen außerhalb der Lohnzahlungen nicht geprüft hat, ob diese Einnah­men beim Kläger als angestelltem Chefarzt vom Arbeitgeber auch noch teil­weise oder vollständig der Lohnsteuer unterworfen worden waren, und er die bescheinigten Lohneinkünfte bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erklärt hat. Die zu Lasten der Kläger unzutreffende Einkommensteuerfestset­zung beruhte vielmehr darauf, dass die Einnahmen aus den stationären Chef­arztbehandlungen unerkannt in dem aus den Lohnsteuerbescheinigungen er­sichtlichen Bruttoarbeitslohn enthalten waren, so dass dessen Übertragung in die Einkommensteuererklärung im Ergebnis zu einer doppelten steuerlichen Erfassung dieser Einnahmen führte. Kausal für den Doppelansatz der Einnah­men war also nicht, wie das FG ausgeführt hat, die unzureichende "Prüfung der steuerlichen Rechtslage" durch den Steuerberater, sondern die fehlende Erkennbarkeit der Zusammensetzung des Bruttoarbeitslohns, die darauf be­ruhte, dass ihm bei der Anfertigung der Steuererklärung weder der Dienstver­trag noch die monatlichen Gehaltsabrechnungen des Klägers vorgelegen hat­ten.

cc) Der Senat kann über die Frage des groben Verschuldens i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO selbst entscheiden. Die vom FG insoweit angeführten Um­stände reichen aus Rechtsgründen zur Annahme eines groben Verschuldens der Kläger und des steuerlichen Beraters i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht aus. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass weitere Feststellungen vom FG getrof­fen werden könnten, die für ein grob schuldhaftes Verhalten der Kläger oder ihres steuerlichen Beraters sprechen könnten. Insbesondere begründet auch der Umstand, dass der steuerliche Berater die Angaben in der Einkommen­steuererklärung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nur anhand der Lohnsteuerbescheinigungen erstellt und nicht auch die monatlichen Ge­haltsabrechnungen vom Kläger angefordert hat, nicht den Vorwurf der groben Sorgfaltspflichtverletzung. Der steuerliche Berater der Kläger hatte keinen An­lass, die Richtigkeit der Lohnsteuerbescheinigungen in Zweifel zu ziehen. Eine weitere Überprüfung der in der Steuererklärung gemachten Angaben anhand der monatlichen Lohnsteuerbescheinigungen musste sich dem steuerlichen Be­rater der Kläger daher nicht aufdrängen. Das Unterlassen einer solchen Über­prüfung stellt sich demnach auch nicht als grob fahrlässiges Fehlverhalten dar, das den Klägern als eigenes Verschulden zuzurechnen wäre. Es liegt schließlich auch kein Fall vor, in dem der steuerliche Berater der Kläger eine im Steuerer­klärungsformular ausdrücklich gestellte Frage bewusst nicht beantwortet hätte, denn die Berücksichtigung der von dem Kläger erzielten Einnahmen aus der Erbringung von Wahlleistungen gegenüber stationär untergebrachten Pati­enten bei zwei Einkunftsarten erfolgte ‑‑wie dargelegt‑‑ nicht bewusst, son­dern unbewusst (s. hierzu auch unter II.1.b bb aaa).

2. Vor diesem Hintergrund braucht der Senat die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die von den Klägern begehrte Änderung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide auch auf § 174 Abs. 1 Satz 1 AO gestützt werden kann, nicht abschließend zu entscheiden. Für das Vorliegen widerstreitender Steuerfestsetzungen könnte sprechen, dass die Vergütungen des Klägers aus den stationär erbrachten Wahlleistungen "bestimmte Sachverhalte" im Sinne dieser Norm sind und eine den Denkgesetzen widersprechende doppelte steu­erliche Berücksichtigung ein und desselben Geschäftsvorfalls unter § 174 Abs. 1 Satz 1 AO fallen kann (vgl. Klein/Rüsken, AO, 16. Aufl., § 174 Rz 11). Insoweit wäre zu klären, ob einem solchen Widerstreit das Verhältnis zwischen Lohnsteueranmeldung und endgültiger Steuerfestsetzung für die Lohneinkünf­te des Klägers in den Einkommensteuerbescheiden der Streitjahre entgegen­steht, mit der Folge, dass es sich wegen des Rangverhältnisses beider um ei­nen doppelten Ansatz derselben Einnahmen innerhalb eines Steuerbescheids handelt, der nach dem Wortlaut des § 174 Abs. 1 Satz 1 AO nicht korrigierbar ist. Der Senat kann vorliegend jedoch im Ergebnis offen lassen, ob die sich wi­dersprechende Berücksichtigung der Einnahmen aus der stationären wahlärzt­lichen Tätigkeit in ihrer tatsächlichen Höhe in den Lohnsteueranmeldungen der Streitjahre einerseits und die Berücksichtigung dieser Einnahmen in doppelter Höhe in den Einkommensteuerbescheiden der Streitjahre ‑‑als Arbeitslohn und als Betriebseinnahmen des Klägers aus selbständiger Arbeit‑‑ andererseits den Tatbestand des § 174 Abs. 1 Satz 1 AO erfüllen.

3. Das FG ist im Rahmen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO von anderen Rechtsgrund­sätzen ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt keine ausrei­chenden Feststellungen zur Höhe der in den angefochtenen Einkommensteuer­bescheiden doppelt angesetzten Einnahmen getroffen. Der Senat kann daher nicht selbst entscheiden, ob dem Antrag der Kläger, der auf eine Herabsetzung nicht nur der für die Streitjahre angesetzten Einkünfte aus selbständiger Ar­beit, sondern (teilweise) auch der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ge­richtet ist (vgl. Änderungsantrag vom 19.12.2014), der Höhe nach in vollem Umfang zu entsprechen wäre. Hierüber wird das FG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats gemäß § 126 Abs. 5 FGO im zweiten Rechtsgang zu entscheiden haben.

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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