Skip to main content
  • SIS-Datenbank Steuerrecht

    Kann Ihre Steuerrechts-Datenbank,
    was unsere SIS-Datenbank kann?

    • » Online und/oder Offline mit monatlicher Update-DVD
    • » Über 130.000 Urteile und Erlasse, durchgehend mit Leitsätzen
    • » Vollelektronische Handbücher ESt/LSt, KSt, GewSt, USt, AO

    » Einen Monat kostenlos testen

BFH: Abrechnungsbescheid; Aufrechnung in sogenannten Bauträger-Fällen; keine Pflicht zur Verfahrensaussetzung; Auswirkungen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft

  1. Ist am finanzgerichtlichen Klageverfahren zwischen dem Zessionar und dem Anspruchsgegner der Zedent nicht beteiligt, liegt ‑‑auch außerhalb des An­wendungsbereichs des § 406 des Bürgerlichen Gesetzbuchs‑‑ mangels Rechts­krafterstreckung keine Ermessensreduzierung auf null dahingehend vor, dass das Finanzgericht (FG) das Klageverfahren aussetzen müsste. Das Bestehen der rechtswegfremden Gegenforderung ist dann lediglich eine Vorfrage zur Aufrechnung und von der Entscheidungsbefugnis des FG gemäß § 17 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes umfasst.
  2. Umsatzsteuerrechtlicher Leistungsempfänger im Sinne des § 27 Abs. 19 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes ist bei bestehender Organschaft auch dann der Organträger, wenn zivilrechtlich die Organgesellschaft Vertragspartnerin des bauleistenden Unternehmers ist.

FGO § 74
UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 27 Abs. 19
AO § 218 Abs. 2, § 226 Abs. 1 und 3
BGB § 406
GVG § 17 Abs. 2

BFH: Urteil vom 24.5.2023, XI R 45/20 (veröffentlicht am 28.9.2023)

Vorinstanz: FG Münster vom 17.6.2020, 15 K 3839/17 AO = SIS 20 13 69

I. Die Beteiligten streiten im Verfahren wegen Abrechnung darüber, ob der Be­klagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) in zulässiger Weise mit (auf der Grundlage von § 27 Abs. 19 des Umsatzsteuergesetzes ‑‑UStG‑‑) ab­getretenen zivilrechtlichen Forderungen gegen Steuererstattungsansprüche der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) aufgerechnet hat.

Die Klägerin ist Bauunternehmerin und Bauträgerin. In den Jahren 2006 und 2007 bestand zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und Herrn U als Or­ganträger und seit 2008 zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und der U GmbH & Co. KG (U KG) als Organträgerin eine umsatzsteuerrechtliche Or­ganschaft.

Die Klägerin bezog Eingangsleistungen, auf die die bauleistenden Unternehmer und die Klägerin (in Übereinstimmung mit der damaligen Verwaltungsauffas­sung) die Regelungen zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistun­gen (§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG a.F.) anwendeten.

Nach Ergehen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.08.2013 ‑ V R 37/10 (BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128) beantragten U und die U KG jeweils am 02.05.2014 die Erstattung der von ihnen als Organträger abgeführ­ten Umsatzsteuer. Dem Erstattungsantrag kam das FA vollumfänglich nach.

Mit Schreiben vom 08.11.2016 teilte das FA der Klägerin mit, dass mehrere bauleistende Unternehmer ihre zivilrechtlichen Umsatzsteuer-Nachforderungs­ansprüche gegen die Klägerin an das FA abgetreten hätten. Mit diesen Forde­rungen rechne das FA gemäß § 226 der Abga­benordnung (AO) i.V.m. §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gegen ein Guthaben der Kläge­rin wegen Körperschaftsteuer und Solidaritäts­zuschlag für das Jahr 2015 sowie wegen Körperschaftsteuer für das Jahr 2016 auf. Der verbleibende Erstat­tungsbetrag werde überwiesen.

In den vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen, vom FA übermittelten Akten befinden sich ‑‑bezogen auf jede einzelne Forderung‑‑ Abtretungsver­träge, in denen der jeweilige Zedent der Forderung, das heißt der bauleistende Unternehmer hinsichtlich einer ihm im Hinblick auf § 27 Abs. 19 UStG gegen die Klägerin zivilrechtlich zustehenden Forderung auf Nachzahlung der Um­satzsteuer, die vollständige Abtretung der Forderung an das FA bestätigt und das FA die Abtretung annimmt. Die Abtretungsverträge sind jeweils durch den Zedenten und in Vertretung für das FA durch den dafür zuständigen Sachge­bietsleiter unter Angabe des Datums und des Ortes unterschrieben. Der zeit­lich letzte Abtretungsvertrag wurde am 06.03.2015 unterzeichnet. Den Abtre­tungsverträgen sind berichtigte Rechnungen der bauleistenden Unternehmer an die Klägerin mit offenem Steuerausweis beigefügt.

Mit Schriftsatz vom 09.12.2016 beantragte die Klägerin den Erlass eines Ab­rechnungsbescheids gemäß § 218 AO. Sie war der Auffassung, das FA sei nicht zur Aufrechnung berechtigt.

Mit Abrechnungsbescheid vom 14.02.2017 stellte das FA fest, dass sich das Erhebungskonto der Klägerin zum 30.09.2016 durch die Aufrechnungen ver­ändert habe. Der Anspruch auf Erstattung von Körperschaftsteuer 2015 und Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 2015 sei durch die Aufrechnungen mit den abgetretenen zivilrechtlichen Forderungen der bauleistenden Unter­nehmer gegen die Klägerin in Höhe von … € erloschen. Der danach noch ver­bleibende Erstattungsanspruch wurde mit einer Forderung eines an­deren Finanzamts wegen Lohnsteuer August 2016 aufgerechnet. Der Ein­spruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 16.11.2017).

Das FG wies die Klage, mit der die Klägerin geltend machte, dass die Aufrech­nung des FA unzulässig sei, weil keine Aufrechnungslage bestehe und den bauleistenden Unternehmern keine Umsatzsteuer-Nachforderungsansprüche gegen die Klägerin zustünden, ab. Es nahm an, die vom FA erklärten Aufrech­nungen hätten die im Bescheid genannten Ansprüche der Klägerin wirksam zum Erlöschen gebracht. Das Verfahren sei weder auszusetzen noch sei dem FA eine Frist zu setzen, um die abgetretenen Gegenforderungen auf dem Zivil­rechtsweg feststellen zu lassen. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2020, 1288 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts sowie Verfah­rensfehler.

Sie macht geltend, die angeblichen zivilrechtlichen Ansprüche der bauleisten­den Unternehmer wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) be­stünden nicht. Sie habe auf den Bestand der vertraglichen Regelungen ver­traut. Außerdem habe nicht sie, die Klägerin, sondern hätten die Organträger den Antrag auf Erstattung von zu Unrecht gezahlter Umsatzsteuer gestellt. Weiter sei relevant, in welcher Höhe das FA auf den Umsatzsteuererstattungs­antrag der Organträger gezahlt habe. Die angeblichen zivilrechtlichen Ansprü­che gegen die Klägerin stünden außerdem mit den Steuererstattungsansprü­chen der Klägerin nicht in Zusammenhang, was schädlich sei. Aus ihrer Sicht habe das FA wegen ihres Bestreitens der Gegenforderungen schon keine Auf­rechnungsbefugnis (§ 226 Abs. 3 AO analog). Ferner habe das FA gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (§ 226 AO i.V.m. § 242 BGB) und das Gebot der "Antragskongruenz" verstoßen. Die Aufrechnung verstoße überdies gegen das Rückwirkungsverbot, da der Erstattungsantrag von den Organträ­gern vor Inkrafttreten des § 27 Abs. 19 UStG gestellt worden sei. Außerdem habe das FG keine Entscheidungskompetenz in Bezug auf die Beurteilung der zivilrechtlichen Fragestellung des Bestehens des zivilrechtlichen Nachforde­rungsanspruchs und der damit zusammenhängenden Frage der Ordnungsge­mäßheit der korrigierten Rechnungen der bauleistenden Unternehmer, wes­halb es das Verfahren hätte aussetzen müssen. Das Ermessen des FG sei in­soweit auf null reduziert gewesen. Das FG hätte das FA zur Klärung der zivil­rechtlichen Vorfragen auf den Zivilrechtsweg verweisen müssen und hätte nicht selbst über die zivilrechtlichen Vorfragen entscheiden dürfen.

Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und den Abrechnungsbescheid vom 14.02.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.11.2017 dahingehend zu ändern, dass die Ansprüche wegen Körperschaftsteu­er 2015 und Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 2015 nicht durch Aufrechnung erloschen sind,
hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben, das Verfahren auszuset­zen und dem FA eine Frist zu setzen, um die abgetretenen Gegenfor­derungen auf dem Zivilrechtsweg feststellen zu lassen.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Zuständigkeit des erkennenden Senats ergibt sich aus Teil A, XI. Senat, Nr. 2 i.V.m. Teil A, Ergänzende Regelungen, Nr. III.4. Buchst. b und Teil A, VII. Senat, Nr. 5 Buchst. c i.V.m. Teil A, Ergänzende Regelungen, Nr. IV.1. des Geschäftsverteilungsplans des BFH. Der Senat ist für die Körperschaftsteuer der Klägerin, gegen die das FA mit zivilrechtlichen Ansprüchen aufgerechnet hat, zuständig.

III. Die Revision ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zutreffend angenommen, dass die vom FA erklärten Aufrechnungen wirksam sind und das Verfahren nicht auszusetzen ist.

1. Das FG hat zu Recht angenommen, dass das FA zum Erlass eines Abrech­nungsbescheids berechtigt und verpflichtet war.

a) Gemäß § 218 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AO ergeht unter anderem dann ein Abrechnungsbescheid, wenn die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) und ihr Erlöschen (§ 47 AO) durch Aufrech­nung (§ 226 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB) streitig sind (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 19.03.2019 ‑ VII R 27/17, BFHE 263, 483, BStBl II 2020, 31, Rz 14; vom 18.02.2020 ‑ VII R 39/18, BFHE 268, 391, BStBl II 2023, 224, Rz 22). Dies gilt auch in sogenannten Bauträger-Fällen (vgl. BFH-Urteil vom 22.08.2019 ‑ V R 21/18, BFHE 266, 10, BStBl II 2020, 35, Rz 24).

b) Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen vor; denn es ist zwischen den Beteiligten streitig, ob die unstreitig bestehenden Erstattungsansprüche der Klägerin wegen Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag 2015 durch Auf­rechnung mit zivilrechtlichen Ansprüchen der bauleistenden Unternehmer ge­gen die Klägerin auf Nachzahlung von Umsatzsteuer, die diese an das FA ab­getreten haben, erloschen sind. Eine Klärung der Wirksamkeit der Aufrech­nung eines FA erfolgt im Festsetzungsverfahren nicht (vgl. BFH-Urteil vom 23.01.2019 ‑ XI R 21/17, BFHE 264, 60, BStBl II 2019, 354, Rz 26).

2. Die in ihrer Revisionsbegründungsschrift erhobene Verfahrensrüge der Klä­gerin, das FG habe das Verfahren zu Unrecht nicht nach § 74 FGO ausgesetzt, obwohl eine Ermessensreduzierung auf null vorliege, greift nicht durch. Ist am Klageverfahren zwischen dem Zessionar (hier: das FA) und dem Anspruchs­gegner (hier: die Klägerin) der Zedent (hier: die bauleistenden Unternehmer) nicht beteiligt, liegt keine Ermessensreduzierung auf null vor, da das Bestehen der rechtswegfremden Gegenforderung dann von der Entscheidungsbefugnis der Finanzgerichtsbarkeit gemäß § 17 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) umfasst ist.

a) Es trifft zwar zu, dass nach der Rechtsprechung des BFH ein Finanzgericht in bestimmten Fällen verpflichtet ist, ein bei ihm anhängiges Klageverfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen (Ermessensreduzierung auf null). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn im Falle der Aufrechnung die Gegenforderung ‑‑wie im Streitfall‑‑ nicht rechtskräftig festgestellt ist und vom Anspruchsgegner be­stritten wird. In einem solchen Fall darf das Gericht über das Bestehen der rechtswegfremden Gegenforderung grundsätzlich nicht entscheiden, sondern muss das Verfahren aussetzen, bis das zuständige Gericht über den Bestand der zur Aufrechnung gestellten, vom Anspruchsgegner bestrittenen zivilrechtli­chen Forderung entschieden hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 09.04.2002 ‑ VII B 73/01, BFHE 198, 55, BStBl II 2002, 509, unter II.1.; vom 01.12.2004 ‑ VII B 245/04, BFH/NV 2005, 711; vom 19.02.2007 ‑ VII B 253/06, BFH/NV 2007, 968; BFH-Urteil vom 31.05.2005 ‑ VII R 56/04, BFH/NV 2005, 1759). Ein Verstoß hiergegen ist ein Verfahrensfehler (vgl. BFH-Beschluss vom 09.04.2002 ‑ VII B 73/01, BFHE 198, 55, BStBl II 2002, 509, unter II.1. und II.2.).

b) Zu dieser Ermessensreduzierung auf null kommt es jedoch nicht ausnahms­los. Sie scheidet zum Beispiel in den Fällen aus, in denen ein Zessionar klagt und ihm gegenüber nach § 406 BGB mit einer Forderung gegen den Zedenten aufgerechnet wird. Insoweit kommt es nicht zu der Rechtskraftwirkung nach § 322 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) für den Zedenten, da sich die Rechtskraft eines Urteils nur auf die Beteiligten des Verfahrens und ihre Rechtsnachfolger (§ 110 Abs. 1 FGO, § 325 Abs. 1 ZPO) erstreckt, nicht aber auf am Verfahren nicht beteiligte Dritte wie im Falle der Abtretung der Zedent als Rechtsvorgänger des an dem Prozess beteiligten Zessionars (vgl. BFH-Beschlüsse vom 06.08.1985 ‑ VII B 3/85, BFHE 144, 207, BStBl II 1985, 672, unter I.3.d; vom 01.12.1992 ‑ VII B 229/91, BFH/NV 1994, 479, unter II. a.E.; vom 25.11.1997 ‑ VII B 146/97, BFHE 184, 242, BStBl II 1998, 200, un­ter 2.b; BFH-Urteile vom 23.02.1988 ‑ VII R 52/85, BFHE 152, 317, BStBl II 1988, 500, unter 4.; vom 01.08.2017 ‑ VII R 12/16, BFHE 259, 207, BStBl II 2018, 737, Rz 15: Thürmer in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 74 FGO Rz 74). Ist danach am Klageverfahren zwischen dem Zessionar und dem An­spruchsgegner ‑‑wie hier‑‑ der Zedent nicht beteiligt, liegt ‑‑auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 406 BGB‑‑ mangels Rechtskrafterstreckung keine Ermessensreduzierung auf null vor. Das Bestehen der rechtswegfremden Gegenforderung ist in einem solchen Fall auch dann lediglich eine Vorfrage zur Aufrechnung und von der Entscheidungsbefugnis der Finanzgerichtsbarkeit gemäß § 17 Abs. 2 GVG umfasst (vgl. BFH-Urteil in BFHE 259, 207, BStBl II 2018, 737, Rz 16).

c) Das FG hat das ihm zustehende Ermessen, ob es gemäß § 74 FGO aussetzt (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 144, 207, BStBl II 1985, 672; BFH-Urteil in BFHE 259, 207, BStBl II 2018, 737, Rz 19), in revisionsrechtlich nicht zu beanstan­dender Weise dahin­gehend ausgeübt, dass es nicht aussetzt. Die umfangreich vorhandene Recht­sprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu den zivilrechtli­chen Fragen des Streitfalls und die bisher höchstrichterlich nicht geklärte um­satzsteuerrechtli­che Frage, welche Bedeutung eine Organschaft insoweit hat, sprechen für die vom FG präferierte Entscheidung auf dem Finanzrechtsweg.

d) Der Anspruch der Klägerin auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) wird durch die Entscheidung des FG über die rechtswegfremden Vorfragen nicht verfassungswidrig eingeschränkt (vgl. allgemein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 14.02.2016 ‑ 1 BvR 3514/14, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - Recht­sprechungs-Report ‑‑NVwZ‑RR‑‑ 2016, 361, Rz 7); denn gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechts­streit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Dies bedeutet nach allgemeinem Verständnis, dass es auch rechtswegfremde, ent­scheidungserhebliche Vorfragen prüft und über sie entscheidet (vgl. BVerfG-Beschluss vom 29.07.2010 ‑ 1 BvR 1634/04, Neue Zeitschrift für Verwaltungs­recht 2010, 1482, Rz 51). Das Bestehen der abgetretenen Gegenforderung und die zivilrechtlichen Einwendungen der Klägerin werden entweder ‑‑wie im Streitfall wegen der Nichtaussetzung gemäß § 74 FGO‑‑ als Vorfragen in vol­lem Umfang von den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit oder ‑‑im Falle der Aussetzung unter Verweis auf den Zivilrechtsweg (§ 74 FGO)‑‑ von den or­dentlichen Gerichten geprüft.

e) Tatsachen, die bei der Klägerin die Sorge begründen könnten, die zivilrecht­lichen Vorfragen wären auf dem Finanzrechtsweg nicht in verfassungsrechtlich hinreichender Weise geprüft worden, sind nicht ersichtlich. Das Gegenteil zeigt sich im Streitfall unter anderem daran, dass umfangreiche Rechtsprechung des BGH zum Bestand und Inhalt der zivilrechtlichen Gegenforderung vorhanden ist, auf die das FG zurückgegriffen hat und der es in vollem Umfang gefolgt ist.

3. Zutreffend hat das FG weiter angenommen, dass die Voraussetzungen für eine Aufrechnung nach § 226 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB im Streitfall erfüllt sind.

a) Nach § 226 Abs. 1 AO gelten für die Aufrechnung gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Gemäß § 387 BGB können Forderungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, gegeneinander aufgerechnet werden, sobald die eine Leistung gefordert und die andere Leistung bewirkt werden kann. Eine Aufrechnung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis setzt mithin voraus, dass im Zeit­punkt der Aufrechnungserklärung (vgl. BFH-Beschluss vom 12.07.1999 ‑ VII B 29/99, BFH/NV 2000, 4, unter 1.a) eine Aufrechnungslage besteht, das heißt die Forderung des Aufrechnenden, mit der aufgerechnet werden soll (so­genannte Gegenforderung), entstanden und auch fällig ist, und die Forderung des Aufrechnungsgegners, gegen die aufgerechnet werden soll (sogenannte Hauptforderung), bereits entstanden und schon erfüllbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 13.01.2000 ‑ VII R 91/98, BFHE 191, 5, BStBl II 2000, 246, unter 1., m.w.N.). Die erfolgreiche Aufrechnung bewirkt, dass die Forderun­gen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Auf­rechnung geeignet einander gegenübergetreten sind (§ 389 BGB). Dies gilt auch für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 47, § 226 Abs. 1 AO).

b) Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen der Aufrech­nung im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung des FA am 08.11.2016 vorla­gen.

aa) Der Klägerin stand gegen das FA zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Erstat­tungsanspruch aus Körperschaftsteuer 2015 und Solidaritätszuschlag zur Kör­perschaftsteuer 2015 ‑‑wie zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig‑‑ eine erfüllbare Hauptforderung zu.

bb) Wie das FG in seinem Urteil in EFG 2020, 1288, Rz 33 ff. entschieden hat, waren die Gegenforderungen, mit denen das FA aufgerechnet hat, entstanden. Die bauleistenden Unternehmer verfügten jeweils über einen gleichartigen An­spruch gegen die Klägerin auf Nachforderung von Umsatzsteuer aufgrund Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB sowie aus ergänzender Vertragsauslegung. Soweit ein Erstattungsantrag der U KG (und des U) vor Inkrafttreten des § 27 Abs. 19 UStG gestellt wurde, vermag dies nichts am Entstehen des zivilrechtlichen Anspruchs auf Nachforderung der Umsatzsteuer zu ändern. Der Entstehung der zivilrechtlichen Ansprüche auf Nachforderung der Umsatzsteuer kann nicht entgegengehalten werden, dass die Umsatzsteu­erfestsetzungen der Bauleistenden nicht hätten geändert werden können und dürfen. Diese zivilrechtlichen Ansprüche sind im Verhältnis zwischen den Bau­leistenden und der Klägerin entstanden, da zwischen ihnen der jeweilige Ver­trag über die Erbringung der Bauleistung abgeschlossen worden ist. Dass die Klägerin umsatzsteuerrechtlich als Organgesellschaft zum Unternehmen der Organträger gehörte und die Organträger Erstattung beantragten, steht dem nicht entgegen. Eine Nettopreis-Abrede wurde nicht getroffen. Ob die Organ­träger tatsächlich eine Erstattung erhalten hätten, musste nach Auffassung des FG nicht geprüft werden.

cc) Diese Beurteilung des FG ist frei von Rechtsfehlern und hält den Angriffen der Revision stand.

(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH steht einem Bauunternehmer bei einem vor dem Erlass des BFH-Urteils in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 abgeschlossenen Bauvertrag mit einem Bauträ­ger aufgrund ergänzender Ver­tragsauslegung ein Anspruch auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags gegen sei­nen Vertragspartner zu, wenn beide Vertrags­parteien übereinstimmend von der Steuerschuldnerschaft des Bauträgers ge­mäß § 13b UStG ausgegangen sind, der Bauträger die auf die erbrachten Leis­tungen des Bauunternehmers entfallende Umsatzsteuer an das Finanzamt ab­geführt hat und wegen eines Erstattungsverlangens des Bauträgers für den Bauunternehmer die Gefahr be­steht, wegen der Heranziehung als Steuer­schuldner gemäß § 27 Abs. 19 UStG die Umsatzsteuer abführen zu müssen (vgl. BGH-Urteile vom 17.05.2018 ‑ VII ZR 157/17, Höchstrichterliche Finanz­rechtsprechung ‑‑HFR‑‑ 2018, 661; vom 10.01.2019 ‑ VII ZR 6/18, HFR 2019, 329; vom 10.01.2019 ‑ VII ZR 7/18, juris; vom 16.07.2020 ‑ VII ZR 204/18, HFR 2020, 958; vom 14.10.2021 ‑ VII ZR 242/20, HFR 2022, 93). Dem folgt der BFH auch in der rechtlichen Einordnung (vgl. BFH-Urteil vom 23.01.2019 ‑ XI R 21/17, BFHE 264, 60, BStBl II 2019, 354, Rz 23 f., m.w.N.). Ausreichend für das Entstehen dieses Anspruchs ist, dass wegen eines Erstattungsverlan­gens des Bauträgers für den Bauunternehmer die Gefahr besteht, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner gemäß § 27 Abs. 19 UStG die Umsatzsteuer abführen zu müssen. Diese Gefahr besteht bereits dann, wenn eine Finanzbe­hörde (und sei es auch unter etwaiger fehlerhafter Beurteilung der Rechtslage) den Bauun­ternehmer auf der Grundlage des § 27 Abs. 19 UStG als Steuer­schuldner in Anspruch nimmt, weil der Bauträger hinsichtlich der von ihm ab­geführten Um­satzsteuer einen Erstattungsantrag gestellt hat (vgl. BGH-Urteil in HFR 2022, 93, Rz 29).

(2) Bezogen auf den Streitfall bestand diese Gefahr; denn beide Vertragspar­teien haben nach den tatsächlichen Feststellungen des FG bei Vertragsschluss übereinstimmend angenommen, dass Schuldner der Umsatzsteuer entspre­chend der früheren Verwaltungspraxis der Finanzverwaltung nicht die bauleis­tenden Unternehmer, sondern die jeweilige Leistungsempfängerin (das heißt die Klägerin oder ‑‑bei Kenntnis der bauleistenden Unternehmer vom Vorlie­gen einer Organschaft‑‑ der jeweilige Organträger) sei. Ihr übereinstimmendes Verständnis war damit, dass die auf die Bauleistungen entfallende Umsatz­steuer von der Leistungsempfängerin (der Klägerin oder den Organträgern) getragen werden sollte. Der an die bauleistenden Unternehmer gezahlte Be­trag sollte danach ein Nettobetrag (ohne Umsatzsteuer) sein und insgesamt der Bruttobetrag gezahlt werden (teilweise von der Klägerin an die bauleisten­den Unternehmer und teilweise von den Organträgern an das FA sowie im We­ge des Innenausgleichs von der Klägerin an die Organträger). Mit dem Erstat­tungsantrag der Organträger wurde jedoch klar, dass es dabei nicht bleiben sollte. Für die bauleistenden Unternehmer wurde spätestens aufgrund der Auf­forderung des FA, ihre zivilrechtlichen Ansprüche gegen die Klägerin an das FA abzutreten, offenbar, dass für sie, die bauleistenden Unternehmer, die Gefahr besteht, dass das FA gegen sie nach § 27 Abs. 19 UStG vorgehen werde.

(3) Dieser Beurteilung stehen ‑‑entgegen der Auffassung der Klägerin‑‑ die bestehenden beiden Organschaften nicht entgegen (vgl. dazu auch Urteile des Oberlandesgerichts ‑‑OLG‑‑ Hamm vom 18.06.2020 ‑ 24 U 64/19, NJW‑RR 2020, 1146, Rz 88 ff.; OLG Stuttgart vom 03.03.2020 ‑ 10 U 406/19, Immobi­lien‑ und Baurecht ‑‑IBR‑‑ 2022, 58, Rz 3, 42, 46 und 80; nachgehend dazu BGH-Beschluss vom 13.01.2021 ‑ VII ZR 46/20, juris).

(a) Es trifft zwar im Ausgangspunkt zu, dass die Klägerin auch als Organge­sellschaft weiter selbständig im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG war (vgl. BFH-Urteil vom 18.01.2023 ‑ XI R 29/22 (XI R 16/18), Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2023, 638; BFH-Beschluss vom 26.01.2023 ‑ V R 20/22 (V R 40/19), BStBl II 2023, 530). Auch blieb die Klägerin, wie sie zu Recht geltend macht, zivil­rechtlich selbständig, so dass auch die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten des Organkreises keine Veränderung erfuhren (vgl. BFH-Be­schluss vom 30.11.2011 – VII B 99/11, BFH/NV 2012, 805; BFH-Urteil vom 14.03.2012 ‑ XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493, Rz 36; BGH-Urteil vom 29.01.2013 ‑ II ZR 91/11, HFR 2013, 537, Rz 12). Das FG hat deshalb zu Recht angenommen, dass sich der zivilrechtliche Nachzahlungsanspruch der bauleistenden Unternehmer trotz der Organschaft gegen die Klägerin richtet.

(b) Dies führt jedoch, anders als die Klägerin meint, nicht dazu, dass der Er­stattungsanspruch nicht im Sinne des § 27 Abs. 19 UStG vom Leistungsemp­fänger gestellt worden wäre. Umsatzsteuerrechtlich werden jegliche Aus­gangsumsätze (vgl. BFH-Urteile vom 22.02.2017 ‑ XI R 13/15, BFHE 257, 160, BStBl II 2021, 782, Rz 45; in DStR 2023, 638, Rz 23) und Leistungsbe­züge (vgl. BFH-Urteile vom 03.04.2003 ‑ V R 63/01, BFHE 202, 79, BStBl II 2004, 434, unter II.1.; vom 10.11.2010 ‑ XI R 25/08, BFH/NV 2011, 839, Rz 18; vom 29.01.2014 ‑ XI R 4/12, BFHE 244, 131, Rz 33) im Verhältnis zu Dritten dem Organträger, der nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG unionsrechtskonform zum einzigen Steuer­pflichtigen der Organschaft bestimmt ist (BFH-Urteil in DStR 2023, 638, Rz 23 ff.), zugerechnet, so dass zum Beispiel auch ihm (und nicht der Organgesellschaft) ein gegebenenfalls bestehendes Recht auf Vor­steuerabzug zusteht. Das bedeutet, dass umsatz­steuerrechtlich die Organträ­ger Leistungsempfänger der Leistungen der Bau­unternehmer waren und daher auch die umsatzsteuerrechtlichen Leistungs­empfänger im Sinne des § 27 Abs. 19 UStG den Erstattungsantrag gestellt ha­ben, obwohl zivilrechtlich die Klägerin Vertragspartnerin (und damit zivilrecht­liche Leistungsempfängerin und Zahlungsverpflichtete) war.

(c) Wegen dieser unterschiedlichen Sichtweisen des Zivilrechts und des Um­satzsteuerrechts kann es zwar sein, dass aufgrund des Erstattungsantrags der Organträger ein Gesamtschuldnerausgleich zwischen der Klägerin und ihren jeweiligen Organträgern erforderlich werden kann oder ein bereits erfolgter Ausgleich rückgängig gemacht werden muss. Dies hat jedoch, worauf das FG zu Recht hingewiesen hat, mit den Organträgern nach bürgerlichem Recht ent­sprechend § 426 BGB zu erfolgen (vgl. BGH-Urteil in HFR 2013, 537, Rz 10 und 15 ff.; BFH-Beschluss vom 20.02.2018 ‑ XI B 129/17, BFH/NV 2018, 641, Rz 28), worüber vorliegend nicht zu befinden ist. Ob und wie der zivilrechtliche Innenausgleich im Zeit­punkt des Leistungsbezugs vorgenommen worden ist und ob er aufgrund der Erstattungsanträge gegebenenfalls rückgängig ge­macht werden muss, bedarf deshalb keiner weiteren Aufklärung.

(d) Auf die Frage, welche Auswirkungen eine auf Seiten des bauleistenden Un­ternehmers bestehende Organschaft auf § 27 Abs. 19 UStG hat (vgl. dazu Ur­teil des Sächsischen FG vom 03.02.2021 ‑ 2 K 763/20, EFG 2021, 1235; Ak­tenzeichen des BFH: V R 5/21), kommt es hier nicht an.

(4) Ist danach für das Entstehen des zivilrechtlichen Anspruchs der bauleis­tenden Unternehmer gegen die Klägerin auf Nachzahlung der Umsatzsteuer nur entscheidend, dass für die bauleistenden Unternehmer die Gefahr bestand, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner gemäß § 27 Abs. 19 UStG die Umsatzsteuer an das FA abführen zu müssen, kommt es entgegen der Auffas­sung der Revision für das Entstehen dieses zivilrechtlichen Anspruchs der bau­leistenden Unternehmer nicht darauf an, in welcher Höhe das FA Zahlungen an die Organträger der Klägerin geleistet hat, zumal es an der Klägerin gewesen wäre, im Rahmen einer sekundären Darlegungslast detailliert vorzutragen, in welchen Fällen ein Erstattungsantrag ihrer Organträger fehlt (vgl. Urteil des OLG Stuttgart in IBR 2022, 58, Rz 3, 46, 57). Auch musste das FG nicht der Frage nachgehen, ob die Inanspruchnahme der Bauunternehmer gemäß § 27 Abs. 19 UStG umsatz­steuerrechtlich zu Recht erfolgt. Unerheblich ist außer­dem, ob als Anspruch­steller der bauleistende Unternehmer oder die Finanz­verwaltung auftritt (BGH-Urteil in HFR 2020, 958, Rz 19) und ob der bauleis­tende Unternehmer die ge­schuldete Umsatzsteuer aufgrund insolvenzrechtli­cher Vorschriften gegebe­nenfalls nicht in voller Höhe an den Fiskus wird ab­führen müssen (BGH-Urteil in HFR 2020, 958, Rz 20). Es kommt überdies ‑‑anders als die Klägerin meint‑‑ nicht darauf an, dass die Organträger der Klägerin nach Angaben der Klägerin bei Rückforderung der von ihnen zu Un­recht gezahlten Umsatzsteuer nicht wussten und auch nicht wissen mussten, dass dies zu einer Belastung der leistenden Unternehmer führen würde, son­dern davon ausgegangen sind, die Erstattung werde wegen der vertrauens­schützenden Regelung des § 176 Abs. 2 AO keine Auswirkungen auf die Steu­erfestsetzung gegen die leistenden Unternehmer haben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, Rz 57).

(5) Dass das BFH-Urteil in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 Auswirkungen auf bestehende Vertragsverhältnisse hat, indem es zu einem Nachzahlungsan­spruch infolge ergänzender Vertragsauslegung führt, verstößt nach überein­stimmender Rechtsprechung des BGH und des BFH nicht gegen das verfas­sungsrechtliche Rückwirkungsverbot (vgl. BFH-Urteil vom 23.02.2017 ‑ V R 16, 24/16, BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, Rz 62; BGH-Urteile in HFR 2019, 329, Rz 18; vom 10.01.2019 ‑ VII ZR 7/18, juris, Rz 18; in HFR 2020, 958, Rz 15). Die Revision zeigt keine Argumente auf, die Anlass dazu gäben, von dieser Rechtsprechung abzurücken.

(6) Die Berufung der Klägerin auf Vertrauensschutz greift schon deshalb nicht durch, weil kein schützenswertes Vertrauen besteht. Es entsprach dem Willen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss, dass die Bauträger die (nicht als Vorsteuer abziehbare) Umsatzsteuer auf die von ihnen bezogenen Bauleistun­gen tragen (vgl. Urteil des OLG Köln vom 30.03.2022 ‑ 16 U 113/21, DStR 2022, 2333, Rz 57). Bei Vertragsschluss bestand daher kein Vertrauen der Klägerin, dass sie die Leistungen ohne Belastung mit Umsatzsteuer werde be­ziehen können. Ein solches Vertrauen konnte sich auch nicht als Folge des BFH-Urteils in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 bilden. Soweit sich die Kläge­rin darauf beruft, ist nach der Rechtsprechung des BFH das Interesse der Or­ganträger der Klägerin und der Klägerin an der Aus­nutzung von steuerrechtli­chen Zufallsgewinnen ("windfall profits") unter Be­rücksichtigung der Interes­senlage aller Beteiligten nicht schutzwürdig, weil die Möglichkeit zu einem um­satzsteuerrechtlich unbelasteten Leistungsbezug sys­temwidrig ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, Rz 57; in BFHE 264, 60, BStBl II 2019, 354, Rz 23; s.a. BFH-Beschluss vom 23.09.2020 ‑ XI R 22/18, BFHE 270, 562, BStBl II 2021, 325, Rz 60). Ziel des Regelungskonzepts des § 27 Abs. 19 UStG, den der BFH in ständiger Rechtsprechung als verfassungs­gemäß ansieht, ist es, tatsächliche Zahlungsvorgänge möglichst durch Abtre­tung (§ 27 Abs. 19 Satz 4 UStG) und Aufrechnung (§ 37 Abs. 1 AO, § 226 Abs. 1 AO, § 389 BGB) zu ersetzen, um zu einem Nullsummenspiel für alle Be­teiligten zu kommen (Kessens, Zeitschrift für das gesamte Mehrwertsteuer­recht 2019, 308, 315), damit die Umsatzsteuer dadurch letztlich dort an­kommt, wo sie materiell-rechtlich auch hingehört, nämlich beim Fiskus (Meixner/Schröder, DStR 2022, 2235, 2236). Dass die abtretbaren Ansprüche als Folge des BFH-Urteils in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 entstanden sind, entspricht der oben genannten Rechtsprechung des BGH. Die zutreffende Lastenverteilung innerhalb des Organkreises sichert der interne Gesamtschuldnerausgleich ana­log § 426 BGB.

(7) Entgegen der Annahme der Klägerin würde es für den Anspruch aus er­gänzender Vertragsauslegung auch nicht an einer formellen Voraussetzung fehlen, wenn keine Rechnungen mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer erteilt worden wären. Das Fehlen einer Rechnung mit offenem Steuerausweis würde die Entstehung des zivilrechtlichen Anspruchs der bauleistenden Unternehmer gegen die Klägerin auf Zahlung des Umsatzsteueranteils nicht hindern, son­dern könnte nur dazu führen, dass die Zahlung nur Zug um Zug gegen Vorlage der Rechnung verlangt werden kann (vgl. BGH-Urteil in HFR 2020, 958, Rz 21). Im Streitfall liegen allerdings Rech­nungen der bauleistenden Unter­nehmer mit offenem Steuerausweis vor, die sich bei den Akten befinden. Nach den Feststellungen des FG (in EFG 2020, 1288, Rz 61) wurde bei keiner Rech­nung auch nur ein Rechnungsmerkmal im Sinne des § 14 Abs. 4 UStG be­nannt, das den gesetzlichen Anforderungen nicht genügen soll. Gleiches gilt für das Vorbringen im Revisionsverfahren.

(8) Der Vortrag, dass nach der Rechtsprechung des BFH in Fällen des § 27 Abs. 19 UStG Fragen des Erhebungsverfahrens bereits im Festsetzungsverfah­ren geklärt werden müssen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, Rz 38), verhilft der Revisi­on ebenfalls nicht zum Erfolg. Für den Leistungsempfänger gilt die Trennung von Festsetzungs- und Erhebungsver­fahren unverändert fort, so dass es für das Änderungsbegehren des Leistungs­empfängers auf eine für das FA beste­hende Aufrechnungsmöglichkeit nicht an­kommt (vgl. BFH-Urteil vom 27.09.2018 ‑ V R 49/17, BFHE 262, 571, BStBl II 2019, 109, Rz 20). Konnte das FA die niedrigere Festsetzung der Umsatzsteu­er der Organträger nicht mit dieser Begründung verweigern, kann nun auch die Klägerin der Aufrechnung des FA nicht entgegenhalten, dass das FA seine Aufrechnungsmöglichkeit (und damit den Bestand der abgetretenen Forde­rung) bereits im Festsetzungsver­fahren der Organträger hätte prüfen müssen.

(9) Ebenfalls zutreffend hat das FG die Einrede, die Ansprüche seien verjährt, für nicht durchgreifend erachtet. Die zivilrechtliche Verjährungsfrist für derar­tige Ansprüche war im Jahr 2016 noch nicht abgelaufen (vgl. BGH-Urteil in HFR 2019, 329, Rz 29).

dd) Die erforderliche Gegenseitigkeit wurde im Streitfall, wie das FG (in EFG 2020, 1288, Rz 47 ff.) zutreffend angenommen hat, dadurch hergestellt, dass die bauleis­tenden Unternehmer ihre Ansprüche an das FA abgetreten haben. Das Vorlie­gen einer Organschaft ändert daran nichts (s. oben III.3.b cc (3)). Die abge­tretenen Ansprüche waren abtretbar (vgl. BFH-Urteil in BFHE 264, 60, BStBl II 2019, 354, Rz 23 m.w.N.).

ee) Weiterhin war ‑‑entgegen der Auffassung der Revision‑‑ die Aufrech­nungsbefugnis des FA nicht analog § 226 Abs. 3 AO eingeschränkt, weil diese Regelung ausdrücklich nur für die Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen gilt; die Finanzbehörde kann folglich auch mit bestrittenen Forderungen auf­rechnen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 259, 207, BStBl II 2018, 737, Rz 18; Steinhauff in HHSp, § 34 FGO Rz 66; Rozek in HHSp, § 226 AO Rz 76, 140; Thürmer in HHSp, § 74 FGO Rz 71; Loose in Tipke/Kruse, § 226 AO Rz 39). Für eine Analogie zu § 226 Abs. 3 AO fehlt es angesichts des eindeutigen Ge­setzeswortlauts an einer Lücke und besteht an­gesichts der unter III.2. darge­stellten Rechtsprechung zu § 74 FGO kein Be­dürfnis.

ff) Es ist weder treuwidrig noch eine unzulässige Rechtsausübung, wenn sich das FA zur Vermeidung steuerrechtlicher Zufallsgewinne die Ansprüche der bauleistenden Unternehmer abtreten lässt, um mit diesen Ansprüchen gegen den Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen aufzurechnen (vgl. BGH-Urteil in HFR 2022, 93, Rz 41 ff.; zum Antrag des Erstattungsberechtigten vgl. BFH-Urteil in BFHE 262, 571, BStBl II 2019, 109, Rz 21).

Dass dies in Organschafts-Konstellationen dazu führt, dass anschließend ge­gebenenfalls ein interner Gesamtschuldnerausgleich unter den Mitgliedern des Organkreises (vgl. allgemein BGH-Urteil in HFR 2013, 537, Rz 10 und 15 ff.) erforderlich werden kann oder ein früherer Ge­samtschuldnerausgleich rück­gängig gemacht werden muss, um zwischen der Klägerin und ihren Organträ­gern (wieder) eine zutreffende interne Lastenver­teilung herzustellen, macht das Verhalten des FA nicht treuwidrig. Eine Auf­rechnung des FA mit den Er­stattungsansprüchen der Organträger war mangels Gegenseitigkeit unmöglich, weil sich die abgetretenen Nachzahlungsansprüche der bauleistenden Unter­nehmer gegen die Klägerin als zivilrechtliche Vertrags­partnerin und nicht ge­gen die umsatzsteuerrechtlichen Leistungsempfänger richteten.

4. Soweit das FA im angefochtenen Abrechnungsbescheid die Aufrechnung des verbleibenden Guthabens mit Lohnsteuer für den Monat August 2016 für rechtmäßig gehalten hat, sind Rechtsfehler weder von der Klägerin vorgetra­gen noch sonst ersichtlich.

5. Falls der Hilfsantrag der Klägerin als Antrag zu verstehen sein sollte, das Revisionsverfahren XI R 45/20 auszusetzen, hat dieser Antrag aus den unter III.2. genannten Gründen keinen Erfolg.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

7. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).

  • „Vielen Dank für die stets freundliche und konstruktive Betreuung durch Ihr Haus“

    Horst Flick, Groß- und Konzernbetriebsprüfer in Hessen

  • „Irgendwann innerhalb dieser 20 Jahre habe ich es einmal mit einem anderen Anbieter versucht. Das war aber gleich wieder vorbei. Nachher wusste ich SIS erst richtig zu schätzen.“

    Brigitte Scheibenzuber, Steuerberaterin, 84137 Vilsbiburg

  • „Ihre Datenbank ist eigentlich schier unerschöpflich und ich arbeite sehr gern damit. Ein großes Lob für die leichte Handhabung, die vielfachen Suchmöglichkeiten und überhaupt.“

    Ingrid Nigmann, Kanzlei Dipl.-Kfm. Georg-Rainer Rätze, 39112 Magdeburg

  • „Wir benutzen mit größter Zufriedenheit Ihre Datenbank, sie stellt wirklich eine enorme Erleichterung im täglichen Arbeitsleben dar.“

    Schneider, Siebert & Kulle, Partnerschaftsgesellschaft, 60486 Frankfurt

  • „Ich möchte nicht versäumen, Sie für die ‘SteuerMail’ zu loben. Die Aktualität und die Auswahl der Themen ist wirklich sehr gut.“

    Frank Zoller, Rechtsanwalt und Steuerberater, 75179 Pforzheim

  • „Sie haben offensichtlich die Bedürfnisse des steuerberatenden Berufs bei seiner Arbeit richtig eingeschätzt. Die Zuordnung der verschiedenen Dokumente zur jeweiligen Rechts-Vorschrift ist schlichtweg genial. Auch der Hinweis auf weitere Kommentare und Aufsätze ist außerordentlich wertvoll.“

    Willi Besenhart, Steuerberater, 81739 München

  • "Es macht wirklich Spaß mit Ihrer Datenbank zu arbeiten."

    Robert Kochs, Steuerberater, 52074 Aachen

  • "Ich bin sehr zufrieden. Die Datenbank ist äußerst hilfreich, Preis-Leistungsverhältnis stimmt."

    Erika Dersch, Steuerberaterin, 82431 Kochel am See

  • "Bin von Anfang an begeisterter Anwender und möchte SIS nicht mehr missen."

    Harald Dörr, Steuerberater, 63571 Gelnhausen

  • "Die SIS-Datenbank ist hervorragend; m.E. besser als die von den Finanzbehörden in BW verwendete Steuerrechtsdatenbank."

    Wolfgang Friedinger, 89077 Ulm

  • "Sehr gut ist die SteuerMail mit den Anlagen und die Internetseite mit den aktuellen Themen!"

    Karin Pede, IHR-ZIEL.DE GmbH, 91320 Ebermannstadt

  • "Mit Ihrer SIS-Datenbank bin ich seit Jahren sehr glücklich, hat mir schon sehr viel geholfen und der Preis ist nach wie vor sehr zivil für diese feine Geschichte."

    G. Grisebach, Steuerberaterin

  • "Auf vieles kann man verzichten - auf SIS niemals! Herzlichen Glückwunsch zur aktuellen SIS-Datenbank, vielen Dank für Ihren äußerst aktuellen Informations-Service"

    Friedrich Heidenberger, Steuerberater, 90530 Wendelstein

  • "Ihre Datenbank ist konkurrenzlos benutzerfreundlich."

    Godehard Wedemeyer, 47807 Krefeld

  • "Ich bin sehr zufrieden - rundum ein Lob von meiner Seite. Ich nutze die SIS-Datenbank schon seit vielen Jahren und finde sie sehr, sehr gut."

    Reinhard Geiges, Finanzbeamter, 70173 Stuttgart

  • "Herzlichen Dank für die schnelle Antwort. Das funktioniert, wie alles bei Ihnen, wunderbar. An dieser Stelle mal ein großes Lob an das gesamte Team. Ich bin wirklich froh, dass es Sie gibt."

    Uwe Lewin, Geschäftsführer Exacta Steuerberatungs GmbH, 07546 Gera

  • Konditionen
  • Online-Datenbank schon ab 32,00 € inkl. USt

    » MEHR

  • Notiz-Funktion
  • Wow!
    Notiz-Funktion in der SIS-Datenbank!

    » MEHR

  • Bedienkomfort
  • Handbuecher
  • Google für Steuerprofis
  • Kanzleialltag
  • SIS & Agenda
  • So übersichtlich kann eine Datenbank sein.

    » MEHR

  • Jetzt das Geld für teuere Handbücher sparen!

    In der SIS-Datenbank sind sie bereits drin!

    » MEHR

  • Kennen Sie das "Google" für Steuerprofis?

    » MEHR

  • Alles, was den Kanzleialltag leichter macht.

    » MEHR

  • Zusatz-Vorteile mit Agenda-Software

    » MEHR